Müggelheimer Bote
13. Jahrgang, Ausgabe 10/2006
Oktober 2006
Müggelheimer Bote

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Anger-Anwohner wehren sich gegen neue Auflagen
Silbermond rockt in Müggelheim
Müggelheim wählt konservativ
Erntefest: Einheit von Mensch und Tier
Ist Marathon gesund?
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Müggelheimer Bote
 

Ist Marathon gesund?

von MR Dr. Rolf Förster, Facharzt für Sportmedizin

Es werden immer mehr - auch in Müggelheim, die sich vornehmen, endlich einmal die 42-Kilometer-Distanz zu schaffen. Denn Laufen ist gesund. Aber auch ziemlich gefährlich!

Schon die Legende endete tragisch: Als das Heer der Athener die Übermacht der Perser bei Marathon besiegt hatte, wurde der Bote Eukles losgeschickt, um die Nachricht vom glorreichen Sieg nach Athen zu tragen. Nach einem Lauf von gut 42 Kilometern konnte er sie gerade noch verkünden, bevor er tot zusammenbrach. Wenn auch Eukles seit 2495 Jahren tot ist, so lebt doch sein Mythos: Die großen Marathonläufe in aller Welt sind inzwischen an die Grenzen ihres Fassungsvermögens gelangt. 40 000 Läufer waren es letztlich in London, 39 000 in Chikago, 36 000 in New York und 39 000 in Berlin. Auch in den Provinzen finden zunehmend solche Läufe statt, mehr als 200 pro Jahr allein in Deutschland. Die Zahl der Marathonläufer in Deutschland wird auf Hundertausende geschätzt. Nicht alle sind jung. Nicht alle sind gesund. Und nicht alle erreichen das Ziel!

Beim Halbmarathon in Newcastle starben vor fünf Monaten vier Männer im Alter von 28, 34, 43 und 52 Jahren. In Peking brach Ende 2005 ein 20-Jähriger bei Kilometer 27 tot zusammen. In Hamburg starb ein 19-Jähriger auf der Zielgeraden. Sein Tod war in doppelter Hinsicht unverständlich: Qualifizierte Erste Hilfe war sofort zur Stelle und der junge Mann galt als versierter Sportler, der regelmäßig trainierte.

Leider sind Todesfälle im Sport keine Seltenheit. Jedes Jahr sterben etwa 900 Deutsche während des Sports - meist den sogenannten Sekundenherztod. Und immer wieder rafft es junge, scheinbar gesunde Sportler mitten im Wettkampf hin. Als Hauptursache kommt in der Regel ein vorgeschädigtes Herz in Betracht, von dem die Sportler nichts wissen. Dazu gehören vor allem krankhafte Herzmuskelvergrößerungen, angeborene Anomalien der Herzklappen oder der Herzkranzgefäße, oder durchgemachte Herzmuskelentzündungen. Das Tückische an dieser Erkrankung: Eine gute Fitness kann alles maskieren und der Betroffene fühlt sich scheinbar gut.

Doch in fast allen Fällen hätte man es wissen können. Vorausgesetzt, die Sportler hätten sich gründlich untersuchen lassen, Erkältungen ernst genommen und gegebenenfalls rechtzeitig den Wettkampf abgebrochen. Aber Aufhören fällt schwer, wenn der Läufer auf der ganzen Strecke angefeuert wird und es keine Chance zum unbeobachteten Ausscheiden gibt.

Beißender Ehrgeiz lässt Warnsignale des Körpers (der Schmerz ist ein Wächter!) schon einmal in den Hintergrund treten, zumal beim Laufen sogenannte Endorphine („Glückshormone“) ausgeschüttet werden, die unter anderem auch die Schmerzgrenze heraufsetzen.

Auch sind laut Kindermann, Professor für Sport- und Präventivmedizin, „Eltern die größten Risikofaktoren beim Sport ihrer Kinder“ (falscher Ehrgeiz).

Problem Nummer 2: Doping. „Etwa jeder fünfte Breitensportler ist bereits gedopt“, meint Kindermann. Wahnsinn, finde ich. Es handelt sich dabei vor allem um EPO (im Radsport am weitesten verbreitet) und männliche Sexualhormone. Sehr häufig werden Schmerzmittel eingenommen, um die meist zwangsläufig auftretenden Beschwerden im Bewegungsapparat erträglich zu machen.

Wer nicht als toter Marathonläufer in die Statistik eingehen will, der muss vor allem zwei Dinge beachten. Erstens sollte er eine eingehende körperliche Untersuchung über sich ergehen lassen. Und zweitens sollte er nach jeder Art von Erkältung zwei bis drei Wochen pausieren - auch wenn das nach monatelangem Training sehr schwer fällt. Ich war als Sportmediziner entsetzt, als ich während der Olympiaübertragungen im 15 Kilometer Langlauf hörte, dass Claudia Künzel trotz gerade abgeklungenen Fiebers und René Sommerfeldt sogar mit Fieber gestartet sind.

Als gründliche Vorbereitung empfiehlt Dr. Heepe, medizinischer Leiter des Berlin-Marathons, mindestens ein EKG in Ruhe und eins unter Belastung, eine Ultraschallaufnahme des Herzens, eine Lungenfunktionsdiagnose sowie eine Blutanalyse. Damit hätte man eine gute Lebensversicherung abgeschlossen. Verunsicherten Läufern bieten die Berliner eine medizinische Untersuchung unmittelbar vor dem Lauf an, die sogenannte „pre-Marathon-Clinic“. Von 800 untersuchten Sportlern wurden dadurch im vergangenen Jahr 170 mit einem Startverbot belegt - und alle haben sich daran gehalten. Vernünftig, denn eine medizinische Untersuchung Monate vor dem Lauf kann nur vorübergehend Sicherheit geben. Spätere akute Entzündungen, die auch den Herzmuskel befallen können, werden dadurch nicht erfasst.

Also: Akuter Konditionseinbruch, sonstige Unsicherheiten, Schnupfen, Husten, Heiserkeit und vor allem Fieber sind Kontraindikatoren und das heißt Startverbot. Das trifft auch auf alle anderen Sportarten zu, nicht nur auf den Marathon. Wer nicht sicher ist, ob der Infekt auch wirklich ausgeheilt ist, kann vom Hausarzt das „C-reaktive Protein“ im Blut messen lassen, eine Art Entzündungsmarker. Ist er im Normalbereich, kann der Betroffene wieder anfangen zu trainieren.

Aber beim Marathon wird nicht nur das Herz maximal belastet. Für das Immunsystem (Abwehrsystem) wirkt ein solcher unphysiologischer Härtetest wie eine akute Entzündung. Die Sportmediziner sind sich einig: Eine moderate sportliche Belastung beim Training stärkt das Immunsystem, eine extreme Belastung wie beim Marathon dagegen schwächt es.

Egal, ob es um Herz, Immunsystem oder Gelenke geht: Das Problem bei großen Laufereignissen wie dem Marathon ist, dass sich auch schlechte Läufer von der eigenen Euphorie narren lassen und die eigenen Grenzen nicht mehr erkennen.

„Es ist beim Laufen wie beim Saufen“, sagt Lagerström von der Sporthochschule Köln, „man weiß vor allem beim ersten Mal nicht, wieviel man verträgt.“

Mein Resümeé: Das Gesunde am Marathon ist die Vorbereitung darauf - also das moderate Ausdauertraining, bei dem man sich mit einem Mitläufer noch unterhalten und die Natur wahrnehmen kann (Herzfrequenz etwa 180 minus Lebensalter) - und nicht der Marathon selbst.