So hat Müggelheim gewählt

Am 26. September wurden die Müggelheimer zu den Wahlurnen gerufen. Und die Wahlbeteiligung war im Bezirk deutlich höher, als 2016, nämlich 76,8 Prozent. Neben dem Bundestag wurden auch Abgeordnetenhaus und Bezirksamt gewählt, zusätzlich noch eine Volksabstimmung. Eine wahre Mammutaufgabe für alle Wahlhelfer, und auch eine, die nicht in allen Bezirken gut geklappt hat. Von falschen Wahlzetteln bis zu Stimmzetteln für Minderjährige reichte die Fehlerpalette. Unsere Wahlbereiche sind allerdings nicht unter denen, die negativ auffielen – auch Treptow-Köpenick im Ganzen nicht. Noch ist nicht klar, ob die Wahl durch die vielen Pannen Bestand hat, oder sie zumindest in manchen Wahlbezirken wiederholt werden muss. Das Gericht wird darüber zu entscheiden haben. 

Während die Koalitionsverhandlungen bereits auf allen Ebenen laufen, liefern wir Ihnen noch die Wahlergebnisse unserer sechs Wahllokale nach. Frei nach dem Motto: So haben Ihre Nachbarn gewählt! Übrigens hat sich auf allen drei Ebenen die SPD an die Spitze gesetzt, Olaf Scholz wird die Bundes-Koalition anführen und voraussichtlich neuer Kanzler. Franziska Giffey setzte sich in Berlin durch und dürfte neue Regierende Bürgermeisterin werden und in Treptow-Köpenick errang unser bisheriger Bürgermeister Oliver Igel erneut die meisten Stimmen. Während es in Berlin auf Rot-Grün-Rot hinausläuft, wird es im Bund eine rot-grün-gelbe Koalition werden. In Treptow-Köpenick hat sich die SPD auch bereits mit Linken und Grünen auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Aus Platzmangel veröffentlichen wir hier nur die sieben Parteien mit den meisten Stimmen. Wir konnten bei den Wahlkreisen nicht den Vergleich zur Wahl 2016 herstellen, da die Wahlkreise neu zugeschnitten wurden. Müggelheim hatte jetzt sechs statt wie bisher drei Wahllokale. 

Bei den Erststimmen hat übrigens Tom Schreiber (SPD) das Rennen gemacht mit 26,2 Prozent, gefolgt von der Linken Stefanie Fuchs mit 18,4 Prozent.     sip

Neues Bezirksamt wird jünger und weiblicher

Manchmal geht es doch schnell, auch in unseren Ämtern. Schon zwei Wochen nach den Herbstferien ist das neue sechsköpfige Bezirksamt komplett. 

Diese Bezirkspolitiker stellten sich am 4. November bei der Konstituierenden Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung zur Wahl (leider nach Redaktionsschluss): Bürgermeister Oliver Igel (SPD) will sein Amt weiter ausüben. Neu im Bezirksamt wird voraussichtlich Alexander Freier-Winterwerb (SPD), der Stadtrat für Jugend und Gesundheit werden will. Carolin Weingart (Linke) strebt den Posten der Stellvertreterin des Bürgermeisters und Stadträtin für Soziales/Bürgerdienste an. 

Claudia Leistner von den Grünen wird vermutlich das Mammutamt Stadtentwicklung/Straßen und Grünflächen/Natur und Umwelt als Stadträtin führen und damit den bisherigen Baustadtrat Rainer Hölmer ablösen, der von seiner Partei nicht mehr für diesen Posten nominiert wurde. Damit geht die Ära Hölmer nach 15 Jahren zu Ende.Auf die Justiziarin wartet nun harte Arbeit. 

Überraschungskandidat der CDU ist Mathe- und Physiklehrer Marco Brauchmann. Er soll Stadtrat für Schule, Kultur und Sport werden. Brauchmann wurde erst am Sonntag vor der BVV von seiner Partei nominiert. Bernd Geschanowski (AfD) wird auf Wunsch des rot-rot-grünen Parteien-Zusammenschlusses das Ressort wechseln und soll künftig Stadtrat für Ordnung werden.

