Müggelheimer Bote
14. Jahrgang, Ausgabe 12/2007
Dezember 2007
Müggelheimer Bote

Inhalt
Gaststätte Rübezahl ist abgerissen
Naturspielplatz in Müggelheim
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Petition gegen Flughafen an Platzek übergeben
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Gaststätte Rübezahl ist abgerissen

Investor plant Familien freundliche Ferienhäuser

von Petra Zoepf

Ein Jahrhundert lang war „Rübezahl“ für die Berliner der Inbegriff für Ausflüge ins „Jrüne“. Damit ist jetzt endgültig Schluss. Bagger besiegelten nun dieses Stück Geschichte. Der in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts neu errichtete Flachbau am Südufer des Müggelsees wird derzeit abgerissen. Spätestens Mitte Dezember sollen die letzten Mauerreste mit samt dem Heizhaus verschwunden sein. Aber Achtung: Die Müggelsee Terrassen Rübezahl in unmittelbarer Nachbarschaft haben nach wie vor geöffnet und seit Mitte November lädt dort die überdachte Eisbahn auf 300 Quadratmetern zum Schlittschuh laufen ein.

Bereits seit dem Jahr 2000 wurde im Rübezahl keine Molle mehr gezapft und kein Schnaps mehr ausgeschenkt. Die Bauten waren dem Verfall preis gegeben. Nur noch einmal kam Leben in „die Bude“ als dort im Sommer 2006 anlässlich der Benefizparty Open Water 100 DJs auflegten, weiß Mike Weiss, Pächter der Müggelsee Terrassen Rübezahl. Dann gingen zum letzten Mal die Lichter aus.

Das Ausflugslokal gehörte ebenso wie das nahe gelegene Hotel „Müggelseeperle“ der Konsumgenossenschaft. Nachdem der Konsum Anfang 2004 Insolvenz anmelden musste, wurden die Gebäude verkauft und verschiedene Betreiber versuchten dort ihr Glück. Das „Rübezahl“ in ein Konzept einzubinden, sei aber nie gelungen, erinnert sich Weiss. Im vergangenen Jahr, nachdem die Dolche-Gruppe ihr Intermezzo als Hotelpächter aufgab, erfolgte auch die betriebliche Abtrennung der Müggelsee Terrassen und Rübezahl vom Hotel.

Das 30 000 Quadratmeter große Gelände am Südufer des Müggelsees, auf dem beide Gebäude stehen, gehörte dem Land Berlin. Die Immobiliengesellschaft Müggelsee Terrassen GmbH kaufte das Areal vor gut einem Jahr. „Familien freundliche Ferienhäuser sollen dort gebaut werden“, erläutert Weiss die Pläne der Berliner Investorengruppe. Der Platz mit Bootssteg und Anleger für die Stern- und Kreis-Schifffahrt sei ideal, um Erholung und Tourismus zu verbinden. Die Häuser sollen für vier bis zwölf Personen ausgelegt werden. Die Anzahl der Häuser und die Größe der Baufläche, „stehen aber noch nicht fest“, sagt der Pächter. Pläne seien bereits beim Bauamt von Treptow-Köpenick eingereicht worden. Er rechnet mit einem Baustart Anfang kommenden Jahres.

Ute Löbel, Amtsleiterin der Stadtplanung bestätigt, dass der Investor im September seine Baupläne vorgestellt hat. „Wir konnten dem Vorhaben aber nicht zustimmen. Die vorgesehene Bebauung war zu dicht angelegt“, erklärt sie die Ablehnung des Bezirks. Zudem sei bei der Planung die Nähe zum Naturschutzgebiet nicht berücksichtigt worden.

„Wir haben einen neuen Gesprächstermin angeboten, der ungenutzt verstrichen ist“, sagt die Amtsleiterin. Mit einem kurzfristigen Baustart kann ihrer Meinung nach nicht gerechnet werden. „Das Gelände liegt im äußeren Bereich. Für solche Flächen sieht die Bauordnung die Aufstellung eines Bebauungsplanes vor“, untermauert sie die Haltung der Verwaltung. Ein solches Verfahren dauere mindestens zwei Jahre.


Zur Geschichte von „Rübezahl”

Das alte „Rübezahl” auf einer Postkarte von 1939.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde am Dampferanleger Teufelssee eine Gastwirtschaft eröffnet. Pächter Carl Lange hatte einen riesigen Vollbart. Aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem schlesischen Berggeist Rübezahl wurde der Wirt von seinen Gästen so genannt. Schnell hieß es „Wir fahren zu Rübezahl“. Am 1. Januar 1900 erhielt die Gaststätte offiziell den Namen „Rübezahl“. Im Laufe der Jahre entwickelte sich ein stattliches Ausflugslokal mit Biergarten. In den 70er Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts wurde das alte Gebäude abgerissen und durch einen modernen Flachbau ersetzt.

... und noch 'ne Geschichte:

Hochbetrieb im „Rübezahl“. Es wird gegessen und getrunken, einer hält eine launige Rede, das Helle für 36 Pfennig fließt nur so, dazwischen wird Korn gekippt, laut diskutiert, noch ein Pfefferminzlikör bestellt und noch eine Runde Bier.

Aber plötzlich verstummen alle. Der stämmige Brigadier Alfred Metzdorf ist auf den Tisch gestiegen. Steht da zwischen Flaschen, Gläsern, Aschenbechern, Zigarettenkippen und ruft laut in die verrauchte Runde hinein: Am 15. Juni wird gestreikt! Also übermorgen. Montag.

Die Betriebsleiter sind sprachlos. Gestreikt? Also die Jungs haben wohl zu viel getrunken. Doch die Chefs haben nicht miterlebt, was passierte, als alle sich auf dem Müggelsee in Berlin zum Betriebsausflug einschifften. Die Vorgesetzten fuhren mit dem Dampfer „Seid bereit“, die Arbeiter mit der „Triumph“. Und da, auf der Fahrt zum Ausflugslokal „Rübezahl“, hatten die Brigaden der Großbaustelle Friedrichshain die SED-Führung heftig kritisiert. Was denken sich die Bonzen im Politbüro bloß! Lebensmittel rationiert, Branntweinsteuer erhöht, Butter, Fleisch, Zucker, Öl, alles knapp. Aber fast 1000 Mauersteine am Tag verputzen!

Mittags am Bau wird auch keiner mehr richtig satt. Die Margarine auf den Stullen ist gekratzt. Statt Wurst gibt‘s Kunsthonig oder Marmelade. Auch gekratzt. Und in der Thermosflasche flauer Muckefuck.

Innenaufnahme des modernen Neubaus von 1977.

So reden sie sich schon auf dem Dampfer bei Bier und Korn in Wut und Rage. Und von da an nimmt die Revolte gegen die Führung der DDR ihren Lauf. (aus: Stern, „Akte 17. Juni 1953”, 2003)