Müggelheimer Bote
8. Jahrgang, Ausgabe 01/2002  
Januar 2002 Home  |  Archiv  |  Impressum


Wahrheiten zum Flughafenausbau von Schönefeld aus Sicht eines Ex-Flugkapitäns

Teil 2

Klaus Breiler hat von 1957 bis 1992 als Berufs- und Verkehrsflugzeugführer gearbeitet. Bis 1997 war er als Privatpilot tätig und ist bis heute als Veteran der Fliegerei verbunden. Er gehört zu der Fliegergeneration der DDR, für die Flugzeugführung noch eine Studienrichtung war mit einer gründlichen technischen- und Spezialausbildung in Aerodynamik, Meteorologie, Luftrecht. Außerdem arbeitete er als Prüfer für Luftfahrzeuge im Auftrag der Prüfstelle für Luftfahrtgeräte und als Sachverständiger für die Untersuchung von Flugunfällen. Aus dieser Erfahrung heraus schreibt der Müggelheimer jetzt über das, worauf es aus seiner Sicht bei der Flughafendiskussion ankommt. Gleichzeitig möchte er mit seinen Ausführungen die zahlreichen Fragen, die ihm während der Anhörung gestellt wurden, beantworten.

Zum Flächennutzungsplan von Berlin:

Der damalige Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz Dr. Hassemer schrieb1993 zur Bürgerbeteiligung zum Flächennutzungsplan von Berlin, dass der Schutz der begrenzten Grundwasserreserven der Region eine wichtige Aufgabe für die Entwicklung der Stadt darstellt. Im gleichen Grundsatzdokument sind folgende Leitsätze nachzulesen: „Trotz der nötigen Verdichtung soll Berlin den Charakter einer grünen Stadt mit Wäldern, Seen, Parks und Grünflächen bewahren”. „Für einen leistungsfähigen, stadt- und umweltverträglichen Verkehr sind neue Lösungen erforderlich”.

Die neueste Lösung hält Politik und Wirtschaft mit dem Ausbau von Schönefeld bereit. Und so wird Schönefeld etwas ganz besonderes haben, nämlich ein Trinkwasserschutzgebiet für eine Großstadt im Anflugsektor. Die Geschichte der Berliner Flughäfen z.B. die des ersten Motorflughafens Europas in Johannisthal verlief bisher so, dass zuerst der Flughafen entstand und mit der Stadtentwicklung wurde er zugebaut. Erstmalig wird mit Schönefeld diese Reihenfolge verändert. Erst entsteht das Einkaufszentrum Waltersdorf und dann soll die neue Piste dahinter gebaut werden. Diese Lösung ist weder zukunfts- noch umweltorientiert und hat mit neuen Sicherheitsstandards, die benötigt werden, nichts zu tun. Hier soll heute ein Flughafen gebaut werden nach den Gesetzen von gestern für Luftfahrzeuge von morgen.

Was sagt die Verkehrswissenschaft zu den Berliner Flughäfen?

In der Zeitschrift für Verkehrswissenschaften Heft 4/1995 geht es um die Rationalisierungs- und Verlagerungspotentiale im Luftverkehr der Bundesrepublik Deutschland.

Seite 237: „Im Start-/ Landebahnsystem lassen sich durch eine Optimierung der Anflugplanung, eine Reduzierung der Mindeststaffelung u.a. durch den Einsatz von Wirbelschleppenmess- und Warnsysteme deutliche Rationalisierungseffekte erzielen”.

Seite 244: „Die Flughäfen Tegel und Tempelhof werden das stark ansteigende Luftverkehrsaufkommen in Berlin nicht mehr bewältigen können. Aufgrund ihrer Innenstadtnähe und der daraus resultierenden Umweltproblematik und aus Sicherheitsgründen bieten sich für beide Flughäfen keine Erweiterungsmöglichkeiten. Der südlich von Berlin liegende Flughafen Schönefeld verfügt dagegen noch über ausreichende Kapazitätsreserven. Aufgrund der immensen Aufkommenssteigerungen ist langfristig ein Großflughafen Berlin- Brandenburg vorgesehen. Die Frage des genauen Standorts muss jedoch noch geklärt werden”.

Diese Untersuchungsergebnisse sind nun in mehrerer Hinsicht bedeutungsvoll. Die Wirbelschleppenproblematik ist so bedeutungsvoll, dass ein Mess- und Meldesystem entwickelt wird. Ihr Einfluss auf Personen und Sachen in unmittelbarer Nähe des Flughafens wird nicht untersucht. Erstmalig werden Sicherheitsgründe genannt. Wenn es Gründe zur Schließung der Innenstadtflughäfen gibt, darf Schönefeld nicht ausgebaut werden, weil spätestens zur Endausbaustufe im Jahr 2030 die gleichen Gründe zur Schließung vorliegen. Die genannten Kapazitätsreserven von Schönefeld sind vorhanden und reichen aus bis zur Eröffnung eines Großflughafens am Standort X.

Dazu die Angaben der Flugbewegungen der Berliner Flughäfen:

Tegel: 124.795 (1999) 134.322 (2000) - mit Nachtflugverbot

Tempelhof: 49.429 (1999) 49.829 (2000) - mit Nachtflugverbot

Schönefeld: 43.419 (1999) 48.032 (2000) - kein Nachtflugverbot

Die Flughafenvoraussetzungen von Tempelhof im Vergleich mit Schönefeld anhand der ICAO- Karten erläutert:

Die Karten zeigen den ehemaligen Zentralflughafen der Lufthansa und den ehemaligen Zentralflughafen der Interflug. Beide Karten bestätigen die Umweltproblematik und die vorhandene Gefährdung der Anwohner, weil beide Hauptlanderichtungen bis zum Flughafenzaun zugebaut sind. Die Bebauungen in den Anflugsektoren sind überwiegend Wohngebäude. Auf der Karte 29-01 ist u.a. das Einkaufszentrum Waltersdorf mit dem Bebauungsstand von 1998 zu sehen. In dieser Richtung ist der Pistenneubau vorgesehen. Die Anflugbedingungen auf der neuen Landebahn in Schönefeld sind dann vergleichbar mit den Bedingungen von Tempelhof – siehe Karte 39-04.

