Müggelheimer Bote
8. Jahrgang, Ausgabe 09/2001  
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Serie für den Natur- und Gartenfreund

Ein Sommerabend im August.

Endlich sitze ich bei mir am Gartenteich. Es ist Abend und die Hitze des Tages geht langsam in eine angenehm laue Temperatur und in eine friedliche Abendstimmung über. Die Goldfische schnappen noch die letzten Futterbrocken auf, vom gemütlichen Korbstuhl sehe ich ihnen zu. Es duftet intensiv süß von meinen Phloxstauden und eine große Libelle fliegt knisternd über der Wasserfläche.

Ich will darüber nachdenken, welches Gartenproblem ich diesmal ansprechen sollte. Vielleicht den Heckenschnitt, welcher gerade jetzt durchgeführt werden kann? Oder noch ein paar Tips zur Gartenteich Gestaltung, weil ich gerade hier sitze? Oder über die Überwinterung der Goldfische, wenn der Teich nicht tief genug ist?

Ich kann mich nicht entscheiden, blättere in der neuesten Gartenfachzeitung.

Meine Gedanken kehren immer wieder zum heutigen Tag zurück, wieder mal einer, den ich, wie schon so oft, in der Rathenauhalle verbrachte.

Morgens früher aufstehen, damit ich meine Dinge bewältigen kann, Frühstück und dann auf den Weg machen ins Dorf. Freunde, die wie ich das gleiche Ziel haben, nehmen mich mit und an dieser Stelle bedanke ich mich dafür bei ihnen.

Was treibt uns so oft wie möglich, bei diesem Sommerwetter in diese riesige Halle? Ein Grund ist der, dass viel zu wenig Bürger hierher zur Anhörung kommen und wenn wir auch noch zu Hause blieben, wer vertritt dann die Belange, die unsere friedliche Zukunft hier in Müggelheim betreffen? Unser Recht auf gesundes Leben, auf saubere Luft, auf ruhigen Nachtschlaf, ohne Angst vor Flugzeugabstürzen? Wer denkt an die Menschen, die noch viel dichter an dem Flugplatz wohnen und unterstützt sie bei ihren Einwendungen? Wer denkt daran, dass unser Trinkwasser bei einer Havarie gefährdet ist? Wer denkt an die Bäume, welche die Schadstoffe aus der Luft verkraften sollen, aber darunter leiden? Wer denkt an unsere geschützten, besonders wertvollen Landschaftsteile mit ihren kleinen und großen Tieren?

Ich habe mit vielen Bürgern gesprochen, ob sie nicht wenigstens einmal zur Anhörung kommen wollen. Die Antworten sind mir völlig unverständlich, wo es doch um unser Recht geht! Das Fahrgeld wäre zu teuer, es gibt da doch keine Parkplätze, ich bin schon so kränklich oder hm—ich sollte mal da hin gehen.

Was kann man da in der ehemaligen Werkhalle erleben? Das Auf und Ab der Gefühle. Hoffnung und Verzweiflung bei dem Kampf um unsere Zukunft. Jeden Tag neu mit zu erleben, wie andere Menschen ihre Probleme darstellen und wie die Antworten darauf ausfallen. Das Gefühl, in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten eingebunden zu sein.

Lücken in den Aussagen oder Antworten zu erkennen und notieren. Selbst neue Gedanken entwickeln, die eigene Betroffenheit zum Thema darstellen. Dann der Kampf auf die Rednerliste zu kommen und dann vor allen, die Nerven haben, die eigenen Gedanken darzulegen. Konzentration und Kopfarbeit.

Am 14. August kündigte Ferdi Breidbach einen Redner an. Dieser trat an das Mikrofon und wir erlebten alle die Neuigkeit vom geplanten Flughafen in Stendal.

Herr Weis, Verkehrspolitischer Sprecher der SPD, schilderte uns, die wir angespannt zuhörten, einige Fakten.

Südwestlich von Stendal wird der neue Flugplatz liegen (Westlich von Stendal liegt der kleine Ort Bismark, südlich von Stendal der kleine Ort Buchholz).

Zwei Start- und Landebahnen sind zunächst vorgesehen. Zunächst sei er für 20 Mio. Fluggäste geplant, könne aber auf 60 Mio. erweitert werden. Der Nachtfluganteil soll 8-9 % der Tagesflüge betragen. Die geplanten Gesamtkosten würden weit unter denen von Schönefeld liegen. Die Landschaft ist äußerst dünn besiedelt. 4000 Bürger maximal, während es in Schönefeld maximal 200 000 betroffene Bürger wären. Demzufolge werden keine solchen Proteste wie hier in Schönefeld erwartet, im Gegenteil, dieser Flugplatz würde einen großen wirtschaftlichen Aufschwung für die völlig unterentwickelten Länder Sachsen Anhalt und Brandenburg bedeuten, Berlin soll gleichermaßen daran beteiligt sein.

Trinkwasserschutzgebiete und empfindliche Naturräume sind nicht vorhanden. Keine Altlasten. Eine moderne, schnelle Anbindung von und nach Berlin, mit Check In im Zug werden möglich sein, so dass das mehr als einstündige Warten vor dem Besteigen des Flugzeuges entfällt. In 30 bis 40 Minuten ist man vom Zentrum Berlins auf dem Flugplatz bei Stendal. Geplante Bauzeit: vier Jahre.

Das wärs! Kein stadtnaher Millionen verschlingender Moloch, der unser aller Leben gravierend beeinträchtigen würde.

Da es bisher kein weltweites Konzept für Flugplätze gibt, ist es unbedingt an der Zeit, dass man planerisch global konzipiert. Flugplätze so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig, muß es heißen! Weltweit wird weit außerhalb der Städte der Flugplatz angesiedelt (China, Japan, Russland usw.) Schönefeld liegt schon jetzt beinahe in der Stadt und das Umfeld ist zu dicht besiedelt.

Betroffene Gesichter bei den Planern vom Flughafen Schönefeld, verschlossenes Gesicht bei Herrn Leyerle, dem Gesprächsleiter, aber ein auf die Entfernung kaum wahr zu nehmendes Funkeln seiner Augen. Heftiges Klatschen der Zuhörer und mir brachen die Tränen aus. Da wurde mir klar, wie angespannt, mit so geringer Hoffnung auf eine zukunftsträchtige Lösung, wir hier alle kämpfen.

Mein Konzept für den Schutz des Naturschutzes lag vor mir, brauch ich das nun nicht mehr? Die Mittagspause brachte eine gewisse Beruhigung und Ernüchterung.

Noch ist alles offen und der Weg ist noch lang. Aber es wäre ein Weg aus der Ausweglosigkeit, denn wir sind im 21. Jahrhundert und müssen in größeren Räumen denken. Nicht nur von hier bis zum „schönen Feld”, wie seine eigentliche Bezeichnung wäre, sondern weiter, viel weiter — in die Zukunft und global.

Der Tag ist zu Ende gegangen, er war so interessant, aufregend und nun so friedlich. Ich wünsche allen noch viele friedliche Sommerabende, ohne Flugzeuglärm und Angst. MS

Weitere Beiträge aus der Serie für den Natur- und Gartenfreund finden Sie in der Übersicht im Archiv des Müggelheimer Boten!

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