Müggelheimer Bote
11. Jahrgang, Ausgabe 9/2004
September 2004
Müggelheimer Bote

Inhalt
Neue Buslinie für Müggelheim
Hochzeit mit Kanonendonner
Schönefeld: Planfeststellungsbeschluss liegt vor
Laut Planfeststellungsbeschluss kein Nachtflugverbot in Schönefeld
Wertverlust Müggelheimer Grundstücke im Stadtvergleich
Vorsicht am Fußgängerüberweg
200 Jahre Müggelheimer Dorfkirche
Fledermausschreck oder Schreck vor Fledermäusen?
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
Jugendclub Mügge
Aus der BVV
Kleinanzeigen
Heimatverein
Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Müggelheim im Internet
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Müggelheimer Bote
 

200 Jahre Müggelheimer Dorfkirche

Auszüge aus dem Festvortrag von Dr. Herbert Pieper

Am 1. Juni 1747 wurde Müggelheim erstmals urkundlich erwähnt. 20 Kolonistenfamilien aus der Pfalz siedelten sich auf dem Coepenickschen Werder an. Doch nicht die konfessionelle Intoleranz ihres Landesherrn, des Herzogs von Pfalz-Zweibrücken, war Grund für die Auswanderung. Es waren vor allem wirtschaftliche Nöte, Mangel an Verdienstmöglichkeiten und die stete Kriegsgefahr, die den Gedanken zur Auswanderung aufkommen ließen.

Die Gehöfte wurden rhombusartig angesiedelt und bildeten so den noch heute vorhandenen Dorfanger. Doch erst nach dem siebenjährigen Krieg wurde das Ansinnen nach einem Schulgebäude gestellt (1763). Allerdings wurden die Kinder der Einwanderer bereits seit 1749 von Johann Peter Tisch unterrichtet. Er versah sein Amt bis 1809. Das Schulhaus wurde auf der Dorfaue gebaut. Der geräumigste Raum wurde bis zum Jahre 1804 als „Betstube“ benutzt, in welcher die Gemeinde ihren Gottesdienst abhielt.

Erhielt die Müggelheimer Gemeinde auch nicht gleich einen eigenen Pfarrer, so wurde doch von Anfang an für einen regelmäßigen Gottesdienst gesorgt. Auf Befehl König Friedrichs II. wurde er vom Kantor der Schlosskirche Köpenick abgehalten. Er hatte alle 14 Tage in Müggelheim zu predigen.

Als Kantor Falckenheiner am 26. April 1765 starb, wurde auf königlichem Befehl das Dorf Müggelheim der Hof- und Schlossgemeinde in Köpenick als Filialgemeinde angeschlossen. Es wurde festgelegt, dass in jedem Monat einmal Predigtgottesdienst und vier Mal im Jahre die Feier des hl. Abendmahles stattfinden sollten. An den Sonntagen, an denen kein Geistlicher predigte, fanden Lesegottesdienste durch den Küster statt.

Seit 1765 drängte die Gemeinde auf den Bau einer Kirche. Einen Bauplan und eine Kostenrechnung gab es, aber zum Bau selbst kam es noch lange nicht. Der Müggelheimer Chronist Karl Schwarzlose schrieb zum 150jährigen Ortsjubiläum: „Es lag dies nicht am guten Willen der maßgebenden Instanzen, sondern an den schweren Kriegszeiten, in denen allerorten viele Kirchen zerstört oder beschädigt waren, deren Wiederherstellung dringender erschien. Endlich erhielt die Gemeinde durch die gnädige Fürsorge König Friedrich Wilhelms III. das langersehnte Gotteshaus. Es fand inmitten des Dorfes seinen Platz und war ein einfacher, innen sowohl wie außen sehr bescheidener Bau, dessen Fertigstellung aber gleichwohl mit großer Freude begrüßt wurde.“ Der damalige Prediger der Gemeinde, Hofprediger Widekind in Köpenick, weihte die Kirche am 1. Juli 1804 ein und hielt die erste Predigt darin.

Über ein Jahrhundert wurde das Gebäude wohl nicht verändert. Im Jahre 1907 wurde das Innere umgestaltet. Der Innenarchitekt schuf (wie später von einem Bausachverständigen festgestellt wurde) „aus einer friderizianischen, einfachen, barocken Dorfkirche einen reichfarbigen süddeutschen Raum [...], der im Widerspruch zur äußeren Erscheinung“ stand.

Bei der notwendigen Reparatur des Dachstuhls erhielt die Kirche einen Dachreiter, in dem 1911 zwei Bronzeglocken aufgehängt wurden.

Bis dahin besaß die Müggelheimer Kirche nur eine Glocke, die (wie Schwarzlose 1897 vermerkte) „leider einen sehr wenig feierlichen Klang“ hatte. Sie war in einem kleinen, etwa 50 Schritt von der Kirche entfernten Nebenbau angebracht.

