Der Pferdemann aus Müggelheim

von Pamela Hauth

Der "Graf" von Müggelheim: Hans Beeskow chauffiert jedes Jahr, wie auch hier 2007, die Bürgermeister von Köpenick und Odernheim beim sommerlichen Festumzug um den Dorfanger. Foto: Jacobius

Ein Leben ohne Pferde kann sich dieser Mann nicht vorstellen. Ich unterhalte mich mit Hans Beeskow und seiner Frau Inge, in ihrem Büro am Dorfanger. In ihrem Geschäftszimmer befinden sich viele Bilder- und Pferdefiguren. Auch ein Modell seiner über 100 Jahre alten Hochzeitskutsche steht dort.

Er erzählt mir, dass er die ersten 40 Jahre seines Lebens in Biesdorf verbrachte und schwärmt von dem großen, eigenen Grundstück seiner Familie, seinem Geburtsort, seiner Heimat dort. Dort baute die Familie Getreide und Gemüse an. "Das Land gehörte damals meiner Großmutter", sagt er. Da seine Großmutter Pferde hatte, ist ihm der Umgang mit den Tieren schon als Kind vertraut. Hanne Beeskow, wie er von allen genannt wird, sagt: "Früher mussten die Pferde ganz schön arbeiten, heute ist alles Spielerei." Da seine Mutter sich sorgte, dass er nur ein Bauer werden würde, riet sie ihm zu einer Berufsausbildung. Diese beginnt er mit 14 Jahren. Er wird Blumen- und Zierpflanzengärtner. Seine Frau sagt stolz: "In Biesdorf zog er sogar Junggemüsepflanzen alleine." Mit 17 Jahren ist er der einzige Mann auf dem Hof. Damit beginnt seine lebenslange Selbständigkeit. Er bewirtschaftet den landwirtschaftlichen Hof mit Hilfe seiner Mutter, Schwestern und ein paar Mitarbeitern. Es bereitet ihm große Freude.

Mit 38 Jahren ändert sich sein Leben radikal. Dort, wo sich sein Grundstück befindet, soll nun eine Straße gebaut werden. "Ich dachte, ich werde nicht mehr, als ich erfuhr, dass ich mein Grundstück verlassen soll", sagt der heute 76jährige Beeskow. Er kämpft zwei Jahre dagegen an, dann muss er aufgeben. Die Straße ist die heutige Abfahrtsschleife Märkische Allee in Alt Biesdorf... Er wird noch 36 Jahre später von dem Grundstück seiner Kindheit träumen und der Verlust wird ihn für immer traurig machen.

Ende der 70er Jahre, auf der Suche nach einem neuen Zuhause für sich, seine Frau und seine Pferde, entdeckte er den Hof in Müggelheim. Das damals heruntergekommene volkseigene Grundstück lässt man ihn jedoch nicht kaufen. Trotzdem investiert Beeskow viel Geld und Zeit in sein neues Zuhause. Auch ist er auf der Suche nach einer neuer Betätigung, da er keine Landwirtschaft in Müggelheim betreiben darf. So beschließt er ein Fuhrgeschäft zu eröffnen. Obwohl nicht viele an den Erfolg eines solchen Geschäfts glauben, lässt er sich nicht entmutigen. "Das wird nichts" und "hält sich nicht lange" sind die Sätze, die er damals hört. Beeskow sagt: "Ich wollte es versuchen, es macht mir ja auch Spaß." So kaufte er die erste weiße Hochzeitskutsche, die in Berlin fuhr. Früher waren die Hochzeitskutschen noch schwarz, erzählt er. Er schafft sich für das Geschäft alles an, was ihm selbst auch gefällt, "denn dann gefällt es auch den Kunden", sagt er. Und für ihn müssen es weiße Pferde sein, eine weiße Kutsche und eine Bogenpeitsche. Der Plan geht auf, sein Geschäft läuft. Mit 50 erhält er im Roten Rathaus als bester Pferdefuhrbetrieb eine Auszeichnung.

Heute kann er sehr viele Geschichten von Kutschfahrten, ob Hochzeitsfahrten oder Männertags-Ausflüge, erzählen. Bei einer der ersten Fahrten nach Maueröffnung sitzt beispielsweise ein Heiratsschwindler in der Kutsche, wie Beeskow hinterher erfährt. Er berichtet auch schmunzelnd von einem jungen Mann aus der Musikbranche, dem die Geduld für die Hochzeitskutschfahrt fehlte. Und er erzählt mit Freude, dass er sogar mal Harald Juhnke und Günther Pfitzmann fuhr. Es ist ihm jedes Jahr ein Bedürfnis, beim historischen Festumzug des Köpenicker Sommers mit zu fahren. Und das seit 38 Jahren. Natürlich darf er beim Festumzug in Müggelheim, auch nicht fehlen. Hier treffen sich die Bürgermeister von Köpenick und unserer Partnergemeinde Odernheim in seiner Kutsche. Am Straßenrand wird dann wieder erzählt: "Da kommt der Graf von Müggelheim".

Er erinnert sich an unzählige Kutschfahrten von und nach Köpenick und findet es bedauerlich, dass trotz weißer Kutsche und Tageslicht die Autofahrer sehr dicht an die Kutsche heranfahren. "Das ist nicht ungefährlich, einige überholen auch beim Überholverbot in der Kurve", sagt er. Eine Frau stieß einmal mit ihrem Auto auf dem Müggelheimer Damm die Hochzeitskutsche an. "Ich hatte großes Glück, dass ich die Pferde halten konnte und das es eine Leer-Fahrt war", sagt er. Zum Glück hat Beeskow wirklich sehr viel Erfahrung mit Pferden...

"Ich mag schnelle Pferde, ich hatte immer temperamentvolle", sagt er. Schließlich fuhr er auch als Amateur Trabrennen auf den Bahnen Karlshort und Mariendorf. Das Pferd, mit dem er Trabrennen fuhr, ist aus einer besonderen Zucht. Er zog es selbst groß und noch heute steht es auf seinem Hof. "Sepp bekommt bei mir sein Gnadenbrot", sagt er.

Beekow hat ein jahrzehntelanges Wissen über Pferde. Sein riesiger Erfahrungsschatz soll eines Tages in einem Buch landen. Auf meine Frage nach seinem größten Wunsch antwortet er: "Ich möchte gesund bleiben und weiter machen." Weiter machen bedeutet, dass er sich jeden Morgen in der Frühe um seine Pferde kümmern möchte. Und die Pferde kennen kein Wochenende und keine Ferien, Hanne Beeskow auch nicht.