Müggelheimer Bote
7. Jahrgang, Ausgabe 06/2001  
Juni 2001 Home  |  Archiv  |  Impressum


„Was einst billig errichtet wurde, kann später teuer kommen”

Interview mit Jürgen Friedrichs vom Bauherren Schutzbund

So mancher Bauherr bekommt graue Haare, wenn das traute Heim nicht wie vorgesehen fertig wird, Schimmel, nasse Stellen oder schiefe Wände den Traum vom Wunschhaus zum Albtraum werden lassen. Der Bauherren Schutzbund will helfen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Die gemeinnützige Verbraucherschutzorganisation hat bundesweit 51 Filialen mit 56 Bauherrenberatern. Vorstandsmitglied Jürgen Friedrichs hat seine Dependance an der Odernheimer Straße 135. Mit dem 49-jährigen Bauingenieur, der derzeit neun Bauherren aus dem Berliner Südosten und 30 aus dem Umland betreut, sprach für den Müggelheimer Boten Reinhard Butzek. Auch in Müggelheim wird der Sachverständige bereits in mehreren Fällen zu Rate gezogen.

Jürgen Friedrichs Foto: Jacobius
Herr Friedrichs, Sie konzentrieren sich vor allem auf den Berliner Südosten und die angrenzenden Brandenburger Gebiete. Bei welchen größeren finanziellen Problemen mussten Sie schon eingreifen?

Jürgen Friedrichs: Finanzprobleme ergeben sich meistens im Nachhinein. Viele kommen mit ihrem Budget nicht aus, weil häufig nicht alle Baukosten erfasst sind und zusätzliche Aufwendungen durch unnötige Nachbesserungen und Zeitverschiebungen auftreten. 30 bis 40 000 Mark sind kein Einzelfall. Und da der Finanzspielraum meist ausgereizt ist, ergeben sich häufig erhebliche Diskrepanzen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ein Bauherr lässt seit neun Jahren bauen. Die Kosten haben sich inzwischen vom ursprünglichen Ansatz her durch Verzögerungen und Veränderungen verdoppelt, doch das Haus ist noch immer nicht bezugsfertig, die ausführende Firma hat inzwischen Insolvenz beantragt. Dies hätte mit großer Wahrscheinlichkeit vermieden werden können, wenn sich der Bauherr rechtzeitig entsprechenden Rat eingeholt hätte. Wir versuchen einzugreifen, um Schlimmstes zu verhindern.

Welche Baufehler kommen besonders häufig vor?

Unzureichende Gebäudeabdichtung im Erdbereich, fehlerhafte Ausführung luftdichter Elemente, vor allem im Dachgeschoss, ich sage nur Dampfbremsfolie, fehlende Wärmedämmung in beheizten Kellern. Ich könnte noch weitaus mehr anführen. Nur ein Beispiel: Neulich habe ich mir Doppelhäuser angeschaut. Da zogen Leute aus einem Plattenbau ein. Doch die Schallübertragung war in ihren neuen Häusern völlig unzureichend und wesentlich größer, als in der alten Platte. Ein Unding.

Woran liegt es?

Eine Ursache sehe ich darin, dass Bauleiter bis zu zehn Baustellen zu betreuen haben und nicht vor Ort sind, wenn Fragen auftreten. Eine Ausführungsplanung als Anleitung für Handwerker gibt es in der Regel nicht, so dass diese bei Materialauswahl und Verarbeitung häufig auf sich gestellt sind. Viele Firmen beschäftigen „Universalhandwerker”, die fast alles allein herstellen. Dass da manches Spezialwissen auf der Strecke bleibt, versteht sich von selbst. Eine andere Ursache: Subunternehmen sind oft gleichzeitig auf mehreren Baustellen eingesetzt. Dadurch treten lange Stillstandszeiten und auch Abstimmungsprobleme auf.

Müssen häufig Rechtsanwälte bemüht werden?

Wenn sachliche Auseinandersetzungen zwischen Bauherren und bauausführenden Unternehmen zu keinem Ergebnis führen, geht das kaum anders. Doch wir streben den Ausgleich und außergerichtliche Vergleiche an. Selbst dabei geht es noch um Summen zwischen 10 bis 100 000 Mark. Wir können Fachanwälte vermitteln, die privaten Bauherren zur Verfügung stehen.

Sie sind gelernter Bauphysiker und Schallschutzingenieur. Geben Sie auch Tipps zu Niedrigenergiehäusern?

Der Begriff des Niedrigenergiehauses wird in Deutschland fast inflationär verwendet. Die theoretischen Berechnungen stimmen oft nicht mit den praktischen Resultaten überein. Schon allein, wenn feuchte Baustoffe verwendet werden oder nicht luftdicht gedämmt wird, kann es zu Energieverlusten von bis zu 50% Prozent kommen. Wir prüfen Planungsunterlagen und Wärmeverluste an Häusern und kommen immer wieder zu schlimmen Ergebnissen.

Greifen Sie nur bei Neubauten ein?

Der Großteil unserer Aktivitäten bezieht sich momentan noch auf Neubauten, aber auch bei Altbauten werden wir zunehmend gerufen, speziell eben, um hinsichtlich Energieeinsparung oder verbessertem Wohnkomfort Vorschläge zu machen. Deutschlandweit nimmt das Baugeschehen ab. Kommen Sie mit dem Bauherren Schutzbund, den es seit 1995 gibt, nicht etwas zu spät?

Nein, die Aufgaben ändern sich nur. Zudem: Im Bereich Berlin-Brandenburg boomt das Baugeschehen noch, wenn auch nicht mehr so intensiv. Aber in der Tat, wir werden uns verstärkt älteren Gebäuden und Modernisierungs- sowie Energie-Einsparmaßnahmen widmen. Leider nehmen Bauschäden zu, bei Neubauten teilweise schon nach wenigen Monaten. Da werden wir angesprochen. Was einst schnell und billig errichtet wurde, kann Bauherren später sehr teuer kommen.

Was machen Sie, wenn wirklich Pfusch am Bau vorliegt?

Qualifiziertes Bauen ist unser Anliegen. Können wir frühzeitig eingreifen, schon bei Zwischenabnahmen, dann lassen sich größere Schäden meist abwenden. Bauherren stehen aber häufig vor Situationen, die vorher so nicht vereinbart waren. Änderungen werden vorgenommen. Schlimmstenfalls sind später Rückbaumaßnahmen unausweichlich.

Wie gehen die Bauherren mit der Finanzierung ihres Traums vom Eigenheim um? Kommt es da zu Fehlern?

Oft werden Kosten bei Angeboten nicht berücksichtigt. Vor allem, wenn es während der Bauphase Veränderungen gibt. Die Folge sind Finanzierungs-Engpässe. Schlimm wird es aber auch, wenn einkalkuliertes Geld ausbleibt, die verplante Erbschaft oder Unterstützung wegfällt. Deshalb muss im Vorfeld sorgfältig und mit Puffer geplant werden.

Wie lange dauert heute durchschnittlich ein Neubau?

Im allgemeinen dauert ein Häusle-Neubau heutzutage sechs bis acht Monate. Ich habe aber auch schon erlebt, dass früh um sechs Uhr vier Container-Fahrzeuge mit acht Monteuren anrückten und um 19 Uhr stand der Möbelwagen bereits da, und es konnte eingeräumt werden. Die frühere Rechnung, Rohbau im Herbst und im Frühjahr der Ausbau ist schon lange von der Realität überholt.

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