Müggelheimer Bote
7. Jahrgang, Ausgabe 05/2001  
Mai 2001 Home  |  Archiv  |  Impressum


Anhörungen zum Planfeststellungsverfahren Schönefeld

Eine Farce, der die Tragödie folgen wird

Am 23. April begannen – mehr als ein halbes Jahr verspätet – die Anhörungen der Träger öffentlicher Belange zum geplanten Ausbau in Schönefeld. Wer die ersten Tage miterlebt hat, wird den Eindruck nicht los, es geht in diesem Verfahren auch weiterhin lediglich um den krampfhaften Versuch, alle Ungereimtheiten des Projektes möglichst zu vertuschen und nicht etwa zu klären. Ob es die wissenschaftlich unhaltbaren Aussagen des lärmmedizinischen Gutachters Prof. Dr. Dr. Gerd Jansen, das Auftauchen von 20 weiteren Aktenordnern mit nicht ausgelegten Unterlagen oder die Tatsache ist, dass das Verfahren schon jetzt von einer ganzen Reihe von Rechtsfehlern überschattet wird – es ist kriminell, dass so ein Schmierentheater überhaupt in einem demokratischen Rechtsstaat ablaufen kann!

Geht es nach dem vorläufigen unverbindlichen Zeitplan der Anhörungsbehörde, so sollen die Anhörungen der privaten Einwender in der letzten Maiwoche beginnen. Ob man diesen Zeitplan einhalten können wird, ist aber nach den ersten Erfahrungen bei den Anhörungen eher unwahrscheinlich. Erst wenn gemäß §73 (6) des Brandenburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfGBbg) der Erörterungstermin mindestens eine Woche vorher öffentlich bekanntgemacht wurde, ist er auch verbindlich.

Mancher von Ihnen wird sich fragen: Was kann ich als privater Einwender in diesem Verfahren noch ausrichten, und lohnt es sich denn überhaupt, zu den Anhörungen zu gehen? Meine Antwort darauf ist klar und unmissverständlich: Jeder von uns kann mit geringer Mühe noch sehr viel in diesem Verfahren beeinflussen, und es lohnt sich für uns alle!

Sicher empfinde auch ich nach den Erfahrungen mit diesem Projekt, dass es nicht leicht ist, Vertrauen zu diesem Rechtsstaat zu haben. Allerdings frage ich mich oft, ob wir denn schon alle Möglichkeiten der demokratischen Mitbestimmung ausgenutzt haben. Der Gesetzgeber hat die Anhörungen der betroffenen Bürger aus gutem Grund vorgesehen – wir sollten daher diese Chance nicht verschenken. Demokratie ist auch das Recht, NEIN zu sagen!

Natürlich ist es nicht jedermanns Sache, die Gutachter, Vorhabenträger oder die Behörde mit peinlichen Fragen und guten Argumenten in Schwierigkeiten zu bringen. Ich erinnere aber gern an den Bürger, der vor Jahrzehnten den Bau eines Kernkraftwerkes in Kalkar am Niederrhein verhindert hat. Seine scheinbar einfache Frage war die, wie ein im Kühlsystem des Reaktors ausbrechender Brand des flüssigen Natriums wohl gelöscht werden könne. Diese Frage konnten weder der Vorhabenträger, noch die hinzugezogenen Gutachter überzeugend beantworten. Der Reaktor ist nie gebaut worden! Vielleicht fallen Ihnen jetzt doch noch ein paar Fragen ein!? Wenn nicht, dann haben Sie ja den Kopf frei für andere Überlegungen.

Was halten Sie denn von einer freiwilligen Lehrstunde über freiheitliche Demokratie mit praktischen Übungen? Wenn die Anhörungsbehörde Sie sogar öffentlich einlädt, Ihre Bedenken vorzutragen, so sollten Sie unbedingt hingehen. Wichtig ist dabei nur, daß vor allem der Gastgeber an alles gedacht hat. Und was er nicht bedacht hat, können Sie schon seit Wochen in den Zeitungen lesen: Er erwartet als Gäste nur etwa 5000 der über 70 000 Einwender. Das wird er wohl bei anderen Planfeststellungsverfahren in Deutschland gelernt haben.

