Ein anderer Blickwinkel auf die Gasdruckregelstation

Von Roland Thurow

Wieder sind Bauarbeiten auf dem denkmalgeschützten Dorfanger zu beobachten. Der Müggelheimer Bote berichtete in seiner Mai-Ausgabe bereits darüber, dass die neue Gasdruckregelstation an den Standort der früheren Anlage versetzt wird. Dies ist das Ergebnis des Konsensgespräches vom 11. August 2020, zu dem Bezirksbürgermeister Oliver Igel Vertreter der Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB), des Müggelheimer Heimatvereins (MHV) und der Genehmigungsbehörde einlud. Trotz dieses Erfolges lassen Sie uns einen kritischen Blick zurück auf das bisher Geschehene richten.

Wie erst im Nachhinein bekannt wurde, lief der Antrags-und Genehmigungsprozess zur Errichtung der neuen Gasdruckregelanlage an der Nordspitze des historischen Dorfangers bereits seit 2018, wohlweislich ohne jegliche Bürgerbeteiligung. Erst im Frühsommer 2020 wurde das Vorhaben durch erste Bauarbeiten am Fundament offenkundig. Daraufhin erhob sich unmittelbar ein Sturm der Entrüstung unter den Einwohnern Müggelheims. Es wurde der Vorwurf laut, die Baugenehmigung entspräche nicht der Rechtsnorm. Handelt es sich doch hier um das Flächendenkmal „Dorfensemble Alt Müggelheim“, in das nur unter Einhaltung strengster denkmalrechtlicher Belange eingegriffen werden darf. 

Wir erinnern uns noch des Schriftzuges am Bauzaun „Hier wird Denkmal zerstört“. In einer Unterschriftenaktion sprachen sich 870 Müggelheimer gegen das Bauvorhaben an dieser Stelle aus. Während Baustadtrat Rainer Hölmer immer noch an der These des rechtskonformen Genehmigungsprozesses festhielt, lagen im Bezirksamt zeitgleich ein Antrag des MHV auf sofortigen Baustopp und eine Einwendung des Umweltkreises in der evangelischen Kirche Müggelheim gegen die Baugenehmigung vor.

Wie hieß es doch gleich in der Presseerklärung des Bezirksamtes 8. Juli 2020? „…Da sich die Anlage auf öffentlichem Grund befinden muss und der Baukörper nicht im Wurzelbereich errichtet werden darf, konnte kein alternativer Standort in Müggelheim und auf dem Dorfanger gefunden werden“. Hier wurde suggeriert, die Suche nach einem Alternativstandort habe zwar stattgefunden, blieb jedoch erfolglos. In dieser Zwangssituation könnten dann, mit Verweis auf öffentliche Belange, die Erfordernisse des Denkmalschutzes zurückgestellt werden.

Nach dem nun vom MHV ohne große Mühe gleich mehrere geeignete Bauplätze auf z.T. brachliegenden, öffentlichen Grundstücken benannt werden konnten war nachgewiesen, dass ein Standort auf dem geschützten Dorfanger nicht alternativlos ist. Das Argument, es bestünde ein Handlungsnotstand aufgrund öffentlicher Belange, gemeint ist die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit, war damit widerlegt. Die Erfordernisse des Denkmalschutzes wurden dennoch gänzlich missachtet. Das Gebäude der Gasdruckregelanlage fügt sich in seiner äußeren Gestalt und dem Materialeinsatz nicht in das Flächendenkmal ein. Stattdessen verwehrt es in seiner Dimension am derzeitigen Standort vom Ortseingang her den Blick auf den historischen Dorfanger und dominiert so in seiner Fremdartigkeit das Ortsbild. 

Hinzu kommt, dass sich der Baukörper selbst und mehrere weitreichende Tiefgrabungen in seinem Umfeld im Wurzelbereich des geschützten Baumbestands befinden. Dies sollte ja laut Presseerklärung gerade vermieden werden. Betroffen ist eine Gruppe von Linden und eine geschätzt 180-jährige Eiche. Eingriffe in den Wurzelbereich erfolgten ohne Schutzmaßnahmen. Ungeachtet dessen wurden die Baumaßnahmen fortgesetzt.

Es heißt, die Baugenehmigung sei unter Auflagen erteilt worden. Doch hat tatsächlich ein Abwägungsprozess im Sinne des Denkmalschutzes stattgefunden? 

