Neue umstrittene Studie zum Fluglärm

Kinder angeblich nur leicht betroffen

von Dr. Heinz Stein

In Frankfurt a.M. ist gerade eine neue Studie zu den Auswirkungen von Fluglärm veröffentlicht worden: die NORAH-Studie. Sie untersucht die langfristigen Wirkungen von Verkehrslärm/Fluglärm auf Gesundheit, Lebensqualität und die kindliche Entwicklung im Umfeld des Frankfurter Flughafens. NORAH ist dabei die Abkürzung des englischsprachigen Arbeitstitels "noise relatet annoyance, cognition and health", auf Deutsch sind das die "Zusammenhänge zwischen Lärmbelästigung, Denkprozessen und Gesundheit".Auftraggeber dieser Studie ist das Forum Flughafen und Region, finanziert vom Land Hessen, den Kommunen, Fraport und den Luftverkehrsgesellschaften. Jetzt wurde ein Teilbereich der Studie veröffentlicht, nämlich zu Kindern.

Insgesamt umfasst die Studie drei verschiedene Module:

  1. Lebensqualität und Belästigung
  2. Gesundheit, unterteilt in drei Bereiche:
    a) Blutdruckmonitoring
    b) Schlaf - insbesondere Qualität des Nachtschlafes
    c) Erkrankungsrisiko, vor allem durch Verkehrslärm
  3. Entwicklung Kinder – geistige Entwicklung und Lebensqualität bei Grundschulkindern.

Das Kinder-/Schulmodul – an 29 Schulen des Rhein-Main-Gebietes in den Fluglärm-Dauerschallpegelbereichen 40 - 45, 45 - 50, 50- 55, 55 - 60 dB(A) (im Lärmbereich mehr als 60 dB(A) Dauerschall gibt es keine Schulen!) in 85 Schulklassen bei 1.243 Kindern der 2. Klasse durchgeführt – inzwischen beendet. Die Ergebnisse wurden in der ersten Novemberwoche der Presse vorgestellt. Der größere Teil der Studie soll hingegen erst im Herbst 2015 veröffentlicht werden.

Zu den Ergebnissen der Kinderstudie:

  • Fluglärm verringert die Leseleistungen (je stärker die Belastung, desto stärker die Beeinträchtigung)
  • Die schulische und gesundheitliche Lebensqualität ist l e i c h t beeinträchtigt
  • Fluglärm stört den Unterricht (ebenso in Abhängigkeit von der Stärke der Belastung)

Wenn man den vorliegenden Bericht zu den Befragungen der Lehrkräfte, zu häufigen Störungen des Unterrichts durch Fluglärm und teils erheblich eingeschränkten schulischen Aktivitäten im Freien, sowie die Angaben der Eltern zu Sprech- und Sprachstörungen ihrer Kinder und ärztlich verordneten Medikamenten liest, treten Zweifel hinsichtlich der Wertung "Schulische und gesundheitliche Lebensqualität l e i c h t beeinträchtigt" auf.

Dass Fluglärm das Lesenlernen verzögern und zu psychischen Störungen bei Kindern führen kann ist bereits seit den frühen 1990er Jahren aus wissenschaftlichen Untersuchungen am alten und neuen Münchener Flughafen bekannt, ebenso aus anderen ausländischen Studien (z.B. RANCH-Studie).

Sogar der flughafenbetreiberfreundliche Lärm-Gutachter, Prof. Jansen, hat bei der Anhörung zum BBI/BER 2001 in Oberschöneweide auf die entsprechende Frage geantwortet, dass bei bis zu 15 Prozent der durch Fluglärm betroffenen Kinder gesundheitliche Störungen auftreten können.

WHO, Umweltbundesamt, der Sachverständigenrat für Umweltfragen und der Deutsche Ärztetag fordern neben anderen bereits seit Jahren niedrigere Lärmgrenzwerte und ein Nachtflugverbot.

Deshalb ist in wissenschaftlichen Kreisen die Durchführung der NORAH-Studie umstritten und mehr als 100 Wissenschaftler und Professoren/Ärzte aus dem Rhein-Main-Gebiet forderten bereits 2013 deren Abbruch.

Ihre Kritik: Es liegen bereits zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien zu den krankmachenden Folgen von Fluglärm weltweit vor, sodass mit dieser, im Interesse von Fraport und Luftverkehrsgesellschaften liegenden Studie, die dringend notwendigen politischen Konsequenzen hinsichtlich niedriger Lärmgrenzwerte, einem Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr etc. nur weiter hinaus gezögert werden.

Ebenso forderten zukünftig vom BER stark belastete Brandenburger Gemeinden (u.a. Gemeinde Blankenfelde-Mahlow) die Durchführung des NORAH-Kindermoduls vor und nach Eröffnung des BER als Vergleichsmöglichkeit. Die notwendige Studienkonzeption wurde ausgearbeitet. Im Gegensatz zum Frankfurter Raum befinden sich hier auch Schulen im Tagschutzgebiet mit mehr als 60 dB(A) Dauerschall. Wie zu erfahren war, sei der Befragungsteil "vor Eröffnung" durchgeführt worden und der diesbezügliche Bericht würde nach erfolgter Abstimmung zwischen den Verantwortlichen veröffentlicht werden.

Die Weiterführung der Studie bei nicht bekanntem Eröffnungstermin des BER ist derzeit wohl offen.

Diskutiert wurde die Durchführung des Schulmoduls auch in den Köpenicker Ortsteilen Bohnsdorf (stark vom Fluglärm betroffen) und im Vergleich hierzu in Müggelheim, was jedoch mit Schreiben vom 5. Juli 2012 von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales mit Verweis auf die Frankfurter und Brandenburger Schuluntersuchungen abgelehnt worden war.