Aber hier in Berlin-Brandenburg leben zahlreiche gut ausgebildete Leute, die nicht nur mit der alten Bundesrepublik, sondern auch schon jahrzehntelang mit einer anderen Staatsform Erfahrungen sammeln konnten. Denn was macht der Gastgeber, wenn 8000 oder mehr von denen vor der Tür stehen und hinein wollen? Wenn diese Gäste nur aus dem Grunde gekommen sind, um am selben Ort zur selben Zeit friedlich ihren demokratischen Willen kundzugeben? Das wissen wir nicht, aber wir sollten es unbedingt ausprobieren!

Gehen Sie – vielleicht zum ersten Mal in Ihrem Leben freiwillig – zu einer Kampfdemonstration und kämpfen Sie um Gesundheit, Leben und Zukunft für sich, Ihre Kinder und uns alle! Machen Sie genau das, was kein Politiker, kein Planer und keine Behörde von Ihnen erwartet: Gehen Sie einfach hin! Nur dann, wenn sich die Behörde schon alleine wegen der riesigen Menschenmenge vor unlösbare Probleme gestellt sieht, werden uns unsere Gegner und die Öffentlichkeit als entschlossene und mutige Bürger ernst nehmen!

Es gibt noch einen dritten Grund, der Sie überzeugen sollte: Für die Anhörungen brauchen Sie vielleicht ein paar Urlaubstage, eine Fahrkarte und ein Stullenpaket. Das macht Sie sicher nicht arm, und außerdem sind Sie dabei unter Gleichgesinnten. Was aber müssen Sie aufwenden, wenn später Klagen gegen einen Planfeststellungsbeschluss vor dem Bundesverwaltungsgericht finanziert werden müssen? Wenn es dann um die Wurst geht, darf uns keine Mark zu schade sein, die wir für die Klage gegen einen womöglich rechtsfehlerhaft zustande gekommenen Verwaltungsakt bezahlen müssen. Können Sie sich vorstellen, wie viele einsichtige Bürger man dann braucht, um 400 000 DM zusammenzubekommen? Das sollte Ihnen zu denken geben, wenn Sie auf dem Wege zur Anhörung sind!

Sie können sich als Einwender ja auch vertreten lassen, wenn Sie selbst weder Lust noch Zeit haben, zu den Anhörungen zu gehen. Vielleicht hat Ihr Nachbar inzwischen mehr Interesse für seine Zukunft und damals sogar vergessen, eine Einwendung zu machen? Eine schriftliche Vertretungsvollmacht (§14 VwVfGBbg) von Ihnen genügt und Ihr Nachbar kann an Ihrer Stelle teilnehmen. Auch wenn Sie im vergangenen Jahr eine der zahlreichen gleichlautenden Einwendungen unterschrieben haben, steht Ihnen das Recht zu, diese Vertretungsvollmacht zu widerrufen und einen anderen Bevollmächtigten zu bestellen (§17 VwVfGBbg). Sicher ist Ihnen klar, daß die Behörde überfordert sein wird, wenn 8000 Bürger mit derartigen Papieren in der Hand zur Anhörung kommen. Die Behörde wird daher wahrscheinlich von vornherein auf eine zeitraubende Einlasskontrolle verzichten, und die Anhörung ist dann praktisch öffentlich.

Am Dienstag, dem 8. Mai, um 19 Uhr können Sie sich bei der diesjährigen öffentlichen Mitgliederversammlung der Gruppe Müggelheim des BVBB im Speisesaal der Schule Odernheimer Straße weitere Anregungen, Ideen und aktuelle Fakten holen. Als Gäste haben wir den früheren Bezirksstadtrat für Jugend und Umwelt, Ernst Welters, den früheren Chef des Köpenicker Umweltamtes, Dr. Manfred Marz, und den Vorsitzenden des BVBB, Ferdi Breidbach, eingeladen. Ich freue mich, Sie an diesem Abend gesund und voller Entschlossenheit begrüßen zu können! Gunnar Suhrbier, Sprecher BVBB Müggelheim, FON 65942753

Termine

8. Mai, 19 Uhr, Speisesaal der Schule Odernheimer Straße: öffentliche Mitgliederversammlung der Gruppe Müggelheim des BVBB

6. Mai, 10 Uhr Treffpunkt Kirche Dahlewitz, Maidemonstration des BVBB: Menschenkette von Glasow nach Dahlewitz

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