Als Erfolg verbuchen konnte der BVBB auch die Demo zum Brandenburger Tor am letzten November-Wochenende. Etwa 1000 Demonstranten gegen den geplanten Flughafenausbau in Schönefeld marschierten mit Transparenten durch die Innenstadt. Kind und Kegel waren mit dabei, sogar Hunde mit einem Plakat-Überwurf. Foto: Poser
Betrachtet man die Karte 29-05 ist festzustellen, daß diese Menschen einer ständigen Radarstrahlung durch Flugzeuge ausgesetzt sind. Dieses Problem ist bisher nicht erforscht. Es ist denkbar, daß mittels eines „äquivalenten Dauerstrahlungspegel”- analog der Lärmmessung- das Problem bagatellisiert wird.

Nicht ohne Grund wurden beide Airports eingestuft in „Noise Sensitive Areas”. Daraus ergibt sich die Forderung auch für Schönefeld Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr einzuführen. Unterschiedliche Regelungen bei vergleichbaren Bedingungen müssen die Bürger als ungerecht und als Diskriminierung empfinden. Seit dem 3. Oktober 1990 gilt auch für ehemalige DDR-Bürger der § 29 b des Luftverkehrsgesetz: (1)....Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist im besonderen Maße Rücksicht zu nehmen. (2) Die Luftfahrtbehörden haben auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken.

Wie sieht dieses Hinwirken auf den Schutz der Bevölkerung durch den Flugplatzhalter und die zuständigen Luftfahrtbehörden aus?

- Nach elf Jahren Wartezeit auf Nachtflugverbot für Schönefeld wurde stattdessen der gesamte Nachtpostumschlag der Region nach Schönefeld verlagert.

- Zur Luftfrachtentwicklung auf den Berliner Flughäfen ist folgendes nachzulesen: „Beste Voraussetzung dafür bietet Schönefeld (SXF) mit seinem 24- Stunden- Betrieb. In SXF operieren in der Luftfracht hauptsächlich Nur-Frachter im Charterbetrieb nach Osteuropa und im Liniendienst für die Expressdienste DHL und UPS. So ist seit November 2000 auch ein IL-76- Frachter mit 45t Nutzlast in SXF stationiert.”

Das bedeutet auch: Transport von gefährlichen Gütern über dicht besiedelte Gebiete, über Naturschutz- und Wasserschutzgebiete. Die Erfahrungen aus der Katastrophe eines Fracht-Jumbos in Amsterdam bleiben mit der Standortwahl Schönefeld unberücksichtigt.

Die Flughafenkarte von Schönefeld weist im Gegensatz zu Tempelhof ein Flugsicherheitsrisiko durch Vogelschlag aus. Alle Vögel ab einem Gewicht von 200 Gramm und in Schwärmen auftretende Vogelarten können zu einer Störung im Luftverkehr führen. Dieser Fakt ist in der Karte 29-01 und 29-05 dokumentiert. Mittels eines Biotopmanagements will man langfristig eine Vogelvergrämung erreichen. Für die Menschenvergrämung gibt es gegenwärtig noch kein Management, aber es gibt Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft die Menschen offensichtlich als nachwachsende Rohstoffe betrachten.

An dieser Stelle sei auf das Luftverkehrsgesetz §6 (2) verwiesen:

„. . . Ist das in Aussicht genommene Gelände ungeeignet oder rechtfertigen Tatsachen die Annahme, daß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet wird, ist die Genehmigung zu versagen. Ergeben sich später solche Tatsachen, so kann die Genehmigung widerrufen werden.”

Die Entscheidungsträger zum Ausbau von Schönefeld haben damit die Möglichkeit den geplanten Unsinn zu beenden. An einem geeigneten Standort könnte dann tatsächlich eines der größten Infrastrukturprojekte Europas entstehen.

Was braucht die Region?

Keinen aufgewerteten 67 Jahre alten Flughafen Schönefeld, sondern einen geigneten Standort für einen Großflughafen mit Drehkreuzfunktion, zukunfts- und umweltorientiert, d.h. für die neue Flugzeuggeneration A 380; in Auswertung der Katastrophe von Amsterdam auch für Frachtflugzeuge mit gefährlichen Gütern an Bord, in Erwartung neuer Umwelterfordernisse (Wirbelschleppe, Radarstrahlung durch Flugzeuge, Kraftstoffablassen bei Bombendrohung) und neue Sicherheitsstandards, ein Flughafen mit Ausbaumöglichkeiten für eine 3. und 4. Start- und Landebahn (Frankfurt benötigt die 4. Bahn, in Amsterdam wird die 5. Bahn 2003 übergeben, München ist ausbaufähig).

Das Ziel Schönefeld zum Single-Airport zu machen sichert der Flughafenholding eine Gewinnmaximierung, ist aber aus dem Blickwinkel der Flugsicherheit ein Rückschritt (Beispiel: Am 8. Oktober 2001 verursacht ein deutsches Kleinflugzeug eine Kollision mit einer Passagiermaschine der SAS; Ergebnis: 118 Tote). Klaus Breiler

Teil 1 lesen Sie im Müggelheimer Boten vom Dezember 2001.

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