Müggelheimer Bote
7. Jahrgang, Ausgabe 04/2001  
April 2001 Home  |  Archiv  |  Impressum


Kirchenseite

Osterbetrachtungen

von Pfarrerin Regina Schulz

Ostern ist da - mitten unter uns. Sie sehen es in Ihren Gärten. Aus braungrauer Erde sprießen die ersten grünen Halme.

„Die linden Lüfte sind erwacht, sie säuseln und weben Tag und Nacht. Sie schaffen an allen Enden. Oh frischer Duft, oh neuer Klang! Nun armes Herz sei nicht bang! Nun muß sich alles wenden.” (C. Ludwig Uhland, „Frühlingsglaube”)

Ist das ein Fingerzeig, dass das Leben siegt?

Aus den völlig dürren Ästen der Sträucher in Wald und Flur zeigen sich die ersten grünen Blättchen. Woher kommen sie an den toten Ast? Spüre ich, dass das Leben ein Geheimnis ist?

Es muss behütet und beschützt werden, es ist zart und verletzlich - wir wissen, auch in diesem Augenblick verhungert ein Kind, stirbt ein Mensch, wird die Erde verwüstet. Unser Leben ist gefährdet von Anfang an.

Christen in aller Welt feiern Ostern. Sie feiern ihre Hoffnung, dass das Leben stärker sein möge als Leiden und Unrecht, stärker als Tränen und Tod.

Christen in Korea, in Schweden, in Südafrika, in Polen, Ungarn und Kroatien, in Brasilien und Israel feiern ihre Hoffnung, dass auch im Dunkeln das Lied des Lebens nicht verstummt.

Eine alte Tradition in Lateinamerika lässt die Christen am Ostersonntag das Kreuz in der Kirche mit Blumen schmücken. Dadurch soll nicht das Kreuz als Zeichen des Leidens und der Hinrichtung Jesu verharmlost und mit Blumen verdeckt und zugedeckt werden. Dadurch soll auch nicht das Leiden verherrlicht werden. Es soll vielmehr an den grundsätzlichen Zusammenhang von Leben und Tod, Freude und Leid erinnert werden, weil er für die Wahrnehmung von Ostern eine wichtige Rolle spielt.

Wir Menschen spüren erst wie wertvoll das Leben ist, wenn ein Mensch krank wird und erst angesichts des Todes ahnen wir die Einmaligkeit des Lebens. Erst in der Krankheit wissen wir Gesundheit zu schätzen. Erst in der Fremde verstehen wir, was Heimat heißt. So wie das Frühjahr notwendigerweise den Winter voraussetzt, so setzt das Leben den Tod voraus und gehört der Tod zum Leben mit dem Augeblick der Geburt dazu.

Und so setzt die Erinnerung an das Leiden Jesu am Kreuz für Christen immer schon Ostern und seine Auferstehung voraus. Das Kreuz Jesu ist beides: Symbol der Realität erbarmungsloser Gewalt und des Protestes dagegen. Das griechische Wort für Leiden (Pathos) hat eine doppelte Bedeutung: Leiden und Leidenschaft.

Das Leiden Jesu hing mit seiner Leidenschaft im Leben zusammen. Das verstehen die Christen Lateinamerikas besonders gut: Jesus hat Hungrige gespeist, Fremde aufgenommen, Kranke und Gefangene besucht, Nackte gekleidet, Verlorene gesucht, Entrechteten ihre Würde wiedergegeben. Blumen am Kreuz fragen: Wie wächst aus einem toten Holz wieder Leben?

Aus der Natur wissen wir, dass es die Wärme der Sonne ist, die neues Leben möglich macht.

Gott, der du ein Liebhaber des Lebens bist, ahnen wir, dass das Kreuz ein Zeichen des Aufstandes für das Leben, für die Lebensfreude, für die Liebe ist?

