Müggelheimer Bote
9. Jahrgang, Ausgabe 8/2003
August 2003
Müggelheimer Bote

Inhalt
Rettung des Jugendclubs möglich
Eiszeit in Müggelheim
Hochsaison für die Wasserretter
Prüfung für die Jugendfeuerwehren
Bomben und Manipulationen
Wie gut kennen Sie Müggelheim?
Ehemalige Sportlergrößen: Daniela und Kay Bluhm
Harter Schlag für den Müggelturm
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Heimatverein
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Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Geschichten aus dem Müggelwald

Paulchens Ferien und Krakra

Paulchen hatte wieder große Ferien und er freute sich, dass er zu seinem Opa durfte. Der hatte einen Garten und ein kleines Häuschen am Rande der Siedlung im Müggelland.

Opa pusselte dicht am Zaun an seinen Dahlien herum, in Wahrheit wollte er sehen ob das Auto der Familie nicht schon die Straße entlang gefahren käme, denn er freute sich auch auf seinen Enkel. Endlich war es so weit, das Auto hielt und Paulchen sprang als erster heraus. „Opi da bin ich wieder”, schrie er und Opa kam mit der Schere in der Hand angelaufen. Alle begrüßten sich und gingen durch den Garten in das Häuschen. Der Vater stellte Paulchens kleinen Koffer in der Küche ab und die Eltern besprachen sich mit Opa wie lange der kleine Wildfang bei ihm bleiben durfte.

Paulchen war derweil längst im Garten. Er sah zu den Hühnern und auch zu den Kaninchen. Eine Häsin hatte sechs kleine Hoppelmänner, die sahen so niedlich aus und waren auch sehr zutraulich. Paulchen öffnete den Stall und streichelte sie. Nachdem die Eltern mit Opa und Paulchen Kaffee getrunken hatten, waren sie nach Hause gefahren und Opa nahm seinen Enkel auf den Schoß. „So”, sagte er, „nun machen wir uns das mal gemütlich.”

Am nächsten Morgen beim Frühstück erzählte Opa, was sie so alles machen werden und Paulchen fand das prima. Aber es kam alles ganz anders.

Opa war in den Keller gegangen. Der war ziemlich dunkel und überall waren Spinngewebe, da ging Paulchen nicht mit hinunter. Opa kramte in den Regalen, suchte nach leeren Marmeladengläsern. Da hörte er ein merkwürdiges Rascheln. „Hm”, machte er, „also doch schon wieder eine Maus im Keller”. Das Geräusch hört aber nicht auf, als er an der Stelle war. Eine Maus wär jetzt mucksmäuschen still gewesen. Opa überlegte, dann drückte er sein Ohr an die kleine Klappe, an der der Schornsteinfeger immer den Ruß rausholt. Da, da war es wieder, das Geräusch. Er rief aus dem Keller nach Paulchen. „Schnell bring mir mal eine Zange her.” Jetzt musste Paulchen doch in den Keller.

Opa nahm die Zange und versuchte die Klappe zu öffnen. Da, jetzt sprang sie auf und beide sahen - ein schwarzes Loch. Sicherheitshalber trat Paulchen einen Schritt zurück, er sah seinen Opa an. Der krempelte seinen Hemdärmel hoch und dann fasste er ganz langsam in das rabenschwarze Loch.

Paulchen hielt die Luft an. Dann zog Opa langsam die Hand wieder heraus. In der Hand hielt er etwas Schwarzes. Beide stiegen die Treppe schnell hoch und im Licht der Sonne sahen sie erst, was es war. Es war eine junge Krähe, die in den Schornstein gefallen war. Sie blinzelte nur mit den Augen, daran merkten sie, dass sie noch lebte. Sie war ganz und gar von Ruß verdreckt. Opa hielt sie geschickt in der Hand, so dass Flügel, Schwanz und die Beine sich nicht bewegen konnten.

Jetzt begann eine große Waschaktion. Zuerst in der Regentonne. Aber der Ruß schwamm dann oben auf dem Wasser und die Krähe wurde nicht sauber. „Hol die kleine Wanne aus dem Schuppen”, sagte der Opa, und Paulchen flitzte. „Jetzt hol warmes Wasser aus der Küche, aber vorsichtig”, kam die nächste Weisung. Zum Schluss holte er noch Opas Haarwaschmittel und dann ging die Krähenwäsche richtig los. Sogar im Schnabel war Ruß und die Füße waren auch ganz schwarz. Als letztes kam klares Wasser als Spülung und dann setzte Opa die klatschnasse Krähe auf die Stuhllehne eines Gartenstuhls. „Jetzt sieht die Krähe wie ein trauriger Pleitegeier aus”, sagte Paulchen. Opa lachte und sagte: „Die Sonne wird sie schnell trocknen und wir helfen ihr dann weiter”.

