Müggelheimer Bote
8. Jahrgang, Ausgabe 02/2002  
Februar 2002 Home  |  Archiv  |  Impressum


Es wird weiter gehen: Neu-Helgoland soll wieder aufgebaut werden

Nach verheerendem Brand wurde das Traditionslokal an der Müggelspree völlig zerstört

Ein Haufen verkohlter Holzbalken ist noch übrig. Darunter begraben: eine Menge Erinnerungen an schöne, wie auch schlechte Tage. In der Nacht zum 2. Januar ist das Unvorstellbare geschehen. Die Traditionsgaststätte Neu-Helgoland wurde ein Opfer der Flammen. Die bisherigen Ermittlungen der Kriminalpolizei deuten auf Brandstiftung hin. 104 Jahre Gastronomie-Geschichte liegen jetzt in den Trümmern vergraben. Die Feuerwehr konnte nichts mehr retten, nur Schlimmeres verhindern.

Trauriger Anblick: Die Reste des Haupthauses am Tag des Brandes.
Doch vier Frauen stecken dennoch nicht den Kopf in den Sand: Chefin Dagmar Tabbert, ihre Cousine Magelona, Tochter Stefanie Marggraf und die Mutter „vons janze”, Charlotte Tabbert, wollen kämpfen. „Wir geben nicht auf. Nach dem wir den ersten Schock überwunden hatten, haben wir noch am selben Abend die Ärmel hochgekrempelt und gesagt es geht weiter”, sagt Dagmar Tabbert. Ihr gemeinsames Ziel: Neu-Helgoland wieder aufbauen. „Wir haben schon vieles im Leben überstanden, wir überstehen auch das,” zeigt sie sich optimistisch.

Geld dafür soll von der Versicherung kommen. Es würde zwar nicht reichen, aber wenigstens ein Anfang sein, meint Dagmar Tabbert. Doch die Versicherung hält sich noch zurück. „Solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind und die Kripo grünes Licht gegeben hat, können sie nicht zahlen”, erklärt Dagmar Tabbert. Inzwischen hat sie sich einen Anwalt beratend an die Seite genommen.

Für die acht Angestellten müsste jetzt eigentlich eine Betriebsausfallversicherung in Kraft treten, so dass sie ein Jahr lang ihren Lohn weitergezahlt bekommen. Doch auch das funktioniert noch nicht. Dafür sind die sechs Auszubildenden versorgt. Durch einen Verbund mit anderen Ausbildungsgaststätten können sie ihre Ausbildung an anderer Stelle nahtlos fortsetzen.

Was war nun geschehen in der Nacht zum 2. Januar? Noch am Neujahrstag hatten sowohl die Chefin, als auch der Koch zu unterschiedlichen Zeiten einen Kontrollgang durch das Haus unternommen. Das Aufräumen nach einer rauschenden Silvesterfeier wollte man gemeinsam am 2. Januar erledigen. Doch dazu kam es nicht mehr. Kurz vor ein Uhr nachts schlug ein Bewegungsmelder an. Fast im selben Moment sah Ex-Ehemann Stefan Marggraf bereits Feuer im benachbarten Lokal und rief die Feuerwehr. Als sie eintraf, stand bereits das ganze Haus in Flammen. Es entflammte in mehreren Ecken gleichzeitig.

Die Feuerwehr hatte mit einigen Problemen zu kämpfen. So war die Zufahrtsstraße spiegelglatt und es musste erst ein Loch ins Eis geschlagen werden, um an Wasser heranzukommen. Zu allem Überfluss entfachte der starke Wind in dieser Nacht das Feuer immer wieder aufs neue. Ein Gas-Tank neben dem Küchentrakt wurde rechtzeitig von der Feuerwehr gesichert, so dass nichts Schlimmeres passieren konnte. Doch erst um 5.34 Uhr hatte die Feuerwehr das Feuer unter Kontrolle gebracht. Zu dem Zeitpunkt war von dem Fachwerkgebäude schon nichts mehr übrig. Wo Wintergarten und Ballsaal zum Feiern einluden, lagen jetzt verkohlte Balken. Feuerwehrmänner statt Rock-Bands gaben den Takt an.

„Ich kämpfe schon seit Jahren um Beleuchtung für die Straße durch den Wald. Und wenn die Straße gestreut gewesen wäre, hätte vielleicht alles schneller gehen können“, kritisiert Dagmar Tabbert die Straßenreinigungspraktiken.

Der Schaden geht in die Millionen. Doch größer als der finanzielle Verlust wiegt für Dagmar Tabbert der ideelle. Bis 1974 wohnte Familie Tabbert noch in dem Haus. Alle ihre persönlichen Erinnerungsstücke wurden dort aufbewahrt. Ihre Puppen, alte Briefe, das Jugendweihe-Kleid und die sorgsam geführten Fotoalben. Auch ihre Bücher, die einmal Enkel Tom erben sollte. Erinnerungen aus Jahrzehnten gingen in wenigen Stunden in Flammen auf. „Ich habe nichts mehr, kein einziges Foto von Neu-Helgoland, keine Speisekarte oder ähnliches”, sagt „Daggi” traurig.

Inzwischen rennt die Wirtin von einem Amt zum anderen, hat Gespräche mit Versicherungen, und versucht das neue „Neu-Helgoland” auf den Weg zu bringen. Zumindest mit Auflagen des Denkmalschutzes hat Dagmar Tabbert wohl nicht mehr zu rechnen. „Bisher haben mir alle signalisiert, dass sie uns helfen würden. Sowohl die Ämter als auch viele Privatpersonen die uns unterstützen wollen”, freut sie sich. Nachdem das Bezirksamt von der BVV aufgefordert wurde „alle planungs- und bauordnungsrechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Wiederaufbau Neu-Helgolands zu ermöglichen”, wird es hoffentlich schnell gehen. Das Stadtplanungsamt hat ihr bereits signalisiert, dass es keine Probleme mit einem Neubau in ähnlichen Ausmaßen gäbe. Inzwischen sucht die Wirtin ganz intensiv nach einem Architekten. Vier Tage die Woche sitzt die Familie in Neu-Helgoland zusammen und schmiedet Pläne. Das Ziel ist hochgesteckt: Silvester 2002/2003 soll im neuen Neu-Helgoland gefeiert werden. „Wir müssen bis zum 1. Juni alle Genehmigungen haben, um das zu schaffen“, sagt Daggi enthusiastisch. Die Familie will auch viele Arbeiten alleine machen um Kosten zu sparen. So wie das Wetter besser ist, wird mit den Aufräumarbeiten begonnen.

Künstler, die regelmäßig bei den Ost rockt-Konzerte in Neu-Helgoland aufgetreten sind, wollen ein Benefizkonzert für den Wiederaufbau des Restaurants auf die Beine stellen - organisiert von Hans die Geige. Es findet am 12./13. Februar im Bräustübl in Friedrichshagen statt. Mit dabei sind Lift, Hans die Geige, Starfucker, Dr. Kinsky, Dirk Michaelis und Jazz‘in the blue. sip

Appell an alle Müggelheimer: Dagmar Tabbert würde sich sehr über alte Fotos, Plakate oder ähnliches freuen. Suchen Sie bitte in Ihren Schränken nach Andenken an Neu-Helgoland, die Sie ihr überlassen könnten.

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