Müggelheimer Bote
7. Jahrgang, Ausgabe 09/2000  
September 2000 Home  |  Archiv  |  Impressum


Serie für den Natur- und Gartenfreund

Sommerabendliche Nachtgestalten

Tauglitzernder Spätsommermorgen. Leise schweben Spinnweben, kunstvolle Netze hängen zwischen Kraut und Stengeln. An sonnigen Abenden zirpen eifrig die Heuschrecken. Der September kann uns noch viele Sonnentage bescheren, welche der Juli und der August mit vielen, schönen Wolken und kühlen Temperaturen nicht geboten hat. In wenigen Tagen werden die Mauersegler, etwas später die Schwalben, wieder gen Süden ziehen. Zuerst sammeln sich größere Gruppen, fliegen immer wieder auf. Jungvögel stärken ihre Flugkraft für die große Reise. Dann, plötzlich, starten sie ins südliche Afrika. Wieder wird es stiller, ihre fröhlichen Schreie, wie „Sriesrie”, fehlen am sommerlichen Himmel.

Im Juni wurde die Fassade der Wohnanlage an der Großen Krampe, ehemals Troppenz, eingerüstete. Statt Weiß, sollte jetzt in zwei Abtönungen die Farbe Gelb geputzt werden. Ich bekam Angst um die Mauerseglernester, die bereits über den Fenstersimsen klebten. Trotz der Rüstung flogen die Mauersegler eifrig zu ihren Nestern. Ich sprach mit dem Chef der Bau ausführenden Firma, sagte ihm, dass die Nester nicht abgenommen werden dürften.

Er wusste Bescheid. Denn es hatte sich in der Branche herumgesprochen, dass ein Putzer ehemals mehrere Schwalbennester abgestoßen hatte, worauf die Firma pro Nest 10 000,- DM Strafe zahlen musste. Wir haben gemeinsam die vollendeten Nester gezählt, es waren fünf Stück. Ich habe regelmäßige Kontrollen angekündigt und auch durchgeführt. Während der Putzarbeiten wurden die Eier ausgebrütet und später freute ich mich über die kleinen grauen Köpfchen, die aus den Nestern sahen.

Auch an der Müggelhofpassage wurden 15 Mauerseglernester gebaut. Meistens in den Fensternischen. Auch am Wohn-Geschäftshaus Müggelheimer Damm Ecke Alsenzer Weg sind wieder zwölf Nester und viele Junge zu beobachten - wie im vergangenen Jahr. Übrigens: Es werden alle Nester vom Naturschutzamt registriert und beobachtet!

Natürlich machen sie Dreck. Viele kleine Klexchen landen auf den Fensterbrettern, dem Bürgersteig. Ich bin sehr froh, dass die betroffenen Bürger diesen Dreck tolerieren, aus Liebe zu den Mauerseglern und den Schwalben. Schwalben im Dorf sind der Inbegriff für ländliche Atmosphäre. Danke kann ich nur sagen und den Schwalben viel Glück und guten Flug.

Kürzlich hatte ich die Möglichkeit, mit einem Jäger in seinem Revier eine Kirrungsstelle zu beobachten (Kirrung = Lock- und Beobachtungsstelle). Es war ein lauer Sommerabend, es dunkelte leicht und hinter uns stieg der große, rosafarbene Mond auf. Von der erhöhten Stelle aus an der wir saßen, konnten wir in die bebuschte Wiesensenke einsehen. Bloße, dunkle Erdstellen zeugten davon, dass hier regelmäßig Futter ausgebracht und auch aufgenommen wird.

Ganz heimlich schnürte ein Jungfuchs heran, schnappte sich ein Stück Brot und verschwand. Bald darauf kamen aus der Dickung zwei Überläufer-Sauen. Sie machten sich hungrig über die Äpfel und das Brot her. Ab und zu sicherten sie mit aufgestellten Tellern zu uns herüber. Dann wurden sie unruhig, stellten die Pürzel auf. Aus dem nahen Schilf trippelten drei Frischlinge heran und machten sich sogleich über den ausgestreuten Mais her. Da trat auch die Bache aus dem Schilf. Alle drei Sauen nahmen kurz Kontakt auf, die Pürzel gingen wieder runter. Man sah deutlich, dass sie sich kannten, zu einer Rotte gehörten. Dann kam noch einmal der Fuchs, flitzte durch die Sauen hindurch und war im Nu wieder weg.

