Müggelheimer Bote
13. Jahrgang, Ausgabe 06/2007
Juni 2007
Müggelheimer Bote

AKTUELL: Fußballturnier zum Angerfest - Wanderpokal vergeben
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Park-Chaos am S-Bahnhof Hirschgarten
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Müggelheim feiert weiter durch den Sommer!
Fischer's Fritze fischt frische Fische
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Geschichten aus dem Müggelwald

Die Geschichte der ehrenhaften Bache Mechthild

eine Geschichte von Anne Müller

Die Bache Mechthild wurde vor vielen Jahrzehnten in einer LPG-Großschweinezucht im südlichen Brandenburg nahe Storkow geboren. Als Mischlingskind, ihr Vater war ein stattlicher Wildschweinkeiler hatte Mechthild viel Spot ertragen müssen. Die Zuchtschweine ignorierten und verabscheuten sie, sogar ihre Mutter verstieß sie nach wenigen Monaten.

Nach einem Jahr voller Demütigungen gelang es Mechthild in einer lauen Aprilnacht die Schweinezuchthalle zu verlassen, in dem sie das große Tor mit ihren Vorderpranken aufschlug, über sämtliche Schweinegitter und Zäune hinwegsprang und endlich in die Freiheit gelangte. Zu Fuß wanderte Mechthild von Wald zu Wald und wurde schließlich im Müggelforst als Asylschwein in der Kindergartengruppe der Einjährigen aufgenommen.

Die Oberbache, Fräulein Gertrud hatte selbst nie geworfen und war vielleicht deswegen mit besonderem Engagement dabei, als es um die Aufnahme von Mechthild in die Kindergartengruppe ging. Mechthild wuchs heran, überragte bald ihre Altersgenossen und fiel durch ihre Stärke und Hilfsbereitschaft in der Wildschweingemeinde Müggelforst auf. Als Dreijährige hatte sie, bedingt durch das Hinscheiden von Fräulein Gertrud, ihre erste Kindergruppe als Oberbache übernommen und erhielt einen Ehrenplatz in der Gemeinschaftskuhle. Fortan durfte Mechthild sich neben Onkel Gerhardt im Schlamm suhlen, ohne dass es Aufsehen erregte. Auch bei der Partnerwahl hatte Mechthild keine Probleme. Sie ließ den alten Stammkeilern den Vortritt, scheute aber auch vor jüngeren Partnern nicht zurück. Besonders aber gefiel ihr der graue Erwin. Erwin durfte auch außerhalb der Brunftzeit an der Seite von Mechthild liegen. Sie träumten dann gemeinsam von einer eigenen Rotte und einem Familienbanner. Grün-rot sollte es sein und mit einem zo

rnigen Schweinekopf darauf.

Mechthilds erster Wurf war ein voller Erfolg. Die Frischlinge ähnelten dem Stammkeiler, dieser ward zufrieden, und Mechthild stieg zur Mutterbache auf, ein Privileg, das nur selten Bachen beim ersten Wurf zuteil wurde.

Mechthild hatte 13 Frischlinge zur Welt gebracht und war sichtlich stolz. Die Wildschweingemeinde begann zu expandieren. Neue Schlafplätze wurden gebraucht, die Kuhlen konnten nur noch mit Wartelisten besucht werden und die Nahrung wurde knapp. Mechthild stellte sich freiwillig zur Erkundung neuer Nahrungsquellen und Siedlungsgebiete zur Verfügung. Gemeinsam mit ihrer Familie und Erwin erkundete sie rasch das nahe liegende Menschengebiet.

Der Duft von herrlichen Tulpenzwiebeln und leckerem Knollengemüse umfing sie hier. Mit einem Satz sprang sie über einen Zaun, der dort ansässige Hund bellte kurz, verstummte aber sofort wieder und schloss sich mit eingeklemmtem Schwanz den Frischlingen an. Erwin buddelte ein Loch durch den Zaun und Mechthild durchwühlte das Gemüsebeet. Satt und glücklich kehrten sie zurück zur Gemeinde. Diese ernannte Mechthild noch in derselben Nacht zur ersten ehrenhaften Stammbache und schenkte ihr eine separate Schlammkuhle nebst Rubbelbaum.

Mechthild hatte Karriere gemacht und dachte nicht daran sich in das Privatleben zurückzuziehen. Sie erkundete Nacht für Nacht immer neuere und bessere Wühlterritorien. Eines Nachts begab sie sich wieder mit der gesamten Gemeinde zu den wohlschmeckenden Knollenfeldern. Eine Gruppe verließ den Kern und durchstöberte das Gebiet rund um den Tongrubenweg. Erwin stemmte gerade ein großes Zaunfeld auf, als plötzlich in einer Hütte das Licht angezündet wurde und eine blasse, leicht gekleidete Gestalt hervoreilte und seltsame Geräusche und Gestiken von sich gab. Mechthild ärgerte sich über diese Ruhestörung, schließlich hatte dieses Wesen ihren Erwin verscheucht. Sie wartete knurrig vor einem Kartoffelbeet. Die Erscheinung verschwand, wie sie gekommen war.

Was Mechthild nicht wusste: Sie hatte den Schrebergarten von Oberförster Hasenpoth betreten und war soeben, der vor Schreck erbleichten Gattin Hannelore begegnet. Die Frau Oberförsterin weckte ihren schlafenden Gatten, und wimmerte immer wieder vor sich hin: „Meine kostbaren Kartoffeln, oh, die Tulpenbeete, meine Erdbeeren…“. Der Oberförster zögerte nicht lange. Er nahm seine Flinte und sprang aus dem Schlafzimmerfenster direkt in das Erdbeerbeet. Mechthild knurrte. Ihre Familie hatte die noch etwas unreifen Kartoffeln entdeckt und wühlte genüsslich weiter. Hasenpoth war vorsichtig an die Kartoffeln herangepirscht und lag Mechthild nun direkt gegenüber. Diese baute sich vor ihm auf. „Wollen doch mal sehen wer lauter knurren kann“, grunzte sie vor sich hin.

Dem Oberförster gefror das Blut in den Adern. Er entsicherte sein Gewehr. Der Schuss donnerte gewaltig. Mechthild fiel laut schnaufend zu Boden, knurrte noch lange vor sich hin bis sie endlich verstummte. Die Gemeinde verließ schleunigst das Areal und flüchtete.

Hannelore flog mit wehendem weißen Haar und ihrem leichten Nachthemd die Terrassenstufen herab und eilte auf ihren Gatten zu. „Gott sei Dank, die Gurken sind heil geblieben“. Tränen liefen über ihr Gesicht. Der Oberförster stand auf und mit noch schlotternden Knien ging er ins Jagdzimmer. Die Bache soll einen Ehrenplatz bekommen, dachte er sich. Über dem Kamin, das war der ehrenvollste Platz im Hause Hasenpoth. Und damit ging er zu Bett.

PS: Die Wildschweingemeinde Müggelforst errichtete einige Tage nach dem Tod der Bache Mechthild ein Denkmal aus umgestürzten Mülleimern und Baumstämmen. Es wird heute noch von vielen Kindergartengruppen besucht.