Von einem Geheimnis des Lebens will ich erzählen: Die Ameisen ballen sich im Winter zu Klumpen von ungefähr hunderttausend Tieren zusammen. Sie erstarren in einer Tiefe von etwa einem Meter und überleben - zusammengeballt - bei einer Temperatur um 10 Grad. Wenn die Frühjahrssonne scheint, kriechen aus der Mitte des Leiber-Klumpens, wo es am wärmsten ist, einige Ameisen vorgewärmt heraus. Sie krabbeln an die Oberfläche und nehmen ein Sonnenbad. Dann flitzen sie hinunter und geben den anderen etwas von ihrer Körperwärme ab. Dadurch werden zwei bis drei weitere Ameisen zum Leben erweckt, die nun auch in den Sonnenschein laufen, sich mit Wärme aufladen und zurückkehren, bis schließlich die ganze Ameisengesellschaft ein lebendiges Gewimmel ist.

Wärme sammeln und abgeben, das können wir auch. So braucht jeder von uns nur einen Menschen, der Anteil nimmt an dem, was uns frieren lässt. Teilnehmen können am Leben - nicht ausgeschlossen werden, weil jemand zu krank, zu alt, zu fremd, zu arm ist. Deshalb wurden früher zu Ostern Schulden erlassen und Gefangene freigelassen.

Erfahrungen die mich wärmen: Wenn jemand einfach da ist zur richtigen Zeit; wenn jemand mich berührt; wenn jemand mit mir spricht; wenn jemand mit mir schweigt.

Ostern ist mitten unter uns. Wir können es spüren. Wärme sammeln und abgeben. So wird Leben wach.

Kirchentermine im April

Gottesdienste

Sonntag, 8.4., 10 Uhr Abendmahlsgottesdienst mit gleichzeitigem Kindergottesdienst- Pfarrer Menthel
Karfreitag, 13.4., 10 Uhr Abendmahlsgottesdienst - Pfarrer Menthel
Ostersonntag, 15.4., 10 Uhr Gottesdienst - Pfarrer Schmidt (Karolonenhof)
Ostermontag, 16.4., 10 Uhr Familiengottesdienst - Pfarrer Menthel
Sonntag, 22.4., 17 Uhr Musikalischer Abendgottesdienst - Pfarrer Menthel
Sonntag, 29.4., 10 Uhr Gottesdienst

Besuch der Konfirmandengruppe

aus der Partnergemeinde Erntebrück Infos über 675 81 73
30.3.-1.4. Wahlkurs "Schöpfung" in Halbe

Bibelgesprächskreis

Donnerstag, 26.4., 20 Uhr über Matthäus 18, Vers 1-6 und 15-19

Umweltkreis

jeden 3. Dienstag im Monat, diesmal 17.4., 20 Uhr bei Familie König, Darsteiner Weg 38

Sprechstunde von Pfarrer Menthel

dienstags, 17-19 Uhr in der Dorfkirche

Reisebilder einer Studienreise nach Äthiopien im Februar 2001

von Pfarrer Siegfried Menthel

Vor der Reise nach Äthiopien raunte es in meinem Innern mitunter: Wie wird dir das bekommen, ein so armes Land zu besuchen, Menschen zu begegnen, von denen wir sooft nur summarisch von „den Armen” sprechen? Wie würde eine solche Begegnung verlaufen? Was würde sie in mir auslösen? Bemüht, mich solchen Gefühlen nicht zu überlassen, sagte ich mir: Das willst du jetzt, weil es nötig ist und weil es dran ist.

Die erste Bekanntschaft mit einem Land der südlichen Hemisphäre war schockierend. Kaum haben wir den Flugplatz in Addis Abeba verlassen, da sind wir von bettelnden Kindern umringt, die uns mit erwartungsvollen Augen anblicken. „One Birr, please!” (1 Birr sind etwa 25 Pfennige). Wir sehen, wie Erwachsene die Kinder vertreiben. Aber sie geben nicht auf. Aus einer anderen Richtung kommend sind sie wieder da. Ein Kind verkauft Kaugummis.

Ein lähmendes Gefühl: Nicht nur, weil wir noch keine Birr haben, sondern auch, weil klar ist, dass wir alle diesen Kindern nicht gerecht werden können. Dann fahren wir durch die Stadt, sehen menschenunwürdige Behausungen.

