"Der öffentliche Verkehr in Berlin hat mich sehr positiv beeindruckt"

Eine Austausch-Peruanerin in Müggelheim

von Julia Lohmann Garcia

2700 Meter hoch, mitten in den Anden, dicht am Äquator und 11.600 Kilometer von uns entfernt. Dort liegt Treptow-Köpenicks Partnerstadt Cajamarca in Peru. Und von dort kommt Nancy Marely Villanueva. Für drei Monate ist sie jetzt in Müggelheim und lernt den Partnerbezirk kennen. Gegensätzlicher könnten die geografischen Bedingungen kaum sein.

Nancy ist im Rahmen eines Programmes zur Förderung von Arbeits- und Studienaufenthalten des Bundesministeriums für Entwicklungszusammenarbeit (ASA- Kommunal) hier. Das Austauschprojekt mit zwei Mitarbeiterinnen der Provinzverwaltung von Cajamarca und zwei deutschen Studentinnen soll die Städtepartnerschaft mit Leben wecken. Gemeinsames Projekt der vier jungen Frauen: die Bürgerbeteiligung bei Entscheidungsprozessen.

Als Nancy Villanueva im Januar erfuhr, dass sie drei Monate in Berlin verbringen würde, konnte sie es nicht fassen. Sie hatte ihrer Familie nicht einmal gesagt, dass sie sich für das Projekt beworben hatte. Sie wollte sich keine großen Hoffnungen machen und behielt es für sich, bis sie die Zusage bekam. "Ich war nie außerhalb Perus und war sehr aufgeregt. Ich habe mich auf das Projekt sehr gefreut und war neugierig auf die Art und Weise, wie in Deutschland gearbeitet wird", erzählt uns die 24-Jährige in ihrem Büro im Rathaus Treptow. Hier sitzt sie seit zwei Monaten mit ihrer Landsfrau Jessica und den zwei deutschen Masterstudentinnen Nuria und Laura. Ihr Projekt, "Bürgerhaushalte leben von der Beteiligung", wird von der sozialraumorientierten Planungskoordination (SPK) betreut und verfolgt das Ziel, die Methoden der Bürgeraktivierung in Treptow-Köpenick und Cajamarca zu vergleichen. Somit sollen neue Motivationsstrategien entwickelt werden, die anschließend in den beiden Städten angewendet werden. Dafür wurde das Projekt in zwei Phasen aufgeteilt: Von April bis Juni findet die Nordphase statt, in der sie gemeinsam den Berliner Bezirk erforschen. In der Südphase werden die deutschen Studentinnen im August in die nordperuanische Stadt reisen und sich dort drei Monate über die Lage informieren, um dann zu viert einen Bericht mit den Ergebnissen zu veröffentlichen.

"Für uns sind hier die Kiezkassen etwas ganz Neues und Interessantes", äußert sich Nancy. 2013 stellte der Bezirkshaushaltsplan Treptow-Köpenick 50.000 Euro für die Kiezkassen zur Verfügung. Diese Summe wurde gemäß der Einwohnerzahl auf die 20 Ortsteile verteilt und dient der Gestaltung der Kieze. "Somit soll eine Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und eine Verbesserung der Identifikation der Bürger mit ihren Ortsteilen erreicht werden", erklärt Nancy, die sich in ihrer Gruppe seit Wochen mit dem Thema auseinandersetzt. Die Anwohner können auf Bürgerversammlungen den Kiezpaten ihre Vorschläge mitteilen. Beispielhafte Verwendungsmöglichkeiten sind Parkbänke, Schaukeln oder Bordsteinabsenkung. "Wir haben herausgefunden, dass sich trotz des guten Konzepts nur wenige Bürger an den Kiezkassen-Versammlungen beteiligen. In Peru kommen zu solchen Sitzungen doppelt oder dreimal so viel Leute wie hier. Bei uns geht es um Grundbedürfnisse wie zum Beispiel Straßen, Brücken oder Stauseen. Wir haben nur eine Kasse, also müssen wir Prioritäten setzen und entscheiden, wo das Geld am besten eingesetzt werden kann", erläutert die Cajamarquina.

Bei der Studie dieser Entwicklungspolitik, die die gerechte Verteilung der Ressourcen und das Wohlergehen aller Bürger verspricht, bleibt Nancy nicht all zu viel Freizeit, um die Hauptstadt zu erkunden. Trotzdem schafft sie es an den Wochenenden Ausflüge in die Stadt oder Umgebung zu unternehmen. "Von Anfang an war ich von den öffentlichen Verkehrsmitteln positiv beeindruckt. In Cajamarca haben wir keine Züge und hier sind die Busse und Bahnen mit den Zeitplänen so super organisiert! Außerdem gefallen mir die zahlreichen Parks, in denen man so schön spazieren gehen kann", sagt sie mit strahlendem Lächeln.

Nancy fühlt sich sehr wohl in Müggelheim, wo sie in einer netten Gastfamilie wohnt. "Dort ist es so ruhig, so viel Bäume und ich liebe es, wenn die Vögel zwitschern. Man fühlt sich gleich entspannt. In Cajamarca wohne ich neben einer Schule mit viel Verkehr und es ist immer ziemlich laut." Auch unter den Deutschen hat die Peruanerin ihren Platz gefunden. Sie ist überrascht wie offen und hilfsbereit alle sind. Mit ihren Kolleginnen hat sie schnell Freundschaft geschlossen und auch die Mitglieder der SPK und der Städtepartnerschaft haben sie mit offenen Armen aufgenommen. 

Als das Projekt am 14. Mai im Rathaus Treptow vorgestellt wurde, wurden sie vom Leiter der Arbeitsgruppe Städtepartnerschaft (StäPa), Michael Schrick, herzlich willkommen geheißen: "Wir freuen uns sehr, dass Nancy und Jessica bei uns sind. Dank dieses Projektes werden wir uns über das wichtige Thema der Bürgerbeteiligung austauschen, voneinander lernen und neue Ideen entwickeln. Wir werden am Ende dieser sechs Monate die Ergebnisse auswerten. Man wird sehen, was es für uns, für Cajamarca und für alle Beteiligten gebracht hat und wie wir darauf aufbauen können."

Die Städtepartnerschaft Treptow- Köpenick – Cajamarca gründete sich 1993, als Köpenick, als erster Berliner Bezirk, eine Verpflichtung mit der Lokalen Agenda 21 eingegangen war. Städte und Gemeinden sollten ihren Beitrag leisten, um das Leben zukunftsfähig zu gestalten, die natürlichen Ressourcen zu schonen und Norden und Süden gemeinsam das Zusammenleben und das Verständnis zwischen den Völkern voranzubringen. Als sich einige Jahre später die beiden damaligen Bürgermeister, Lucho Guerrero aus Cajamarca und Klaus Ulbricht aus Köpenick kennenlernten, stellten sie fest, dass sich ihre Ziele für das Gemeinwohl ihrer Bezirke ziemlich nahe kamen. Am 20. Mai 1998 unterzeichneten sie das Partnerschaftsabkommen. Bis heute haben sich viele gemeinsame Aktivitäten ergeben – unter anderem, ein Schüleraustausch, Sozialpraktika oder Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit und Arbeit mit Behinderten. Nancy hofft, dass sie ihr Projekt erfolgreich vollenden: "Ich wünsche mir, dass unser Projekt als Grundlage dient für mehr Initiativen im interkulturellen Austausch. Ich würde mich natürlich sehr freuen, irgendwann auch wieder nach Köpenick zurück zukehren."