Der Dackel Toni, der die ganze Aktion eifersüchtig verfolgt hatte, versuchte die Krähe zu beschnuppern. Dabei tropfte ihm das Wasser aus den Schwanzfedern auf die Nase. Er schüttelte sich, dass die Ohren nur so schlackerten. Paulchen blieb in der Nähe von Krakra, wie er im Stillen die junge Krähe getauft hatte. Opa war im Schuppen, wo er einen leeren Kaninchenstall mit Zeitungspapier auslegte. Dann holte er eine alte Gartenhacke, die einen dicken Stiel hatte und stellte sie in dem Stall so auf, dass sie für die Krähe eine Sitzstange bildete. Dann kamen noch ein Wasser- und ein Futternapf dazu. „Aber was nehmen wir für Krakra zum Füttern?” fragte Paulchen. Opa kratzte sich seine grauen Haare. „Wir versuchen es mal mit Regenwürmern, Kellerasseln und vielleicht mit aufgeweichtem Weißbrot.” Paulchen flitzte zum Komposthaufen und fand dort schnell das erste Futter für Krakra. Sie pickte es von Opas Hand. Inzwischen war sie schon beinahe trocken und Opa setzte sie in den Stall.

„Opa jetzt hab ich aber Hunger”, sagte Paulchen. „Hm”, brummte der Opa, „ich auch”. Es war ja auch schon Mittagszeit geworden. Nachdem beide gegessen hatten, nahmen sie die Fahrräder aus dem Schuppen und fuhren ins Dorf zum Einkaufen.

Für Krakra kaufte der Opa Katzenfutter und zu Hause füllte Paulchen es in den Napf und stellte es zu Krakra in den Stall. Die Krähe beäugte mit schiefem Kopf das Futter, sprang von der Stange und pickte hungrig die Bröckchen auf, wobei sie mit dem Schnabel klapperte. Opa und Paulchen hatten aus einiger Entfernung zugesehen und freuten sich.

Von nun an war es Paulchens Aufgabe für alles zu sorgen, damit es der Krähe gut ging. Nach etwa zehn Tagen sagte Opa nach dem Frühstück: „Nun werden wir mal sehen, ob deine Krakra schon fliegen kann.” Erst wurde der Dackel Toni in der Küche eingesperrt. Im Schuppen griff Opa in den Stall, wo die Krähe mit den Flügeln flatterte und setzten sie auf den Rasen. Sie schüttelte die Federn, faltete die Flügel ordentlich über Kreuz und lief in aufrechter Haltung spazieren. Nach einer Stunde sagte Opa: „Es ist noch zu früh, sie muss wieder in den Stall”. Paulchen versorgte sie gewissenhaft und sagte ihr ab und zu wie sie heißt: „Krakra”, aber sie blieb stumm. Nach weiteren zehn Tagen sagte Opa: „Wir probieren es noch einmal.” Wieder die gleiche Prozedur. Opa hatte sie fest im Griff. Diesmal sagte Opa ihr Krakra, wobei er das letzte „a” besonders lang zog. Diesmal antwortete sie mit weit aufgerissenem Schnabel: „Krraa”. Opa wollte gerade noch mal sein “Kra” sagen, als sie den Hals lang machte und Opa kräftig in die Lippe kniff. „Aua” sagte Opa und Paulchen lachte und lachte. „Opa, das war ein Krähenkuss.” „Hm” brummte Opa und wischte sich einen Blutstropfen von der Lippe. Dann setzten sie die Krähe auf den Rasen. Diesmal begann sie flatternd und hüpfend ihre ersten Erkundigungen. Paulchen blieb in einiger Entfernung und beobachtete sie. Sie schwang sich auf einen Ast in einem Eibenbusch, dann immer höher bis ganz oben. Dort blieb sie lange sitzen. Paulchen wurde es langweilig, er wollte nur mal schnell baden gehen. Als er zurückkam, war Krakra nicht mehr da. Sie suchten den ganzen Garten ab, sahen auf alle Bäume in der Nachbarschaft, aber sie war weg.

Am nächsten Tag sahen sie beide, dass vier Krähen über ihrem Garten mit dem Krähenruf kreisten. Kraa-Kraa, Kraa-Kraa. Paulchen rief aufgeregt: „Sieh doch Opi, da fliegen Vater und Mutter Krähe und zwei Krähenkinder. Die letzte da, die noch so trödelt, das ist unsere Krakra.”

Sie sahen sich beide an und lachten. Paulchen rief noch: „Machs gut Krakra”, dann waren sie schon hinter dem Wald verschwunden. MS