Die größere der beiden 1911 aufgehängten Glocken wurde während des Ersten Weltkriegs abgeliefert und eingeschmolzen. Der Wunsch nach Ergänzung des Geläuts wurde schon in den 30er Jahren ausgesprochen. Erst zum Orts-Jubiläum „250 Jahre Müggelheim“ (1997) wurde eine zweite Glocke geweiht, die einzig und allein aufgrund von Spenden zustande kam.

Für das Kirchengebäude waren der Bau des Dachreiters und die Aufhängung der beiden Glocken sowie die Umgestaltung des Innenraumes die bemerkenswertesten Ereignisse in der Zeit bis 1920, als Müggelheim zu Berlin kam.

Die Landgemeinde Müggelheim gehörte von 1815 bis 1920 zum Landkreis Teltow des Regierungsbezirks Potsdam der Provinz Brandenburg.

Mitte der 1880er Jahre hatte Müggelheim 155 Einwohner, davon 151 Evangelische, 4 Katholische. Die Zahl der Gehöfte wurde mit 24 angegeben, die Zahl der viehbesitzenden Haushaltungen mit 28. In Müggelheim gab es 43 Pferde, 113 Rinder, 66 Schweine, 5 Ziegen, 2 Bienenstöcke.

Im Jahre 1896 wurde die 10 km lange Chaussee von Köpenick über Müggelheim nach Fahlenberg fertiggestellt. Müggelheim überwand seine Abgeschlossenheit und Isoliertheit. Die Müggelheimer Bauern erhielten durch die Chausseeverbindung eine bessere Gelegenheit, ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse vor allem in der nahen Land- und Fabrikstadt Köpenick abzusetzen. Sommergäste stellten sich ein. Ausflugsgaststätten wurden eröffnet. Dennoch, am 1. Oktober 1920, wurde Müggelheim als kleinstes Dorf mit nur 210 Einwohnern in Berlin eingemeindet. Doch die Einwohnerzahl stieg rapide: 1925 284 Einwohner, 1932 875 Einwohner, 1938 2525 Einwohner.

Der äußere Zustand der Kirche muss in den dreißiger Jahren schlecht gewesen sein. Es war 1938 der Wunsch der politischen Gemeinde „im Zuge der Bestrebungen um das schöne Dorf“, die Kirche in eine würdigere Erscheinungsform zu bringen. Das Dach war neu mit Ziegeln zu decken, der Außenputz zu erneuern, das Gebäude war von einer großen Menge Strauch und Baumwerk, das sich in unmittelbarer Nähe der Kirche befand, zu befreien, der Dachreiter neu zu gestalten. Schon damals sollten die Arbeiten im Sinne der Denkmalpflege durchgeführt werden. Die Baugenehmigung wurde erteilt. Anfang September 1939 sollte mit den Renovierungsarbeiten „in Kürze begonnen werden“. Doch der ausbrechende Krieg machte dem Projekt einen Strich durch die Rechnung.

In den Jahren 1934 und 1935 finden sich deutliche Hinweise auf die Zugehörigkeit der Gemeinde zur Bekennenden Kirche.

Die Bekennende Kirche war eine im Kampf gegen die sog. „Deutschen Christen” und der Kirchenpolitik in der NS-Zeit entstandene kirchliche Bewegung. (Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, 1945 als Gegner der NS-Diktatur im KZ Flossenbürg ermordet, war Anhänger der Bekennenden Kirche.)

Im Dezember 1934 machte sich der Gemeindekirchenrat den Beschluss der Muttergemeinde Köpenick zu eigen, ‘löst damit die Gemeinde Müggelheim vom deutsch-christlichen Kirchenregiment und schließt sie an die Bekenntnissynode der deutschen evangelischen Kirche an.’ Bis etwa 1940 hatte Pfarrer Heinicke für die Bekennende Kirche Spendengelder gesammelt.

Im Jahre 1935 findet sich im Protokollbuch des Gemeindekirchenrats der Beschluss, dass fortan der Katechismus von Luther benutzt werden soll und sich die Kirchengemeinde statt ‘reformierte’ nun ‘evangelische Kirchengemeinde Müggelheim’ nennen soll. Als Begründung wurde angegeben, dass von den in der Kirchensteuerliste verzeichneten 616 Personen nur noch 70 reformiert sind, die überwiegende Mehrzahl dagegen lutherisch.

Durch einen Vertrag mit dem Bezirksamt Köpenick wurde im April 1936 die Trennung des vereinten Kirchen- und Schulamtes in Berlin-Müggelheim festgelegt. Schon seit Jahren war das gemeinsame Küster- und Schulamt nicht mehr besetzt gewesen. Die Kirchengemeinde erhielt jedoch weiterhin im alten Schulhaus einen Raum zur Nutzung als Gemeindezimmer.

Am 17. Oktober 1937 beschloss der Gemeindekirchenrat, beim evangelischen Konsistorium den Antrag zu stellen, die Kirchengemeinde Müggelheim zur selbstständigen Pfarrgemeinde zu erheben. Als Begründung wurde u.a. angegeben, dass die Bevölkerungszahl ‘seit dem Jahre 1929 von 250 auf annähernd 3000 gewachsen ist und der Zuzug ungemindert anhält. Aus der ehemals geschlossenen kleinen Dorfgemeinde ist eine weit ausgedehnte Siedlergemeinde geworden.’

