Müggelheimer Bote
7. Jahrgang, Ausgabe 10/2000  
Oktober 2000 Home  |  Archiv  |  Impressum


Sprachjongleur mit scharfer Zunge

Satiriker Hansgeorg Stengel im Dorfklub

Immer in Bewegung: der Satiriker Hansgeorg Stengel. Foto: Jacobius
„Viele halten den Kalauer für etwas Primitives. Ich halte ihn jedoch für die Krönung des Witzes.” Und Beweise dafür lieferte der Schriftsteller und Humorist Hansgeorg Stengel bei seiner Lesung im Müggelheimer Dorfklub Anfang September genug. Der 78-Jährige jongliert mit der deutschen Sprache, wie andere Menschen mit Bällen. Die Zuschauer lohnten es ihm mit schallendem Gelächter.

Errungenschaften der DDR nahm der gebürtige Thüringer genauso aufs Korn, wie die heutige Marktwirtschaft. So habe er beispielsweise einen dreiwöchigen Lehrgang mitgemacht, um aus seinem bisherigen Mampfen ein gepflegtes Speisen zu machen, sagt er schmunzelnd. Und ein Westkarate-Lehrgang „Wie lege ich meinen Konkurrenten aufs Kreuz” habe ihn befähigt, seinen Bücherverkauf voranzutreiben.

Eine denkwürdige Begegnung fand eines Vormittags in Köpenicks Wäldern statt. Stengel und Günther Mittag liefen sich über den Weg und verglichen den Inhalt ihrer Pilzkörbe: Stengel als alter Pfiffikus wies viele Pfifferlinge vor, Mittag dagegen eine stattliche Zahl Rotkappen.

„Typisch für die DDR war, dass man davon ausging, wenn jemand öffentlich auftritt, sei alles vorher abgesegnet worden. Aber ich konnte so viele Zweideutigkeiten von mir geben, dass manchem Zuhörer schlecht wurde vor Angst. Aber es hieß immer nur - wenn Stengel das sagt, ist das in Ordnung”, erinnert er sich heute gut gelaunt.

Die Hände ständig in Bewegung, das markante Gesicht voller Mimik strahlt er ungebrochene Lebensfreude aus. Stengel kann nicht verstehen, dass sich Menschen auf die Rente freuen, um dann nichts zu machen: „Müßiggang ist nicht das beste Überlebensmittel”, weiß der ehemalige Eulenspiegel-Redakteur (bis 1959).

25mal hat der Satiriker inzwischen den Globus umrundet - zumindest, was die Kilometerzahl anbelangt. Leider ging das nicht immer ohne Punkte zu sammeln. Zu schnelles Fahren brachte dem leidenschaftlichen Autofahrer schon elf Punkte auf seinem Sünderkonto. Deswegen ist er der Meinung: „Flensburg muss weg. Ich gehöre nur zu den Bagatelle-Sündern, habe noch nicht einmal so einen entbehrlichen Rentner überfahren.“

40 Bücher hat Stengel inzwischen geschrieben. „So ein Struwwelpeter” (1970) hält er für seinen größten Erfolg. Schließlich erschien es bisher in acht Auflagen. Doch auch sein neuestes Werk „Wasserhahn und Muskelkater” (Frühjahr 2000) hält er für sehr gelungen, stellt es doch eine ungewöhnliche Tiersammlung vor. In Stengels Zoo gibt es Tiere wie den Immobilienhai oder den Amtsschimmel, die Spinatwachtel oder den Frechdachs, den Baulöwen und den Lustmolch.

„Meine Lesungen dauern immer so lange, weil ich mir so gerne zuhöre“, leitet Stengel nach gut zwei Stunden schmunzelnd den Abschluss ein. Bei so viel Witz und Charme nahmen die Zuhörer auch sein gelegentliches Abschweifen gelassen. sip

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