Müggelheimer Bote
8. Jahrgang, Ausgabe 02/2002  
Februar 2002 Home  |  Archiv  |  Impressum


Geschichten aus dem Müggelwald

Paulchens Winterferien

Paulchen ist nun schon in der dritten Klasse. Bald bekommen sie Winterferien und alle freuen sich darauf. Einige erzählen schon jetzt, was sie in den Ferien erleben werden. Sie erzählen von Ferien in der Türkei, oder in den Alpen, auch Spanien oder, oder . . . Paul hört still zu.

Die Ferien rücken immer näher. Dann, beim gemeinsamen Abendbrot, sagen die Eltern zu Paulchen, dass sie mit ihm etwas besprechen wollen. Er macht große Augen, jetzt würden sie wohl sagen, wohin sie alle gemeinsam verreisen würden. Da sagt der Vater, dass er einen ganz wichtigen Auftrag bekommen habe. Er soll mit einem Kollegen in einer anderen Stadt eine Arbeit ausführen. Dann sagt die Mami, dass auch sie zur Ferienzeit leider nicht zu Hause sein kann. Sie soll zu einem Weiterbildungslehrgang von ihrer Arbeitsstelle, auch in eine andere Stadt fahren. Aber, sagt da Paulchen, was wird nun mit meinen Ferien?

„Ja”, sagt die Mami, „das ist es ja gerade, worüber wir mit dir sprechen wollen. Wir hatten da eine Idee und wir haben auch schon mit O—”. „Opa”, sagt Paulchen, obwohl das Wort noch gar nicht ausgesprochen wurde. „Ja”, sagen beide, „Opa würde sich sehr freuen, wenn du mal ganz allein zu ihm kommen würdest”. „Ich allein zu Opa und darf ich dann auch bei ihm schlafen und, und—?” Er war ganz aufgeregt und hatte vor Freude rote Bäckchen bekommen. „Natürlich darfst du.” „Toll, toll, toll!” Paulchen freut sich.

Am ersten Ferien-Sonnabend brachten die Eltern Paul mit dem Auto zu Opa. Der wohnt in einem kleinen Häuschen mit Garten am Rand eines kleinen Dorfes im Müggelland. Ganz in der Nähe fließt die Müggelspree, Wiesen und Wald sind auch nicht weit.

Als sie durch die kleine Siedlung fahren und vor dem Grundstück anhalten, steht Opa schon in der Haustür und der Dackel Toni bellt fröhlich hinter dem Zaun. Paulchen mit seinem kleinen Rucksäckchen auf dem Rücken stürmt auf seinen Opi zu, der ihn in die Arme nimmt und ihm einen dicken Kuss gibt.

Als die Eltern wieder abgefahren waren, flitzt Paulchen hinter das Haus, wo der große Hühnerstall mit den bunten Hühnern und dem Gockelhahn waren. Dann in den Schuppen, wo die Kaninchen, jedes in einem Stall sind und ihn durch die Gittertüren ansehen. Im Garten und überall liegt noch Schnee. Zu Hause in der großen Stadt ist er schon längst getaut. „Komm rein Paulemann”, ruft Opa, „ich habe Kakao für uns gemacht”. Der Tisch in der gemütlichen Küche war schon gedeckt. Dackel Toni liegt schon in seinem Körbchen, es ist warm und gemütlich. Paulchen sieht dauernd zur Kuckucksuhr, welche so schön tickt. Er wollte nicht verpassen, wenn der Kuckuck das Türchen aufmachte und „Kuckuck” ruft.

„Nachher gehen wir zusammen die Tiere füttern und du kannst mir dabei helfen”, sagt Opa. Als es anfängt dunkel zu werden, ist es so weit. Die Hühner bekommen Körner und die Kaninchen geschnittenes Gemisch aus Kartoffelschalen, Möhren und Kohlblätter. Türchen auf, Futter in den Napf, Türchen zu. Danach noch etwas Heu für die Kaninchen. Inzwischen hatten die Hühner schon alles aufgepickt und waren in ihrem Stall auf die Sitzstangen gehüpft. Nun verschließt der Opi fest die Stalltüren, damit kein Fuchs oder ein Marder sich hier Beute holen kann. Zurück in der Küche spielen sie Schwarzer Peter und Mau-Mau. Schon mehrmals hat der Kuckuck gerufen und Paulchen hat schon ganz kleine Augen. „Na”, sagt Opa, „du willst wohl mit den Hühnern schlafen gehen?” Paulchen reißt die Augen auf. „Was, du schläfst mit den Hühnern? Ich wollte mit dir im Bett schlafen und meinen Schlafbären hab ich auch mitgebracht”. Da lacht der Opa, dass ihm die Tränen in den Augen stehen. „Natürlich nicht”, sagt er, „man sagt das nur, wenn jemand früh schlafen gehen will.” Dann gehen sie eine kleine Treppe nach oben ins Schlafzimmer. Der Mond scheint durch das kleine Fenster. Paulchen schläft in dem Bett, in dem früher die Oma geschlafen hat, in der Mitte liegt der Bär und daneben Opa, der gewaltig schnarchen konnte.

