Müggelheimer Bote
8. Jahrgang, Ausgabe 12/2001  
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Jansen lässt die Katze aus dem Sack

Kommentar von der Internet-homepage des BVBB

Während der Anhörung der Träger öffentlicher Belange ließ der lärmmedizinische Gutachter der Flughafenplaner, Prof. Dr. Dr. Gerd Jansen, kürzlich erstmals die Katze richtig aus dem Sack. Er erklärte: In dem Gebiet, in dem der energieäquivalente Dauerschallpegel Leq3 am Tag den Wert 62 dB(A) außen überschreitet, ist die Nutzung des Außenbereiches von Kindertagesstätten nicht mehr möglich.

Diese klare Aussage sucht man im lärmmedizinischen Gutachten M8 der Antragsunterlage vergeblich. Dort findet sich lediglich die lakonische Feststellung: „Sollte jedoch eine Kindertagesstätte innerhalb eines Schutzgebietes von Leq3 = 62 – 65 dB(A) liegen, so ... sind ebenso wie für die umliegenden Wohnhäuser Schallschutzmaßnahmen erforderlich” (M8, S.67). Selbst Projektleiter Schindler war deshalb überrascht, solche Eigentore seines Gutachters miterleben zu müssen. Sein eiliger Versuch zu retten, was zu retten ist, wurde jedoch von Jansen ausdrücklich zurückgewiesen: Nein, dafür gelte dieser scharfe Grenzwert – und so steht es auch im Protokoll!

Das genannte Gebiet erstreckt sich vom Ostufer des Langen Sees in Köpenick bis an die Ortsgrenze von Diedersdorf in Brandenburg. Es umfasst somit zahlreiche dicht besiedelte Ortschaften und eine von Wäldern und Seen geprägte Erholungslandschaft südlich von Berlin. In diesem Gebiet reicht es also nicht aus, Kindertagesstätten und Wohnhäuser mit Schallschutzmaßnahmen zu versehen. Auch der Aufenthalt von Kindern außerhalb von Kitas gefährdet ihre Gesundheit und ist daher bei voll ausgebautem Flughafen nicht mehr möglich.

Was jedoch im Außenbereich von Kitas gelten soll, muss auch gelten, wenn sich Kinder innerhalb dieser Zone an anderen Orten im Freien aufhalten: beim Spielen im Garten, auf dem Sportplatz, auf dem Schulhof oder beim Baden im See. Und wie verhält es sich beim Sitzen auf der Terrasse am Haus oder beim Wandern oder Radfahren? Ist dann die Gesundheit der Kinder etwa nicht gefährdet, weil die Kita nicht in der Nähe ist? Die wissenschaftliche Sorgfalt des lärmmedizinischen Gutachters ist zwar bemerkenswert, aber nicht überzeugend.

Viel einfacher noch hätte er erklären sollen, in diesem Gebiet sei für alle Menschen der Aufenthalt im Freien gesundheitsgefährdend. Auch mit dieser Aussage hätte er zweifellos Recht gehabt!

Es ist überraschend, mit welcher Deutlichkeit sich der lärmmedizinische Gutachter auf der Anhörung in Schöneweide festgelegt hat. Allerdings – wie sollte es anders sein – stimmt seine Einschätzung auch in diesem Punkt nicht mit der Auffassung zahlreicher anderer deutscher Lärmwissenschaftler überein. Auf einem kürzlich einberufenen Workshop zum Thema Nachtfluglärmproblematik einigten sich die meisten der anwesenden Wissenschaftler hinsichtlich der Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Fluglärm auf noch niedrigere Werte. Sie verabschiedeten mit breiter Zustimmung die folgende „Neufahrner Resolution”, die allerdings für alle Menschen und nicht nur für die Kinder einer Kita gilt (Auszug): Bei Fluglärmbelastungen von 60 dB(A) tags (Leq3, außen) und 50 dB(A) nachts (Leq3, außen) sind aus präventivmedizinischer Sicht Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten.

Herr Prof. Dr. Dr. Jansen war bei diesem Workshop in Neufahrn zwar dabei, hat aber offensichtlich nicht viel Neues beigetragen. Im Gegenteil. Dem Tagungsband ist zu entnehmen: „Die einleitende kritische Auseinandersetzung mit der alten Lärmwirkungsforschung wurde erstaunlicherweise von Herrn Professor Jansen kommentarlos hingenommen. ... Für uns jedenfalls nicht verständlich beharrte Prof. Jansen auf seinen Kriterien aus den 60er und 70er Jahren, ohne im Detail auf die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ergebnisse gerade der 90er Jahre einzugehen. Als Ärzte hatten wir auf diesem geschlossenen Workshop gerade vom Medizinerkollegen Professor Jansen eine ehrliche, offene und vor allem auch verständliche wissenschaftliche Argumentation erwartet. Am Ende unterschrieb Professor Jansen dann auch nicht die gemeinsame Resolution zum Nachtfluglärm ...”

Der Antragsteller für den geplanten Flughafenbau in Schönefeld war schlecht beraten, als er den umstrittensten deutschen Lärmmediziner für sein Projekt unter Vertrag nahm. In der Hoffnung, mit Hilfe der flughafenfreundlichen Aussagen Jansens und gemäß dem politischen Diktat auch in einem dicht besiedelten Gebiet einen neuen Großflughafen mit uneingeschränktem Nachtflug installieren zu können, glaubte er, Jansen sei der Richtige dafür. Dieser hat sich jedoch kürzlich vor dem Oberverwaltungsgericht in Hamburg mit seinen Ansichten schon nicht mehr durchsetzen können. Inzwischen ist bekannt und nachgewiesen, dass sich Jansen seit Jahrzehnten auf fehlerhaft ausgewertete Daten gestützt hat. Ob er das absichtlich tat oder seine wissenschaftlichen Qualitäten nicht ausreichten, um dies zu erkennen, wird wohl sein Geheimnis bleiben.

War die Verwendung von Jansenschen Lärmgrenzwerten zum Nachteil der Flughafenanwohner für manchen deutschen Flughafen der letzten Jahrzehnte ein Erfolgsrezept, so wird sich dieses Vorgehen im Falle von Schönefeld als einer der zahlreichen Fallstricke des Projektes erweisen. Jansens Waterloo steht unmittelbar bevor. Es heißt: Schönefeld.

Gunnar Suhrbier, BVBB Müggelheim; FON 65942753

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