Müggelheimer Bote
7. Jahrgang, Ausgabe 09/2000  
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Aufgespießt

von Svante-Alexanter Pieper

Schaffe, schaffe Flughäfle baue . . .

Ein neuer Flughafen muß her, koste es, was es wolle. Alternativen gibt es nicht. Für Prestigeobjekte gibt es keine Alternativen - so, wenn es nach dem Willen der Politik geht. Der Flughafen Schönefeld ist ein solches. Erdacht und ersponnen in den Irrungen und Wirrungen der Nachwendezeit. Politisch besiegelt, unter Ignorierung des Raumordnungsverfahrens, 1996 im sogenannten Konsensbeschluss zwischen Bund, Berlin und Brandenburg.

Wird denn unsere Hauptstadt erst durch den Großflughafen zur Weltmetropole - oder ist es doch eher der Direktanschluß nach Amerika? Schöne Visionen. Sollte nicht gerade eine solch multikulturelle und multiintellektuelle Stadt wie Berlin Vorreiter einer neuen Verkehrspolitik sein? Anscheinend sind die Herren Diepgen und Stolpe mit dem Kaliber der Wirtschaft im Nacken nicht mehr visionär genug. Dem Wählervolk wird ein anscheinend dingfestes Projekt vorgesetzt. Groß muß er sein und schön und viele Flugzeuge muß er abfertigen. Wie der Flughafen in Frankfurt am Main. Halt: Frankfurt - da war doch was; und in München und in Düsseldorf und in Hamburg und in Halle / Leipzig. Eins, zwei, drei ganz viele.

Da kann doch Berlin mit eben solchen Größenfetischismus nicht aus der Reihe tanzen. Also wird der Flughafen ohne Scheu direkt in ein von 168 000 Menschen bewohntes Gebiet hinein geplant. Ein Novum. In der ganzen Welt werden neue Flughäfen sehr weit außerhalb den Toren der Stadt gebaut und kein Flughafen beeinträchtigt das Leben so vieler Menschen - nicht einmal in Frankfurt am Main.

Aber irgend etwas muß ja wirklich ganz neu, innovativ und einmalig in Deutschland sein. Also wird noch eins drauf gesetzt. Die Nachtflugerlaubnis. Flugzeuge werden mit mehr als 75 dB (A) über die Ortschaften brettern und unschuldige Menschen um ihren Schlaf bringen. Zehn Flüge pro Stunde sind in den Nächten geplant. Jeder Privatpartyveranstalter würde bei dieser Lärmbelästigung mit dem Besuch der Polizei rechnen. Rechnen? Die zukünftigen Flughafenbetreiber und heutigen Antragsteller sind Künstler im Schönrechnen. Dazu wurde extra ein Spezialist namens Jansen herbeigerufen. Er geht von einer nächtlichen Durchschnittsbelastung von 55 dB (A) aus. Wohlgemerkt: Durchschnittsbelastung! Was nutzt aber dem unschuldigen, Schlaf suchenden Individuum in seiner Schlummerkoje eine Durchschnittsbelastung von 55 dB (A), wenn es doch alle 6 Minuten von Lärm über 75 dB (A) geweckt wird. Gut gerechnet Herr Jansen. Bravo: die Wirtschaft freut sich. Sie wohnen ja nicht in diesem Gebiet. Die Ellenbogengesellschaft läßt grüßen! Sollte Ihr Rechenmodell Schule machen, dann könnte auch jeder private Hauspartyveranstalter seine Technobeats so reduzieren, dass wir in den Nachbarwohnungen nur noch eine Durchschnittsbeatbelastung von 55 Beats pro Minute haben, Ehrenwort! Na dann: Gute Nacht!

Eine wahre Meisterleistung der Begutachtung ist auch das Gutachten über das Schutzgut Landschaft in der Umweltverträglichkeitsstudie. In ihm zeigen die Gutachter ihre wahre Beschränktheit. Im willkürlich festgelegten Radius von einem Kilometer um das Flughafengelände herum findet hier eine Begutachtung statt. Sämtliche in dieser Region vorkommenden Naturschutz- und FFH-Gebiete finden, bis auf eine Ausnahme, im gesamten Werk nicht die geringste Beachtung, obwohl sie eindeutig im Einflugschneisengebiet liegen.

Vielleicht hat es sich ja in Gutachterkreisen noch nicht herumgesprochen, dass der Gesetzgeber eine Begutachtung aller Naturschutz- und FFH-Gebiete vorschreibt, die in einem Gebiet liegen, in dem die Flughöhe von 600m bei startenden und landenden Flugzeugen noch nicht erreicht ist. Das entspricht einem Gebiet von 13 km Radius um den Flughafen herum. Hallo, 13 = 1? Die wild lebenden Tiere und Pflanzen, aber auch der in der Natur Erholung suchende Mensch werden es den Gutachtern danken, dass sie zum Glück keine Lebenseinbußen haben werden. Kann man sich ja frei und vor allem ungestört ab einem Kilometer Entfernung vom Flughafen in der Landschaft bewegen.

Krass ausgedrückt würde das im Vergleich bedeuten, das jegliche Landschaft um das 1986 explodierte Atomkraftwerk Tschernobyl ab einen Kilometer Radius nicht mehr atomar verseucht ist, weil ein Gutachter X nach einem Kilometer Entfernung vom Reaktor einfach seinen Geiger-Müller-Zähler ausgeschaltet hat.

Die Antragsteller haben weder Kosten noch Mühen gescheut, dem gemeinen Volk ein lückenhaftes, fehlerhaftes und undurchsichtiges Planfeststellungsverfahren zu präsentieren. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle Widrigkeiten aufzuzeigen. Nur soviel: Ein unabhängiger Gutachter hat vor kurzem der fernsehenden Nation beigebracht, daß viele Teile der Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren nicht einmal als Diplomarbeit durchgehen würden. Das sollte uns zu denken geben und vielleicht auch Hoffnung machen.

Ach, einen habe ich noch. Politiker hören doch gerne auf Statistiken, natürlich nur, wenn sie ihren Vorstellungen entsprechen. Die Flughafenstatistik könnte solch eine sein. Klar ist, daß die Mehrheit der Berliner und Brandenburger den Flughafenausbau begrüßt. Wird er doch nicht vor deren unmittelbarer Haustür gebaut. Den meisten ist es doch sowieso egal, wieviel Menschen von solch einem Projekt betroffen sind. Wären alle Berliner und Brandenburger betroffen, würde das Bild ganz anders aussehen. Also dann, Ellenbogen raus und das nächste Prestigeprojekt durchboxen.

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