Müggelheimer Bote
7. Jahrgang, Ausgabe 06/2001  
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Baby-Wickelraum und Rednerliste

Logistische Vorbereitungen für Anhörung in Rathenauhallen liefen auf Hochtouren

Die Ruhe vor dem Sturm in der Walter-Rathenau-Halle ist vorbei. Seit dem 31. Mai laufen dort die Anhörungen der privaten Anwender. Doch bis es so weit sein konnte, stand eine umfangreiche Logistik um Vordergrund. Seit dem 16. Mai wurde in dem bis dato leeren denkmalgeschützten AEG-Gebäude an der Wilhelminenhofstraße 83-85 in Oberschöneweide gearbeitet. Mehr als 40 Gewerke nahmen bis zum Ende des Monats fast Tag und Nacht die Halle in Beschlag. So mussten 10 000 Quadratmeter grau-anthrazitfarbener Teppichboden verlegt, zehn Videoleinwände sowie Ton- und Lichttechnik aufgestellt und 5000 Plastikstühle im Boden verankert werden.

Kein Konzert, keine Theateraufführung und kein Managertreffen standen ins Haus. Sondern eine Veranstaltung, die es in diesem Ausmaß in Deutschland bisher nicht gegeben hat. Am 31. Mai startet in besagter Halle die Massenanhörung zum geplanten Großflughafen Schönefeld. Mehr als 130 000 Einwände von Bewohnern betroffener Gebiete in Berlin und Brandenburg sollen bis Ende September behandelt werden. Fünf Mitarbeiter vom brandenburgischen Landesamt für Bauen, Verkehr und Straßenwesen (LBVS) sind seit Februar mit der Vorbereitung des Großereignisses beschäftigt.

„Unser Partner ist die Berliner Veranstaltungsfirma Trend Event, die beispielsweise den G-7-Gipfel betreut hat”, erzählt Rainer Laflör, der von Seiten des Landesamtes bei der Planung der Anhörung den Hut auf hat. Für ihn wie für seine Mitstreiter ist dies eine völlig neue Aufgabe. Dennoch sieht er dem entscheidenden Termin gelassen entgegen. „Wir gehen nicht davon aus, dass es zu großen Störungen kommt.”

Erbitterten Widerstand oder gar bürgerkriegsähnliche Verhältnisse wie in den 80er Jahren, als tausende Menschen gegen die Startbahn West des Frankfurter Flughafens Sturm liefen, befürchtet er nicht. Die Anhörung der so genannten Träger öffentlicher Belange in Rangsdorf habe gezeigt, dass kein aggressives Verhalten zu erwarten sei. Für den Fall der Fälle sind alle Beteiligten aber von einem Psychologen geschult worden.

„Wir haben uns ein Video von der Anhörung zum Bau der Wiederaufbereitungsanlage im bayerischen Wackersdorf angesehen“, erzählt Laflör. Der damalige Anhörungsleiter habe den emotionalen Druck nicht ausgehalten. „So eine Arbeit setzt innere Ruhe voraus”, weiß Laflör. „Unser Anhörungsleiter Joachim Leyerle ist in diesen Dingen erprobt.”

Da jedoch ein Mensch allein solch eine Dauersitzung nicht durchstehen würde, gibt es insgesamt vier Moderatoren. Jeder einzelne hat sich auf bestimmte Themen wie zum Beispiel Fluglärm oder Schadstoffemission spezialisiert. Verhandelt werden soll an vier Tagen in der Woche. Montags und dienstags sind die Anliegen der Berliner an der Reihe und donnerstags und freitags die der Brandenburger. Mittwochs wird es keine Anhörung geben. Am 31. Mai, einem Donnerstag, wurde demnach mit den Brandenburgern begonnen. Die Berliner sind am 5.6. das erste Mal an der Reihe.

Das Landesamt rechnet zu Beginn mit 5000 Personen, die täglich von acht Uhr an Einlass begehren. „Mehr dürfen aus Gründen des Brandschutzes auch gar nicht hinein”, so Laflör. Es gibt Einlasskontrollen, das heißt jeder betroffene Bewohner muss sich als solcher auch ausweisen können. Wer zu Wort kommen will, hat sich in eine Rednerliste einzutragen. „Zunächst werden wir die Liste auf 15 Personen begrenzen”, erklärt Laflör. „Haben diese Redner ihr Anliegen vorgebracht, öffnen wir die Liste wieder. „Zwischen 10 und 18 Uhr sollen alle Beschwerden erörtert werden. Ob diese Zeiten tatsächlich eingehalten werden, ist fraglich. Laflör: „Die Anhörungen in Wackersdorf gingen häufig bis 23 Uhr.”

Solch eine Mammutveranstaltung ist eine logistische Herausforderung. Stichwort Parkplätze: Laflör hofft, ein 12 000 Quadratmeter großes brachliegendes Gebiet auf der anderen Seite der Spree dafür nutzen zu können. Gespräche mit der dafür verantwortlichen Treuhandliegenschaftsgesellschaft laufen. Er empfiehlt jedoch, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. „Die BVG will verstärkt Straßenbahnen und Busse einsetzen.”

Da die Halle für so viele Menschen nicht zugelassen war, mussten vier neue Notausgänge geschaffen und bereits vorhandene Fluchtwege umgebaut werden. Eine Sicherheitsfirma übernimmt die Bewachung des Gebäudes rund um die Uhr. Transparente sind während der Veranstaltung im Übrigen nicht zugelassen. „Das verstößt gegen die Auflagen des Brandschutzes”, erläutert Laflör.

Um dem Ansturm der Journalisten Herr zu werden, wird ein gesonderter Raum mit 70 Schreibplätzen ausgestattet. Auch die ärztliche und sanitäre Betreuung ist nach den Worten des Chef-Planers gesichert. „Es gibt sogar einen Baby-Wickelraum.” Insgesamt werden während der mehrmonatigen Anhörung etwa 250 Menschen im Einsatz sein. Bleibt die Frage nach den Kosten. Etwa sieben Millionen Mark sind für die Veranstaltung veranschlagt, so Laflör. „Das wird aus dem Landeshaushalt bezahlt und dann von der Flughafen-Gesellschaft als Vorhabensträger zurückgefordert. Für uns ist das eigentlich ein Nullsummenspiel.”

Der aktuelle Stand der Erörterung kann vom 31.Mai an unter 030/55 15 08 88 erfragt oder im Internet eingesehen werden:

www.planfeststellungsverfahren.net

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