Müggelheimer Bote
8. Jahrgang, Ausgabe 12/2001  
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Wahrheiten zum Flughafenausbau von Schönefeld aus Sicht eines Ex-Flugkapitäns

Klaus Breiler hat von 1957 bis 1992 als Berufs- und Verkehrsflugzeugführer gearbeitet. Bis 1997 war er als Privatpilot tätig und ist bis heute als Veteran der Fliegerei verbunden. Er gehört zu der Fliegergeneration der DDR, für die Flugzeugführung noch eine Studienrichtung war mit einer gründlichen technischen- und Spezialausbildung in Aerodynamik, Meteorologie, Luftrecht. Außerdem arbeitete er als Prüfer für Luftfahrzeuge im Auftrag der Prüfstelle für Luftfahrtgeräte und als Sachverständiger für die Untersuchung von Flugunfällen. Aus dieser Erfahrung heraus schreibt der Müggelheimer jetzt über das, worauf es aus seiner Sicht bei der Flughafendiskussion ankommt. Gleichzeitig möchte er mit seinen Ausführungen die zahlreichen Fragen, die ihm während der Anhörung gestellt wurden, beantworten.

 
Einige Bemerkungen vorweg:

Um die jahrelange unsinnige, kostspielige und zeitraubende Diskussion um den Standort Schönefeld zu beenden, müssen die betroffenen Bürger weiter um Ihre Zukunft kämpfen. Seit dem 11. September zittern unsere Gefühle. Wir können wegschauen, weglaufen oder handeln. Deshalb sollten die Bürger der Region, die nicht vom Flughafenausbau Schönefeld unmittelbar betroffen sind, Solidarität mit denen üben, die in den Einflugschneisen und in Flughafennähe wohnen und weder weglaufen noch wegschauen noch weghören können. Ich möchte wiederholen, was ich zur BBI-Anhörung am 21. August gesagt habe: „Die von Politikern, Vorhabensträger und Anhörungsbehörde als Flughafengegner bezeichneten Menschen, haben verständliche soziale und Sicherheitsbedürfnisse. Diese Bedürfnisse werden wachsen, wenn der Flugverkehr in Schönefeld noch dichter und die Flugzeuge noch größer werden.”

Zum Begriff der Sicherheitsmindesthöhe lt. Luftverkehrsordnung:

Die Sicherheitsmindesthöhe ist die Höhe, bei der weder eine unnötige Lärmbelästigung noch eine unnötige Gefährdung von Personen und Sachen zu befürchten ist. Die Sicherheitsmindesthöhe darf nur bei Start und Landung unterschritten werden. Das bedeutet, daß Personen und Sachen in den Einflugschneisen zwangsläufig einer Gefährdung ausgesetzt sind. Die Statistik über Flugunfälle sagt weiterhin zur Häufigkeit und Schwere der Unfälle, dass beim Landeanflug und beim Start am meisten passiert. Häufig wird aus diesen Statistiken nur die Wahrscheinlichkeit interpretiert und nicht der eigentliche Zweck, die Vermeidung und Vorbeugung. Ein Autounfall ist wahrscheinlicher als ein Flugzeugabsturz. Das ist richtig. Aber wir sprechen hier nicht über Wahrscheinlichkeiten, sondern über Gefährdungspotenziale und Sicherheitsbedürfnisse der Menschen in den An- und Abflugsektoren. Für Flugzeuge, die nach Instrumentenflugregeln fliegen, ist die Sicherheitsmindesthöhe 300 m über die höchste Erhebung, im Radius von 8 km. Über Ortschaften sind 300 m über dem höchsten Hindernis vom Gesetzgeber vorgegeben. Die Spezifik des Luftfahrzeuges, wie z.B. die Wirbelschleppe, unterschiedliche Lärmpegel, wird dabei nicht berücksichtigt. Diese Standards entsprechen nicht mehr den heutigen Erfordernissen.

