Müggelheimer Bote
7. Jahrgang, Ausgabe 08/2001  
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„Kuhle Wampe”: Erinnerungen eines kleinen Mädchens von damals

Viele Müggelheimer waren der Meinung, dass der Zeltplatz „Kuhle Wampe” am Nordufer des Großen Müggelsee lag, also gar keine Beziehung zu Müggelheim hatte. Möglicherweise war das der Grund, warum in der Chronik Müggelheims bisher darüber noch nicht berichtet wurde. Ursächlich war der Film Kuhle Wampe für den auch Szenen vom Zeltleben gedreht wurden. Doch diese wurden, aufgrund der ungünstigen Lichtverhältnisse, nicht ausschließlich am Originalort gedreht. So kam es, dass andere Standorte oft als der tatsächliche angesehen wurden.

Eine Müggelheimerin erinnert sich noch an die Zeit von damals.

Ihre Eltern wohnten in Neukölln, wo sie auch eingeschult wurde. Der Vater war, wie so viele Arbeiter in dieser Zeit, arbeitslos. An der Stempelstelle trafen sie sich morgens, in der Hoffnung, Arbeit zu bekommen. Hier wurden auch Erfahrungen und Sorgen ausgetauscht. So erfuhren die Eltern von dem Leben am Großen Müggelsee, dem ersten Zeltplatz. Bald wurden sie auch Zeltler. Natürlich kann man die Zelte nicht mit denen von heute vergleichen, auch nicht den Komfort. Trotzdem erinnert sich die Müggelheimerin, war es wunderschön. Der Zeltplatz „Kuhle Wampe” lag am süd-östlichen Ufer des Großen Müggelsees. Die forstliche Bezeichnung dieser bauchartigen Ausbuchtung, welche durch die schattige Lage auch kühles Wasser hatte, gab dem Zeltplatz seinen Namen. Ein Forstweg führte in gerader Linie vom Müggelheimer Damm zum Zeltplatz und genau in der Kurve, zwischen den Haltestellen Waldrand und Prinzengarten, gab es damals die Haltestelle „Kuhle Wampe”.

Angefangen hat es mal mit etwa zehn Zelten, aber dann wurden es schnell immer mehr. Alle Zelte standen in einer Reihe, auf der Wiese hinter dem Promenadenweg, aber vor dem sandigen Absatz, der sich vor dem Wald, möglicherweise dem einstigen Ufersaum, befand. Alle Zelte hatten eine Nummer und der zuständige Förster achtete besonders darauf, dass die Zelte nicht mit Materialien wie Steinen oder Bretter umrandet wurden. Die neu hinzukommenden Zeltler bauten ihre Zelte weiter in Richtung Müggelhort, auf dem Rasen auf, so dass dort später im Sommer etwa 300 Personen in 90 Zelten lebten.

„Wir waren glücklich, dass wir in der Natur so friedlich leben konnten. Wir brauchten auch nicht viel. Für jede Schlafstelle eine Unterlage und die Betten. Eine kleine Kochstelle und das Plumpsklo im Wald. Wir hatten mehrere Badestellen zwischen dem hohen Schilf, da konnten wir baden und uns auch waschen. Nacktbaden war damals noch nicht üblich, kann sein, das sich mal einer unbeobachtet gefühlt hat und sich ohne alles im See wusch. Manchmal kamen auch einige Müggelheimer um hier zu baden oder ihr Boot hier ins Wasser zu lassen. Wir hatten aber wenig Kontakt zu Müggelheim.”

Die Müggelheimerin erinnert sich, das sie besonders gerne mit ihrem Vater auf dem Tandem vom Zeltplatz nach Neukölln in die Schule fuhr. Ebenso gerne fuhr sie mit ihrem Vater mit dem 27-er Autobus, welcher oben mit Bänken war, aber ohne Dach. Ihr Vater ging dann zum Stempeln.

Die Männer hatten an einer Stelle hinter den Zelten einen Sportplatz angelegt, wo dann Ballspiele und sogar Kraftsport betrieben wurde. Der Müggelheimer Kolonialwarenhändler Kuhts belieferte die Zeltler mit frischen Schrippen, Brot und Milch, welche er aus Rahnsdorf holte und dann mit seinem Tempo, auch „Dreikantpfeile” genannt, zu den Zeltlern brachte. Der Müggelheimer Leopold lieferte per Pferdewagen Kartoffeln und Gemüse. Ein pfiffiger Kaufmann verkaufte sogar vom Boot seine Lebensmittel und Fische wurden sowieso selbst geangelt.

„Die Zeltler kamen aus ganz Berlin. Hier waren arbeitslose Arbeiter mit ihren Familien, Zeltler die in einem Sportverein oder auch kirchlich eingebunden waren. Keiner hat irgendwie die Parteizugehörigkeit herausgestellt. Wir waren eine wunderbare Gemeinschaft.

Der Film, der vor 70 Jahren gedreht wurde, gab einigen die Möglichkeit als Komparsen mitzuwirken und etwas Geld zu verdienen. Meine Mutter hat von dem Geld einige Meter Zeltbahnen gekauft.

1934 wurde das Zelten verboten, wir durften einfach nicht mehr aufbauen. Wir wollten doch nur in der Natur sein und nun war alles vorbei.

Viele bemühten sich jetzt in Müggelheim ein Pachtgrundstück zu erhalten. Einige Bauern hatten zu diesem Zeitpunkt die Genehmigung erhalten, einige Flurstücke zu parzellieren und so wurden dann aus einigen Zeltlern Müggelheimer Pächter.”

Das Zelt wurde auf das kahle Grundstück gestellt, später entstand meistens eine winzige Laube, mit gerade genug Platz für die Betten und eventuell einer kleinen Kochstelle. Dort wohnte man natürlich nur im Sommer und dann ging die Müggelheimerin auch in die 4 –Klassen Dorfschule. Erst Jahre später wurde die Laube vergrößert , so dass die Familie ganzjährig in Müggelheim wohnen konnte. So wurden aus ehemaligen Kuhle Wampe Zeltlern ,Müggelheimer Einwohner.

MS (unter Mitarbeit von Herrn Gräber)

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