Müggelheimer Bote
11. Jahrgang, Ausgabe 11/2004
November 2004
Müggelheimer Bote

Inhalt
Großer Flughafen - Große Klagewelle
Erwischt! Polizeidieb stellte Diebe vom Müggelturm
Bilder aus dem Südosten Berlins und anderswo
Willkommen im Freilandlabor Kaniswall
Zuckeräpfel, Märchenwald und Lampionumzug
Arbeit und Vergnügen: Eine erfolgreiche Kombination
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Jugendclub Mügge
Aus der BVV
Kleinanzeigen
Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
Archiv
Müggelheim im Internet
Impressum
© 2004
Müggelheimer Bote
 

Zeugnisse vergangener Zeit

Mit einer kleinen Ausstellung feierte die Müggelheimer Grundschule im Oktober ihren 70. Geburtstag. Ehemalige Schüler v.a. aus den 30er-Jahren waren aufgerufen, altes Schulmaterial, Zeugnisse und Fotos der Schule leihweise zur Verfügung zu stellen. Im Unterricht wurde dann mit den Schülern darüber gesprochen, wie es damals so war. „Guck mal, auf dem Foto ist ja meine Oma, als sie noch ein kleines Mädchen war”, staunt eine Drittklässlerin. Mit großen Augen schauen sie sich die Schiefertafel an, ebenso, wie die alten Lesefibeln. Die Lehrerinnen wurden mit Frage gelöchert wie: „Wurdet ihr damals gehauen?” „Gab es damals schon Rechnen?” „Wie hieß denn dein Lieblingslehrerin?” Foto/Text: sip


Großer Flughafen - große Klagewelle

3000 Klagen mit zwei Brummis nach Leipzig geschafft

von Simone Jacobius

Rund 3000 Klagen sind auf den Weg gebracht worden; eine Koalition steht kurz nach ihrer Bildung gleich auf dem Prüfstand; eine Partei fordert Einblick in die Finanzierung und ein Kleiner kommt jetzt doch ganz groß raus: Das ist, auf einen kurzen Nenner gebracht, die Bilanz des Monats Oktober rund um den geplanten Großflughafen Schönefeld.

Ein wichtiger Meilenstein im Kampf gegen das Mammutprojekt ist am 18. Oktober auf den Weg gebracht worden. Die beiden beauftragten Rechtsanwaltskanzleien Baumann aus Würzburg und Grawert-Schöning aus Berlin haben rund 3000 Klagen von etwa 6000 Klägern beim Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig eingereicht. Sie werden aus organisatorischen Gründen in zwei großen Sammelklagen zusammengefasst. Zusätzlich haben noch vier Gemeinden über eine dritte Anwaltskanzlei ihre Klagen nach Leipzig geschickt. Damit steht das BVG vor dem umfangreichsten Fall seiner Geschichte. Mit einer Entscheidung des Gerichts, das in erster und letzter Instanz für den Fall zuständig ist, wird frühestens in anderthalb Jahren gerechnet.

Die meisten Klagen betreffen den zu erwartenden Lärm, die Umweltbelastungen und das Absturzrisiko. In einem ersten Klageschritt will der Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB) jedoch erreichen, dass mit den Bau vorbereitenden Maßnahmen noch nicht begonnen wird, bevor das Gericht nicht eine endgültige Entscheidung zu dem geplanten Neubau getroffen hat. Einer der Klägeranwälte argumentierte, dass in Diepensee bereits Abrissarbeiten begonnen hätten.

BVBB-Chef Ferdi Breidbach wies darauf hin, dass der Verein mittels sechs Gutachten beweisen könne, dass die Planfeststellungsbehörde ganz im Sinne der Antrag stellenden „Flughafen Berlin Schönefeld GmbH” entschieden habe. Die Behörde habe alle bereits vom BVBB aufgedeckten Mängel widerspruchslos zu Lasten der Betroffenen übernommen. Es ist die Rede von „gravierenden Defiziten und Abwägungsfehlern” des brandenburgischen Verkehrsministeriums, das für den Planfeststellungsbeschluss verantwortlich ist. Einzig und allein auf Grundlage „politischer Vorgaben” durch die drei BBI-Gesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg sei die Entscheidung erfolgt. Andere Standorte seien gar nicht geprüft und Gesundheitsrisiken wie Lärmschutz, Absturzrisiko und Asbestbelastung seien vernachlässigt worden.

Charterflüge und Billigfllieger bestimmen das Bild Schönefelds.