Zum Begriff der Anflugsektoren:

Sie sind nicht definiert, entsprechen aber mindestens dem Bauschutzbereich für eine Instrumentenlandebahn (§ 12 Luft VG). Vom Bezugspunkt der Start- und Landebahn bis 15 km und jeweils 15 Grad links und rechts der Bahnmitte ist die vereinfachte Darstellung der Sektoren wo der Gesetzgeber keine Sicherheitsmindesthöhen festlegen kann. Der tatsächliche Sektor für Start und Landung ist größer und abhängig von den Freigaben der Flugsicherung. Das Überfliegen des Trinkwasserschutzgebietes um den Müggelsee beim Landeanflug in Verbindung mit Luftverunreinigungen durch Flugzeuge wurde vom Antragsteller bei der Anhörung am 27. September bestritten. Deshalb stellte ich den Antrag auf Anfertigung einer Karte, wo die für die Trinkwassergewinnung relevanten Tiefbrunnen eingetragen sind. Mit Bescheid vom 1. November wurde mein Antrag abgelehnt.

Einige offene Worte zum Thema Luftverunreinigungen durch Luftfahrzeuge:

Tatsache ist, dass Schalldämpfer und Katalysatoren für Kleinflugzeuge nicht vorgeschrieben sind. Tatsache ist auch, daß ein Flugzeug kein „dichtes System” darstellt. Alle Behälter für die erforderlichen Betriebsstoffe sind belüftet und über Drainageleitungen mit der Außenluft verbunden, wenn sie nicht im druckdichten Teil des Flugzeugrumpfes liegen. Am Beispiel des Kraftstoffsystems wird dies besonders deutlich. Dieses System muss bei großen Temperatur- und Druckschwankungen zuverlässig arbeiten. Gleichzeitig wird eine Reihenfolge der Entnahme zwischen den einzelnen Kraftstoffbehältern vorgegeben, um die Schwerpunktlage des Flugzeuges in einem zulässigen Bereich zu halten. Es ist ein kompliziertes Zusammenspiel von Umförderpumpen, Ventilen, Signalisatoren, Verbindungshähnen, Hochdruckpumpen und Brandhähnen. Bei Unregelmäßigkeiten wird z.B. Kraftstoff über die Drainage abgeführt, um den jeweiligen Behälter vor Überdruck zu schützen. Da Luftfahrzeuge mit größerer Reichweite auch größere Kraftstoffmassen an Bord haben, verfügen sie über Schnellablass-Systeme, um Gefahrensituationen beherrschen zu können. Der Antragsteller behauptet in seinem Propagandamaterial für die Bevölkerung, dass Fuel-Dumping selten vorkommt und moderne Maschinen nicht mehr solch ein System haben. Das ist eine Lüge. Der Flughafen Schönefeld wird für die neue Flugzeuggeneration Airbus 380 vorbereitet. Deshalb soll die neue Startbahn die ungewöhnliche Länge von 4000 m haben. Betrachtet man die Parameter dieses Flugzeuges erkennt man die Zusammenhänge: Version A 380- 100R: Spannweite 79,8 m; Länge 73 m; Höhe 24,1 m, Reichweite 16 200 km; bis zu 650 Sitze; Kraftstoffvorrat 372 000 ltr., Maximales Startgewicht 590 t, Maximales Landegewicht 390 t

Die Frachtversion kann 150 t, auch gefährliche Güter wie Explosivstoffe, Giftstoffe, radioaktives Material usw., transportieren.

Im Notfall (Bombendrohung, Brandsignalisation nach dem Start) ist unverzüglich zu landen. Bei dieser Differenz zwischen den zulässigen Gewichten ist ein hochleistungsfähiges Schnellablass-System erforderlich, was im genannten Notfall bis kurz vor der Landung benutzt werden muss.Wenn kein akuter Notfall vorliegt, z.B. Fahrwerkprobleme, wird Kraftstoff nach ICAO- Empfehlungen (große Höhe, vorgegebene Gebiete) abgelassen.

Ein Landeanflug im Regen, mit ausgefahrenem Fahrwerk, ausgefahrenen Vorflügeln und Klappen, mit offenen Fahrwerkschächten bei etwa 280 km/h, ist ein Waschvorgang mit intensiver Unterbodenpflege. Das sind Wahrheiten die man nicht verschweigen sollte.

Teil 2 lesen Sie im Müggelheimer Boten vom Januar 2002.

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