Zunächst wurde vom Konsistorium dieser Antrag abschlägig beschieden, da damals das Geld für das Pfarrgehalt nicht aufgebracht werden konnte. Auf die nochmalige Bitte im März 1946 teilte der Superintendent mit, dass das Konsistorium beabsichtigte, die lutherische Gemeinde Müggelheim aus der Verbindung mit der reformierten Schlossgemeinde Berlin-Köpenick zu lösen. Seit dem 1. Januar 1947 war die evangelische Gemeinde Müggelheim selbständige Pfarrgemeinde des Kirchenkreises Berlin-Oberspree.

Am 15. Mai 1947 fand die feierliche Einführung des Pfarrers Richard Bartz in sein Amt statt. Am 4. September 1952 übergab er die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Pfarrer Pensky. Ihm folgte ab September 1961 Pfarrer Bernhard Rogge, der 1974 in den Ruhestand ging, aber der Gemeinde weiterhin eng verbunden blieb.

Bis zum Jahre 1977 betreute nun Pfarrer Richter, Superintendent des Kirchenkreises Oberspree, die Müggelheimer Kirchengemeinde. Am 27. Februar 1977 fand zusammen mit der Schmöckwitzer Gemeinde der Einführungsgottesdienst für Pfarrer Siegfried Menthel in der Schmöckwitzer Kirche statt. Er ist bis heute Pfarrer für beide Gemeinden.

Im Zweiten Weltkrieg war das Kirchengebäude, vor allem das Dach und sämtliche Kirchenfenster, beschädigt worden. Doch erst 1951 gab es genügend Material, um die Schäden zu beseitigen. Auch die mit Brettern vernagelten Fenster konnten erst nach einigen Jahren erneuert werden.

Als Anfang September 1950 ein Vertreter der Bauabteilung des Stadtsynodalverbandes die Müggelheimer Kirche besuchte, wurde ‘dem Wunsche Ausdruck gegeben, unsere schmucklose Kirche, durch Bleiverglasung der Kirchenfenster, zu verschönern’. Dem Gast wurde auch gleich ein Kostenvoranschlag und ein Entwurf des Kunstglasers Paul Rotkait mitgegeben. Zu Weihnachten desselben Jahres hatte die Kirche endlich neue Fenster, auf die ‘der Handwerker sehr viel Liebe verwandt hat’ (so Pfarrer Bartz).“

1947/48 hatte bereits der Müggelheimer Tischlermeister Dischleit neue Kirchenbänke mit eingebautem Pfeiler hergestellt. Diese wurden vom Müggelheimer Malermeister Alfred Andrees lackiert.

Anfang 1962 wurde mit dem Ausbau eines Teils der Kirchenempore zu einem Gemeinderaum begonnen. Im Juli 1962 mietete die Gemeinde zusätzlich den Laden am Haus Alt-Müggelheim 5 (heute ‘Fruchtlädchen’) und nutzte ihn ab 1. Oktober als Gemeindebüro und Unterrichtsraum.

Ebenfalls 1962 erhielt die Firma Alexander Schuke, Potsdam, den Auftrag zum Bau einer Orgel für die Müggelheimer Kirche. Ostern 1964 wurde die neue Orgel eingeweiht. Zu ihrem Einbau mussten Seitenbänke ausgebaut werden, so dass heute nur noch auf der nordöstlichen Seite der Kirche Seitenbänke stehen.

Zum 175. Kirchweihfest 1979 wurde die Kirche innen mit neuer Farbgebung (nach den Vorschlägen des Weimarer Architekten Friedrich Rogge und des Weimarer Restaurators Horst Jährling) ausgemalt. Diese Arbeit führte Malermeister Peter Augustinski (Müggelheim) mit großem Einfühlungsvermögen und großer Fachkenntnis aus. Seither hat er die damalige Farbgestaltung mehrfach aufgefrischt.

Die Kirche hat in ihrer Geschichte schon mehreren Zwecken gedient. So war sie in der Zeit der Wende 1988/1989 auch ein Ort für politische Versammlungen. Noch heute finden dort Versammlungen zu unterschiedlichsten Themen statt. Aber auch die sommerlichen Kirchenkonzerte, die in ihrer langjährigen Tradition auf das Engagement des Flötenvirtuosen R. Waage aus Müggelheim zurückgehen. Er hatte 1980 die Idee, zum Weihnachtsfest ein Konzert mit dem renommierten Berliner Barocktrio, in dem er mitwirkte, und der Müggelheimer Sopranistin Ingrid Koprek in der Dorfkirche zu geben. Die Künstler musizierten ohne Gage und die zahlreichen Zuhörer spendeten für ein Hilfsprojekt in Afrika. Damit war die Idee der regelmäßigen Kirchenkonzerte geboren. Am 30. Mai 1981, begann der erste Konzertzyklus - und wird seither jedes Jahr wiederholt. (bearbeitet von sip)