Gutachter Faulenbach da Costa habe nachgewiesen, dass jeder andere Standort dem jetzigen Planfeststellungsbeschluss überlegen sei. Favorit des BVBB ist jedoch der ehemalige Militärflughafen in Sperenberg. Dort könne für bis zu zwei Milliarden Euro weniger investiert werden, es seien weniger Menschen betroffen, man bräuchte weniger Fläche und würde so die Umwelt stärker schonen, so der BVBB.

Das Gericht in Leipzig hat indes auf die Klagewelle schnell reagiert. Elf Beamte sollen jetzt die Anträge und Einwände in einer extra eingerichteten Geschäftsstelle sichten und bearbeiten.

Während sich die Flughafengegner optimistisch zeigen das Projekt stoppen zu können, bleibt die Politik gelassen. Nach Ansicht von Staatssekretär Tilo Braune im Bundesverkehrsministerium könnten bereits 2006 die Bagger anrollen und der Airport mit dem Winterflugplan 2010/2011 in Betrieb gehen. Rechtsanwalt Baumann sieht dagegen für das Projekt keine Chance. Die fehlerhafte Standortauswahl und auch die vielfachen Standortmängel seien zu schwerwiegend. Außerdem vertrete er verschiedene Kläger, deren Grundstücke in der zu bebauenden Fläche lägen. Sie müssten erst enteignet werden und das könne Jahre dauern.

Im ehemaligen Dorf Diepensee ist dieser Schritt bereits vollzogen. Das gesamte Dorf wurde umgesiedelt und im zwölf Kilometer entfernten Königs-Wusterhausen mit Wohnungen ausgestattet. Über das einstige Diepensee soll sich das künftige Abflugsterminal erstrecken. Auch der Autobahnzubringer wird seit Jahren gebaut. Pro Tag werden in Planung und Bau-Zuarbeiten bereits etwa eine halbe Million Euro investiert - heißt es.

Rekordverdächtig

Die Klagen wurden mit zwei Lkw nach Leipzig gebracht. Die Klagen füllten zehn Umzugskisten. Jede Klage umfasst 50 Seiten und muss in siebenfacher Ausfertigung vorliegen. Zusätzlich ein Eilantrag mit 2000 Seiten in zehnfacher Ausfertigung

Unterdessen sprach sich der parlamentarische Geschäftsführer der brandenburgischen SPD-Landtagsfraktion, Christoph Schulze, gegen den geplanten Standort für den Großflughafen BBI aus und sorgte damit für den ersten Koalitionskrach. Er betonte, dass die Region einen Großflughafen bräuchte, jedoch Schönefeld dafür ungeeignet sei. Seiner Auffassung nach wäre dort kein uneingeschränkter Nachtflug möglich, auch seien Probleme bei der Verkehrsanbindung an Schiene und Straße vorprogrammiert. In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD wurde jedoch der Bau des Single Airports BBI als „das zentrale Infrastruktur- und Wirtschaftsentwicklungsprojekt” festgeschrieben. Schulze wurde unterdessen von Genossen und Koalitionskollegen scharf zurechtgewiesen und bekam einen „Maulkorb” verpasst.

Auch in Berlin gibt es Probleme: Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Focus” sollte die Finanzierung des Airports BBI gesichert sein. Doch das wurde von der Regierung dementiert. Noch stünde gar nichts fest. Jetzt fordert Bündnis 90/Die Grünen Einblick in die Planungen und ein Mitspracherecht.

Für Ärger sorgt auch das Hickhack um die Schließung des Flughafens Tempelhof: Nachdem das Oberverwaltungsgericht die Pläne des Senats gestoppt hat, den Flugverkehr dort Ende Oktober einzustellen, gibt es jetzt Pläne den Flugverkehr sogar zu erweitern. Die bisher in Tempelhof ansässigen Fluggesellschaften, die einen Platz in Tegel zugewiesen bekommen hatten, bleiben nun doch alle in Tempelhof. Mindestens bis zum rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss für Schönefeld solle der Betrieb aufrecht erhalten bleiben. Die IHK appelliert sogar für eine Offenhaltung bis zur Inbetriebnahme des BBI, andere für einen immerwährenden Betrieb. Und wer weiß, vielleicht sind die Pläne, nach denen Tempelhof ein check-in-Terminal für Schönefeld werden soll, doch noch nicht ad acta gelegt. Dann kann Berlin weiterhin mit drei Flughäfen protzen. . .