Folgenden Bedingungen waren an die Genehmigung geknüpft:

  • Bei der Standortwahl musste der Schutz des Altbaumbestands berücksichtigt werden.
  • Rückbau des vorhandenen Gebäudes der bisherigen Ortsdruckregelanlage nach Fertigstellung der Baumaßnahme
  • Errichtung des Neubaus mit einer maximalen Traufhöhe von 2,50 m
  • Die zum Einsatz kommenden, nach außen sichtbaren, Baustoffe müssen „denkmalgerecht“ sein. Das heißt, es dürfen beispielsweise keine Kunststofffenster und Türen verbaut werden.
  • Das Gebäude darf modern gestaltet werden, es muss sich aber zurückhaltend in den Denkmalschutz einfügen.

In diesen „Bedingungen“ sind genau diejenigen baulichen Merkmale beschrieben, die der von der NBB beantragte Funktionsbau ohnehin aufweist. Es scheint, als wurden die denkmalschützenden Auflagen dem Bauvorhaben angepasst. Richtig ist natürlich auch, eine Verlegung der Station auf ein entfernter gelegenes Grundstück ist mit erheblichen Investitionen verbunden. Die Kosten für diese Umsetzung schätzt die NBB auf etwa 250- bis 500.000 Euro. Sie wären von der Netzgesellschaft selbst zu tragen. Hier kommen wir nun zum Kern der Problematik. Der Verdacht liegt nahe, Denkmalschutzbelange wurden gegen wirtschaftliche Interessen aufgewogen.

Dass die Gasdruckregelanlage dennoch von der Nordspitze des Angers entfernt werden muss, sei zu allererst dem Engagement des MHV gedankt. Schließlich gelang es, durch kluges Abwägen des politisch Durchsetzbaren, die Allianz von NBB und Bezirksamt zu einem Zugeständnis zu bewegen. Jetzt rückt jedoch ein weiterer Aspekt ins Blickfeld. Der Standort der früheren Altanlage des Gasversorgers beruht ja nur auf einer Interimslösung aus DDR-Zeiten. Bekannt ist, dass bei einer künftigen Ertüchtigung des Gasnetzes in Müggelheim dieses Gebäude im Zentrum des Dorfangers aufgegeben werden sollte. Durch die nunmehr geplante Verlegung dorthin werden Fakten geschaffen für eine unabsehbare Zukunft.

Diese Geschichte verdient aber noch ein Sahnehäubchen obendrauf. Der erneute Bauantrag gilt nicht etwa einer individuellen, denkmalgerechten Lösung, sondern wieder nur dem schon bekannten Funktionsbau. Dem Vorhabenträger wurde es deshalb gestattet, diesen Mangel an der Baugenehmigung durch einen Farbanstrich der Fassade zu kaschieren. Verantwortlich für die Gestaltung und Finanzierung ist aber nicht der Verursacher. Jetzt heißt es: Liebe Müggelheimer, wenn ihr Denkmalschutz wollt, dann zahlt ihn doch selbst. Angemerkt sei noch, eine „historisierende Bemalung“ ist nicht Ziel von Denkmalschutz und Denkmalpflege.     

ANDREAS WENDT/NBB NETZGESELLSCHAFT

Wilfried Rebuschatis überprüft die Funktionsfähigkeit der provisorischen Anlage.

Schutz der alten Eiche auf dem Anger

Die Arbeiten sind nicht mehr zu übersehen. Nach Vorliegen der Baugenehmigung Mitte April setzt die Netzgesellschaft jetzt die Gasdruckregelstation um. Wir berichteten darüber in der Mai-Ausgabe.

Wenn das mobile Aggregat ans Gasnetz angeschlossen und ein neues Fundament am alten, neuen Standort vorbereitet ist, wird ein Kran die moderne, 2020 in Betrieb genommene Station an den Haken nehmen und an den neuen Standort transportieren. Eine zusätzliche Herausforderung wird sein, den Ausleger des Krans über eine etwa 180 Jahre alte Eiche auf dem Dorfanger zu navigieren – der Schutz der vorhandenen Baumstruktur auf dem Gelände war Bestandteil der Baugenehmigung.

Die Müggelheimer werden von all dem nichts mitbekommen: Es wird keine Versorgungsunterbrechung geben.     AW