Müggelheimer Bote
7. Jahrgang, Ausgabe 07/2001  
Juli 2001 Home  |  Archiv  |  Impressum


Geschichten aus dem Müggelwald

(diesmal für Erwachsene)

Die Anhörung der Ameisen

Die Ameisen hatten sich ein schönes Fleckchen Erde ausgesucht. Sie wollten einen neuen Staat bilden. Lange waren sie unterwegs gewesen, hatten Wälder und Waldwiesen untersucht, um für ihr Volk einen geeigneten Platz zu finden.

Dann war er gefunden. In einem Waldgebiet zwischen Brandenburg und Berlin.

Schön war es hier. Viele, viele Bäume, viele Tiere, große und kleine. Viel Ruhe. Also alles in allem gute Bedingungen für die Ansiedlung eines neuen Ameisenvolkes.

 
Die Arbeit begann und da Ameisen ein sehr fleißiges Volk sind, hatten sie sich bald ein schönes Anwesen geschaffen.

In diesem Ameisenstaat gab es Kindergärten für Babyameisen, Schulen für Kinderameisen, Lehrbetriebe für Jugendameisen, Krankenhäuser für kranke Ameisen und Altenheime für alte Ameisen. Alle anderen Ameisen waren täglich damit beschäftigt, für den Ameisenstaat zu sorgen, damit alles funktionierte.

Und es funktionierte. Es funktionierte so gut, dass sich im Laufe der Zeit auch noch andere Ameisenstaaten ansiedelten. Ameisen über Ameisen, die hier in Ruhe und Frieden ihr Leben leben konnten in der Natur zwischen Brandenburg und Berlin.

Dann passierte etwas Komisches. Ein Flugplatz sollte gebaut werden. Falsch! Ein Flugplatz sollte umgebaut werden. Falsch! Es gab einen Flugplatz und dieser sollte zu einem internationalen Luftdrehkreuz ausgebaut werden. Wieder falsch! Zu einem internationalen Luftdrehkreuz neugebaut werden. Falsch! Also was denn nun?

Plötzlich war die Ruhe dahin. Die Ameisen wurden aufgefordert, sich über das Bauvorhaben zu informieren, um ihre Bedenken und Einwendungen einzubringen.

Es herrschte helle Aufregung im Volke der Ameisen. Pläne lesen und studieren um Einwendungen zu schreiben, das gefiel ihnen nicht. Aber sie hatten keine Lust ihren Staat durch so ein großes Bauvorhaben zerstören zu lassen. Also setzten sie sich zusammen und brachten ihre Einwendungen zu Papier.

Als das erledigt war, warteten sie darauf angehört zu werden. Sie sollten an vielen, vielen, vielen Tagen ihre Sorgen und Nöte mündlich vortragen können.

Der große Tag der ersten Anhörung kam. Viele Ameisen machten sich auf den Weg zum Platz des Geschehens. Sie waren alle sehr aufgeregt, denn in den folgenden Tagen sollte sich entscheiden, ob sie ihr Leben weiter in Ruhe und Frieden leben durften.

In der Schonung war eine riesengroße Baumhalle ausgebaut worden. Sie war so groß, dass die Ameisen sich erschlagen fühlten von diesem Bauwerk. Das war aber das weitaus kleinere Übel. Denn was nun kam, war weitaus schlimmer. Außer den Ameisen waren auch noch Wildschweine und Füchse, Otter und Wiesel, Vögel und Nattern, Käfer und Würmer erschienen. Alle waren gekommen, um ihre Bedenken vorzubringen, denn auch sie waren alle betroffen.

Plötzlich setzten sich einige Wildschweine und einige Füchse an riesengroße Baumtische.

Ein Raunen, eine Unruhe breitete sich aus. Als Ruhe eingekehrt war, fing der Keiler an zu sprechen. Er war der Boss der Veranstaltung, wir können es auch Anhörung nennen.

Der Keiler erklärte, dass die Wildschweine darüber befinden werden, ob der Flughafen einmal gebaut werden solle oder nicht.

Die Ameisen schrien: „Und warum sitzen die Füchse da vorne?” „Die Füchse sind die, die den Flughafen bauen werden, wenn wir es beschließen”, sagte der Keiler. So einfach war das.

Gut, dachten die Ameisen, wenn es so sein soll, werden wir es hinnehmen müssen. Wir haben Vertrauen zu den großen Tieren.

Jeden Tag machten sich nun viele, manchmal auch wenige Ameisen auf den Weg in die riesengroße Baumhalle. Jeden Tag hörten sie viele Dinge von den Wildschweinen und Füchsen, die sie nicht verstanden. Manchmal zankten sie sich auch, Ameisen, Wildschweine und Füchse, weil die Ameisen sich von den großen Tieren nicht kleinmachen lassen wollten.

Das hatten sie auch nicht nötig, denn sie waren zwar klein, aber sehr, sehr emsig, fleißig, sozial und natürlich auch schlau.

Aber alle Schläue schien ihnen wenig zu nutzen. Sie hatten zeitweise das Gefühl, in dieser riesengroßen Baumhalle von den großen Tieren über den Tisch gezogen zu werden. Die großen Tiere wollten bestimmen, ob der Flughafen nun notwendig ist, oder ob er nicht notwendig ist.

Es ist doch so einfach dachten die Ameisen. Sollen sie doch mit ihrem Flughafen dorthin gehen, wo es niemanden stört. Dann könnten wir alle wieder in Ruhe und Frieden leben, in dem Wald zwischen Brandenburg und Berlin.

Haben die Ameisen es geschafft?

Nein, noch nicht. Aber die kleinen Tiere sind bereit, auch weiter gegen die Entscheidungen der großen Tiere zu kämpfen. Ingrid Zweiniger

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