Müggelheimer Bote
8. Jahrgang, Ausgabe 12/2001  
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Gedanken aus Müggelheim       

von Jürgen Mai

Halloween - ein schöner Brauch?

Von Jahr zu Jahr mehr entdeckt der Handel, dass mit Halloween recht gut zu verdienen ist. Spielwarengeschäfte und Discount-Märkte bieten zuhauf billige Geschmacklosigkeiten zu gar nicht billigen Preisen an. Na gut. Kinder verkleiden sich damit als Leichen, Gerippe, Tod oder Gespenst und ziehen los allerleier Dinge habhaft zu werden, die sie sich nicht kaufen wollen.

„Gib mir Süßes, sonst gibt‘s Saures!” lautet der wenig freundliche und so gar nicht nach Bitte klingende Spruch der kleinen Forderer.

Was jedoch macht man als Überfallener, wenn einem nach dem 18. Klingeln einer Gruselpuppe der Stoff ausgeht? Man teilt den Monstern höflich mit, dass sie leider etwas zu spät kommen. Doch auf Verständnis sollte man nicht hoffen. Letztes Jahr war unser neuer Zaun mit Mehl verziert, welches durch Nässe fest verbacken am Holz klebte, an die Klinkersäulen braune Schuhcreme geschmiert und ein silberner Ring ans Tor gesprayt.

Dieses Jahr waren wir nicht zu Hause. Aber das schützte vor Strafe nicht. An die Fassade des Hauses waren Eier geworfen. Dumm, dass wir sie erst im Frühjahr neu weißen ließen. Beim Nachbarn war die Klingelanlage zerstört.

Wir wissen alle, dass die Beseitigung der Schäden Geld und Arbeit kostet. Nun fragt man sich anhand solcher Gebaren, was da für ein Brauchtum im Kommen ist? Zerstörung, Bestrafung friedlicher Menschen und letztlich Frustration aller Beteiligten. Als Fazit muss folgender Gedanke erlaubt sein: Wenn auf dieses Art und Weise, scheinbar spielerisch Wurzeln neuer Denk- und Lebensphilosophie gelegt werden - gib her, sonst Auge blau! - müssen wir uns über weit größere Ausmaße ähnlicher Strukturen nicht allzu sehr wundern.

An das traditionelle Weihnachtssingen erinnert sich scheinbar niemand mehr. Aber da muss man ja Lieder lernen und sie auch noch singen. „Gib Süßes, sonst gibt‘s Saures!” ist da natürlich die einfachere Variante. Vielleicht bleibt das eine oder andere Wort nachdenklich haften, das nächste Halloween wird nun nicht mehr zu vermeiden sein.

Zum Schluss dann noch ein Spruch: „Den Menschen erziehen, bedeutet, bei ihm Perspektiven herauszubilden”. Das allerdings schrieb Makarenko, der nun wirklich kein Dummer war. Perspektive heißt auch, dass die heutigen Eierwerfer ebenfalls erwachsen werden und dann selbst sicherlich äußerst ungern hartgewordenes Eigelb von ihren Wänden kratzen.

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