Gedanken aus Müggelheim

von Simone Jacobius

Jetzt ist es also mal wieder so weit. Wir Müggelheimer haben es schwer von unserer idyllischen Insel herunterzukommen. Die Bauarbeiten an der Wendenschlossstraße machen uns den Weg zur Arbeit oder nach Hause wirklich schwer. Bis weit in die Oberspreestraße reicht im nachmittäglichen Berufsverkehr der Stau zurück und morgens staut es sich bis zum Krankenhaus. Ein Glück nur, dass die Spur-Einteilung auf Dauer nicht so bleiben soll, sondern nur den Bauarbeiten geschuldet ist.

Mit Grausen erinnert sich noch so mancher an die Bauarbeiten an der Langen Brücke in den 90ern, die es so manchem verleideten nach Müggelheim zu fahren. Nur, wir Müggelheimer mussten ja irgendwie nach Hause oder zur Arbeit kommen. Jetzt heißt es abwarten und sich in Geduld üben. Glücklicherweise ist ja über Weihnachten so mancher im Urlaub, oder der Berufsverkehr entzerrt sich, weil viele nach der Arbeit noch Weihnachtseinkäufe machen. Ja, liebe Kinder, nicht alles sollte man dem Weihnachtsmann überlassen...

Wenn man es nicht eilig hat, kann solch ein Staustehen auch durchaus eine unterhaltsame Komponente haben. Es lassen sich herrliche Sozialstudien betreiben. Gucken sie nach links, sehen sie vielleicht eine Frau, die vor ihrem Date noch einmal rasch ihr Make up nachbessert. Ein Auto davor knutscht gerade inbrünstig ein junges Paar – auch ein schöner Zeitvertreib! Mit dem Paar daneben möchte ich lieber nicht tauschen. Hier scheint gerade ein handfester Streit im Gange zu sein. Verbittert rutschen beide so weit wie möglich auseinander (die Möglichkeiten im Auto sind ja bekanntlich begrenzt) und starren nun jeder aus seinem Fenster... Ach, und der Mann hinter mir? Gut sieht er aus, nur das Rasieren hat er morgens anscheinend vergessen. Ach, das scheint ihm auch gerade aufzufallen und flugs holt er einen Rasierapparat aus seinem Handschuhfach (oder war es die Aktentasche? Das konnte ich nicht sehen). Auf der anderen Seite drücken Kinder ihre Nasen an den Fensterscheiben platt. Und dann wandert der rechte Zeigefinger auch schon in das eine Nasenloch, voller Inbrunst wird gebohrt. Irgendwie muss man sich ja die Zeit vertreiben...

Fakt ist: Auch die Wände des eigenen Autos vermitteln das Gefühl von heimischer Geborgenheit. Dass die Nachbarn alles sehen können (Gardinen sind doch eher selten an Autos) fällt den wenigsten auf. Und während ich mich langsam, Meter für Meter nach vorne kämpfe, beobachte ich die Leute, checke meine emails und lese ein bisschen. Auch telefonieren ist ganz praktisch, wenn man so alleine im Auto sitzt. Gelobt sei der Erfinder der Freisprecheinrichtungen! Irgendwie muss man die Zeit ja auch sinnvoll nutzen um sie nicht nachher als verschwendete Zeit anzusehen. Und was ich schon vom Auto aus erledigt habe, brauche ich wenigstens nicht mehr zu Hause zu machen. Also immer schön einen kühlen Kopf behalten!


Ich bin geschockt! Zum einen, dass es Menschen gibt, die bewusst Unwahrheiten verbreiten und dabei gezielt die sozialen Netzwerke einsetzen, wohl wissend, dass sich darüber alles rasend schnell verbreitet. Und zum anderen darüber, dass es so viele Vorbehalte und Ängste gegenüber Flüchtlingen gibt. Von Ängsten um die eigenen Kinder über die Sorge zunehmender Einbrüche wurde auf Facebook quasi jedes Vorurteil bedient, das es nur gibt.

Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie wären in solch einer Lage wie diese bedauernswerten Flüchtlinge. Haus und Hof verloren, vielleicht ist auch schon ein Familienmitglied zu beklagen, das Einkommen ist weg, weil die Jobs aufgrund von Flucht, Krieg, Diffamierungen nicht mehr existieren. Hals über Kopf haben sie sich zum Teil auf den Weg gemacht, um das Leben ihrer Kinder zu retten, als einziges Hab und Gut zum Teil nur das, was sie am Leib trugen. Angst, Kälte, Hunger, Krankheiten und die große Ungewissheit begleiten sie. Es sind Menschen, wie Sie und ich. Menschen aus allen sozialen Schichten, aus den unterschiedlichsten Berufen. Menschen, die ihre Kinder lieben und für ihr Wohl die beschwerliche Flucht in ein fremdes Land, in eine fremde Kultur, eine fremde Sprache angetreten haben. Warum sollten wir Angst vor ihnen haben? Sicherlich, es gibt wahrscheinlich auch schwarze Schafe unter ihnen – genauso, wie auch reichlich unter uns Deutschen. So sind wir Menschen halt, gut und böse beieinander, und man sieht es den wenigsten an der Nasenspitze an. Aber gemessen am großen Ganzen ist es in der Regel ein verschwindend geringer Teil. Sollten wir da nicht lieber wahre Nächstenliebe zeigen und diesen Menschen helfen, hier Fuß zu fassen, ihnen wieder ein Stück Normalität zu vermitteln?

Die anhaltenden Konflikte im Nahen Osten und in Nordafrika machen es notwendig, dass sich nicht nur Bund und Länder, sondern wir alle unserer humanitären Verantwortung stellen und in dieser Ausnahme-Situation Menschen aufnehmen, die vor Gewalt und Krieg flüchten und bei uns Schutz suchen. Das bei der Lösungsfindung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Fehler begangen wurden, steht außer Frage. Auch ich sehe das Salvador-Allende-Viertel für einen zweiten Flüchtlingsstandort als unglücklich an. Ein Viertel, das ohnehin schon mit sich zu tun hat, kann auf solch engem Raum schwerlich zwei Flüchtlingsheime bewältigen. Während die erste Gruppe noch mit offenen Armen empfangen wurde, befürchten die Menschen dort nun an ihre Grenzen zu stoßen. Dass diese Sorgen auch ein gefundenes Fressen für alle Rechten sind, ist klar. Dessen sollte sich jeder bewusst sein. Ich plädiere für eine sachliche Auseinandersetzung ohne Vorurteile, dafür aber mit viel Mitgefühl. Eines haben mir die Facebook-Diskussion und die anhaltenden Demonstrationen in Köpenick klar gemacht: Die Menschen müssen rechtzeitig informiert und aufgeklärt werden. Nur so kann man aufkommende Panik bereits im Keim ersticken. Aber nicht alles, was über Facebook verbreitet wird sollte man für bare Münze nehmen.