Damit wird das neue Bezirksamt erheblich jünger als das alte. Weingart, Leistner, Brauchmann und Freier-Winterwerb sind deutlich unter 40 Jahre, Igel ist 43, Geschanowski mit 54 Jahren der Senior.     sip


Wahl-Gedanken von Bernhard Jurisch

Die öffentlichen Streitereien in den Zeiten der Pandemie, aber auch während des Wahlkampfs haben in zum Teil erschreckender Weise die Zerrissenheit und Spaltung unseres Landes deutlich gemacht. Die Wahlergebnisse mit ihrer Verteilung der Stimmen auf eine kaum noch überschaubare Anzahl von Parteien und das Stutzen der Volksparteien auf Gleichmaß bestätigen das erneut. Es greift daher zu kurz, nach einem Sündenbock zu suchen, sondern es geht darum, die Ursachen für den Trend zu erkennen und daraus Folgerungen für die Zukunft zu ziehen.

Der öffentliche Streit ist zu einem Meinungskampf besonderer Art mutiert, bei dem es – grob vereinfacht – um den Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion geht. Während Wissenschaft die Wahrheit sucht, besitzt die Religion die Wahrheit von Anfang an. Begründen sich wissenschaftliche Meinungen auf der Erforschung von Tatsachen und sind ihre Ergebnisse immer nur vorläufig und jederzeit durch neue Erkenntnisse veränderlich, sind die religiösen Meinungen nicht hinterfragbar und unveränderbar. Sie werden geglaubt, während wissenschaftliche Meinungen immer im Zweifel stehen.

Wenn in der öffentlichen Auseinandersetzung diese beiden sehr unterschiedlichen Arten von Meinung als gleichberechtigt gegenübergestellt werden, endet der Meinungsaustausch sehr schnell auf einer schiefen Ebene, auf der eine Einigung durch wechselseitige Überprüfung der Argumente oder beiderseitiges Nachgeben nicht mehr zu erreichen ist. Wir verlassen das Zeitalter der Aufklärung und kehren zurück in mittelalterlich anmutende Religionskriege, in denen der Andersdenkende zu dem das Richtige verneinenden Feind wird. Die Schwelle zum Handgreiflichen, zu Gewalt und zumindest gesellschaftlicher Vernichtung ist niedrig. 

Waren die religiösen Auseinandersetzungen der frühen Neuzeit mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln schon verheerend, so stehen den Gegnern heute unvergleichlich stärkere als Waffe einsetzbare Mittel zur Verfügung, weil sie zeitlich, örtlich und materiell nahezu grenzenlos eingesetzt werden können.

Es stellt sich daher die Frage, ob in einem derartigen gesellschaftlichen Klima Volksparteien, die ein breites Meinungsspektrum abdecken, überhaupt noch denkbar sind. Ihre Prämisse war, dass – basierend auf einigen wenigen Grundsätzen politischen Handelns – im vorparlamentarischen Raum ein Klärungsprozess stattfindet und extreme Ansichten eingebunden, aber eben auch toleriert werden. Die grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden großen Volksparteien ergaben sich aus der Sicht auf den Staat und dessen Rolle: Ordnungsmacht für das Zusammenleben sowie Garant für die Sicherheit nach außen aber auch im Inneren bei der CDU; gegenüber einem mehr paternalistischem Staat, der den als schwach angesehenen Einzelnen zu helfen hat, bei der SPD.

Diese Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft und der Solidargemeinschaft sind zu Lasten der Berufstätigen und vor allem der kommenden Generationen infrage gestellt, wenn nicht nur immer größere Anteile des Sozialprodukts für Sozialleistungen verwendet werden und zusätzlich gewaltige Schuldenberge für den jetzigen Konsum kommenden Generationen aufgebürdet werden, ohne dass dem Investitionen in die Infrastruktur gegenüberstehen, von denen die künftigen Bürger dieses Landes noch profitieren. Das Leitbild des für sich selbst verantwortlichen freien Bürgers wird ersetzt durch einen vom Staat Abhängigen.

Es ist ein weites Feld, voller komplexer Fragen, das hier nur holzschnittartig skizziert werden kann. Vielleicht muss man das Wahlergebnis mit vier nahezu gleichgroßen Parteien als ein Zeichen dafür sehen, dass das bisherige Konzept der Volkspartei in Zeiten einer sehr heterogenen, hoch politisierten Gesellschaft, der die Fähigkeit und vielleicht auch die Bereitschaft zum Kompromiss abhandengekommen ist, nicht mehr trägt. Es wird jedenfalls nicht einfacher, dieses vor allem mit sich selbst beschäftigte Land zu führen, unsere nach innen gerichtete Nabelschau zu beenden und die Gefahren ins Auge zu fassen, die sich aus der uns umgebenden Welt drohen.