Mir kamen die Sauen viel kleiner vor als die, die nachts durch die Müggelheimer Straßen traben. Dabei betrug die Distanz nur etwa 50 Meter. Habe ich da etwas falsch in Erinnerung? „Nein”, sagte der Jäger, „es ist genau so. Die Sauen hier in ihrem natürlichen Revier haben ein normales Gewicht für ihr Alter, etwa 35 Kilo. Dagegen sind die Sauen in Müggelheim deutlich größer und schwerer.“

Währenddessen nahmen die Sauen alles Futter auf. Erst als alles blitzeblank geputzt war, schoben sich die Schwarzkittel wieder in die Dickung ein. Die ganze Situation war so harmonisch und friedlich wie in einem Naturfilm. Wie anders sind dagegen die nächtlichen, von Angst und Unwillen geprägten Wildschweinbegegnungen im eigenen Garten oder davor. Wie gefährliche „Untiere” wirken sie, die vor nichts und niemandem Angst haben und mit einer beeindruckenden Größe auf kurze Distanz.

„Wie ist dieser Größenunterschied zwischen den Müggelheimer Säuen und den im Wald lebenden Schwarzkitteln zu erklären?”, frage ich den Jäger. „Ganz einfach”, antwortete er, „noch immer füttern viele Müggelheimer aus vermeintlicher Tierliebe bewusst die Wildschweine, indem sie Küchenabfälle, Obst und Brot gleich vor dem eigenen Zaun oder in den Wald schütten. Außerdem müssten alle Grundstücksbesitzer endlich begreifen, dass intakte Zäune das einzig wirksame Mittel gegen den unliebsamen Schwarzkittelbesuch ist. Dazu gehören auch Grenzzäune, die vom Gesetz her nicht unbedingt wären.“ Zum Schutz gegen unliebsame vierbeinige Besucher seien sie aber doch sinnvoll.

Wenn für die Wildschweine die menschliche Nähe keine Nahrungsbasis mehr biete, sei sie uninteressant. Das außergewöhnliche Gewicht der Sauen sagt es deutlich: „Wir leben hier doch prächtig, denn es gibt immer wieder reichlich Futter.”

Ich möchte zum Vergleich ein Beispiel aus Müggelheims beginnender Besiedlung schildern. Nach 1920 wurden von den Bauern einige ehemalige Felder parzelliert. Familien wollten aus der stark verschmutzten Innenstadt in die Natur ziehen. So wurde nach und nach Müggelheim besiedelt. Die Siedler begannen ihr Land urbar zu machen, ein kleines Häuschen zu bauen. Sie wollten lieber ohne Komfort leben. Sandwege ohne Straßenbeleuchtung, weite Wege zu den Geschäften, weite Wege zur Arbeit, zur Schule, kein Strom, kein Wasser, kein Gas. Es war beinahe abenteuerlich. Aber sie bauten ihr Gemüse und Obst im eigenen Garten an, sie lebten bescheiden, aber gesund.

Sie mussten aber auch erleben, dass hunderte von Kaninchen es sehr verlockend fanden, den Kohl aus den Gärten und besonders im Winter die Rinde der Obstbäume derart zu benagen, dass die Obstbäume abstarben. Die Mühe und Vorfreude auf Ertrag war dahin. Dagegen half nur, die Grundstücke gegen die Kaninchen dicht zu machen, mit Kaninchendraht.

Leider ist die Population der Kaninchen heute so gut wie erloschen. Auch Hasen gibt es kaum noch, dafür sind jetzt die Wildschweine unser Problem! MS

Weitere Beiträge aus der Serie für den Natur- und Gartenfreund finden Sie in der Übersicht im Archiv des Müggelheimer Boten!

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