Morgens weckte sie das fröhliche „Kikerikie” des Gockelhahns. Wieder versorgen sie gemeinsam die Tiere. Der Dackel flitzt im Garten herum schnüffelt nach Mäuschen. Beim Frühstück sagt der Opa: „Es wird ein schöner Tag, wir könnten eine kleine Expedition machen.” Er schmiert Schmalzstullen und holt Äpfel aus dem Keller. Dann noch eine große Tüte mit Brotbröckchen und Rinden. Alles kommt in Opas Rucksack.

Dann gehen die beiden über die Wiesen, stapfen durch den Schnee und durch den Wald. Opa nimmt den Toni an die Leine. „Hier haben an manchen Stellen die Wildschweine nach Eicheln gesucht”, sagt er. Alles ist umgewühlt. Dann kommen sie an die Müggelspree. Eis und Schnee bedecken die Spree, aber an der Brücke ist ein großer Teil offen. Hier schwimmen viele Enten und Blesshühner, die dann auch die Brotbrocken bekommen. Beim Zusehen bekommen sie auch Hunger und Opa holt die Schmalzstullen und Äpfel aus dem Rucksack.

Dann kommen zwei Schwäne angeflogen und landen auf dem Eis. Dackel Toni bellt wütend. Die Schwäne kommen auch noch in die offene Wasserstelle sie wollen Brotbröckchen haben. Der große Schwan stellt drohend seine Flügel hoch und kommt ganz dicht ans Ufer, wo Toni aufgeregt bellt und seine Zähne zeigt. Der Schwan macht plötzlich seinen Hals ganz lang und kneift dem Dackel ins Ohr. Alle sind erschrocken. Toni flitzt erst einmal weg, dann will er sich wohl rächen, will zurückbeißen und dabei - plumps, fällt er ins Wasser.

Jetzt muss Toni gerettet werden. Sie beugen sich zum Wasser und versuchen ihn zu erreichen. Plötzlich bricht ein Stück von der Uferbefestigung ab und Paulchen liegt auch im Wasser. Das ist ein Geschrei und Geplansche. Opa greift den Toni und hieft ihn ans Ufer dann hilft Paulchen auch an Land. Toni schüttelt sich, dass die Tropfen nur so spritzen. Opa zieht seine dicke Jacke aus und hängt sie Paulchen über. „Nun aber flott nach Hause”, sagte er und sie laufen los, Opa voran. Er geht zwar einen kürzeren Weg, trotzdem keuchen sie. Er duldet keine Pause. Völlig erschöpft kommen sie am Häuschen an. Rein in die warme Stube, Schuhe aus und dann hilft der Opa dem Paulemann die nassen Sachen auszuziehen. Er rubbelt den Jungen, bis seine Haut rot wird und dann muss er ins Bett. Mit einer Wärmflasche und heißem Tee wird er langsam wieder warm.

Am nächsten Tag hat er Fieber und Opa ruft den Doktor. Der kommt, horcht Paulchen ab, machte „hm-hm” und geht mit Opa in die Küche.

Paulemann muss nun im Bett bleiben. Für den Tag macht Opa ihm ein Bett in der Stube auf dem Sofa. Opa setzt sich, so oft er kann in einen Sessel, der neben dem Sofa steht. Und dann erzählt er seinem Enkel, wie er früher als kleiner Junge auch mal ins Wasser gefallen war, auch dass er trotzdem das Wasser sehr liebt und später sogar Binnenschiffer geworden sei. Er erzählt, welche Flüsse und große Seen er mit den großen Lastkähnen befahren hat und dass er auch damals schon einen Hund hatte, der Baffi hieß. Zwischendurch kocht er, schmiert Stullen und serviert alles auf einem Tablett. Dann versorgt er seine Tiere draußen und Toni schläft auf seinem Bett am Fußende. Manchmal spielen sie auch Mühle oder „Mensch-ärgere-dich-nicht”. Es ist gar nicht schlimm, dass Paulchen im Bett liegen muss, denn sein Opi verwöhnt ihn mit so viel Liebe, dass Paulchen tatsächlich zum Ende der Ferien wieder gesund ist.

Als die Eltern ihren Jungen abholen, springt ihnen ein erholter, fröhlicher und glücklicher Paulemann entgegen. Sie müssen Opa und Paulchen versprechen, dass er in den nächsten Ferien wieder herkommen darf und das versprechen sie gerne. Noch in der Schule erzählt Paulchen begeistert von seinem Opa und sicherlich beneiden ihn einige Klassenkameraden. MS

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