Stunden später sitzen wir mit zwei deutschen Missionaren zusammen, die für die evangelische Mekane Yesus Kirche arbeiten. Sie leben seit Jahren im Land und haben sich an die Begegnung mit der schreienden Armut noch nicht gewöhnt. Bettelnden Kindern - sagen sie uns - geben sie in der Regel kein Geld, eher eine Essensmarke für die Armenküche. Sie fragen sich und uns, ob man bei den Kindern nicht zugleich eine Bettel-Mentalität stabilisiert. Ob es nicht sinnvoller sei, sein übriges Geld in Projekte zu geben, in denen langfristigere Hilfe organisiert wird. Sie sagen uns auch, dass sie alte Menschen und Körperbehinderte, die betteln, nicht übergehen, weil sie sich gar nicht anders helfen könnten. Rente gibt es nicht. Das werden wir in den nächsten Tagen leider nur zu oft sehen, wie alte Menschen, Invaliden still zusammengekauert im Straßenstaub sitzen. Den Kopf gesenkt. Eine ausgestreckte geöffnete Hand ist ihre stumme Kommunikation mit den Vorübergehenden.

Ich frage die deutschen Missionare, was sie in Äthiopien für sich empfangen (ausgehend von der Voraussetzung, dass Mission keine Einbahnstraße ist, sondern ein wechselseitiges Geben und Nehmen). Antwort: Die Menschen hier nehmen sich für andere Zeit. Niemand wird an der Tür abgefertigt. Bitte komm rein, setz dich. Der Kaffee ist fertig. Wie geht es dir? Wie geht es deiner Frau? Wie geht es deinen Kindern? Man nimmt sich Zeit für die Vertrautheit. Dann erst, nachdem man in Ruhe gesprochen hat, spricht man sein Anliegen an.

In der kleinen Stadt Dembi Dollo begegnen wir Teferi Berkesa wieder, der uns vor zwei Jahren in Müggelheim besucht hat. Als Synodenpräsident ist er der Repräsentant seiner Landeskirche. Er wird uns auch nach Chanka begleiten. Am Abend zuvor haben wir ein langes, intensives Gespräch mit ihm. Darin spricht er nach und nach seine Besorgnis aus, dass unsere Hilfe in den vergangenen Jahren immer nach Chanka ging. Wir haben nacheinander ein Wasser-, ein Schul- und ein Kindergartenprojekt unterstützt.

Die Gemeinden in den Nachbarorten hätten zu fragen begonnen: Warum immer Chanka? Das ist natürlich in einer solchen Situation nur zu begreiflich. Aber was tun? Er hat eine Idee. Ob wir nicht Partnergemeinden für andere Orte finden könnten? Das mag niemand zu sagen. Schließlich macht er uns einen anderen Vorschlag: Ob die Spenden unserer Kirchenkonzerte nicht dem Kirchenkreis, zu dem Chanka gehört, zukommen könnten. Der Kirchenkreis würde jeweils das dringendste Projekt benennen. Wir einigen uns darauf, so zu verfahren. Aber mit der Gemeinde in Chanka wollen wir die Kontakte vertiefen, Briefe austauschen (wer hätte Lust, sich daran zu beteiligen?), Fürbittanliegen austauschen und in einem bestimmten Gottesdienst füreinander beten. Möglichst auch die Besuche fortsetzen.

Über den Besuch in Chanka erzähle ich in der nächsten Ausgabe des Müggelheimer Boten.

Hier noch zwei zum Thema passende Termine:

Montag, 9. April, 20 Uhr - ein Lichtbilder-Reisebericht über Äthiopien in der Müggelheimer Kirche.

Freitag, 4. Mai, 20 Uhr - öffentliche Aufführung eines Fernsehberichts von B1 „Berliner Musik für Äthiopien” (gesendet am 3. März), gedreht während meiner Reise nach Äthiopien und während der Sommerkonzerte im vergangenen Jahr in Müggelheim und Schmöckwitz. Anschließend Diskussion mit den Autoren des Films, dem Äthiopienreferenten der Berliner Mission, Gerd Decke, und anderen.

Diese Seite drucken  |  Seitenanfang