Müggelheimer Bote
12. Jahrgang, Ausgabe 3/2006
März 2006
Müggelheimer Bote

Inhalt
Große Waldputz-Aktion am 1. April
Bilanz eines fast "sibirischen" Winters
Müggelheims Wälder im Wandel
Schönefeld: Das zähe Ringen ...
Schönefeld: Die Stunde der Wahrheit naht
Mannomann, der Hauptmann
Neue Firma will nach Müggelheim
Weitere Meldungen
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Leserbrief
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Heimatverein
Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
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Müggelheimer Bote
 

Das zähe Ringen …

Bericht von Deutschlands größtem Gerichtsverfahren in Leipzig

von Dr. Dietrich Werner, BVBB-Ortsgruppenleiter

Wenn Sie, liebe Müggelheimer MitbürgerInnen, diese Ausgabe Ihres „Boten“ in den Händen halten, ist das Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Großflughafen Schönefeld „Berlin-Brandenburg International“ (BBI) abgeschlossen. Das Gericht will sein Urteil bereits am 16. März verkünden. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Zeilen sind die ursprünglich angesetzten sechs Verhandlungstage beendet, aber der dem Verfahren vorstehende 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes hatte weitere drei Verhandlungstage angeordnet.

Das verwundert nicht, ist es doch der bei weitem größte Prozess, der in der bundesdeutschen Geschichte vor diesem höchsten deutschen Verwaltungsgericht stattfand. Und es ist ein Kampf David gegen Goliath: Wieder einmal kann der vermeintlich hoffnungslos Unterlegene deutlich machen, dass er mitnichten chancenlos ist, wenn er seine Stärken geschickt einsetzt und die Argumente für ihn sprechen. Doch im Gegensatz zum biblischen Kampfesausgang lässt sich momentan leider noch nicht vorhersagen, ob David (sprich: wir) letztlich siegreich sein wird. Das Urteil wird frühestens im März diesen Jahres, mit einiger Sicherheit aber im ersten Halbjahr erwartet.

Doch der Reihe nach. Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 haben knapp 4.000 Bürger aus den Anrainergemeinden Schönefelds (darunter auch zahlreiche Müggelheimer), vier betroffene Gemeinden (Schulzendorf, Eichwalde, Blankenfelde und Großbeeren) und eine Reihe von Verbänden Klage erhoben. Sie alle fühlen sich vom Standort Schönefeld mit planfestgestellten 360.000 Überflügen pro Jahr (und mehr, wenn der Bedarf da ist!) bei uneingeschränktem 24-h-Betrieb in ihrer Existenz oder zumindest in ihrer Lebensqualität massiv bedroht und lehnen ihn ab, zumal hervorragend geeignete Alternativstandorte, vor allem Sperenberg, zu Verfügung stehen.

Der BVBB hat in einer einzigartigen Aktion die Kläger organisatorisch betreut: Die klagenden BVBB-Mitglieder finden sich in der von der renommierten Würzburger Fachanwaltskanzlei Baumann vertretene Klagegemeinschaft wieder, die klagenden Nichtmitglieder erhalten ihren Beistand von der profilierten Berliner Anwaltskanzlei Grawert, Schöning & Partner (aus deren Reihen sich besonders RA Boermann des Falles annimmt), die vier genannten Gemeinden schließlich sicherten sich die Kompetenz des schon aus Zeiten des Anhörungsverfahrens in den Rathenau-Sälen in Oberschöneweide im Jahr 2001 gut bekannten Münchener Anwalts Dr. Siebeck. Das also, im Verein mit den rund 100 ausgewählten Aktivklägern, ist in etwa die Klägerseite im Klageverfahren, aufs Trefflichste von überaus kompetenten Fachbeiständen (z. B. Faulenbach da Costa, Dr. Maschke, Prof. Augustin, Prof. Wendler u. a.) unterstützt. Trotzdem – um im Bild zu bleiben – der David, ganz eindeutig.

Die Beklagte ist die Planfeststellungsbehörde mit der sogenannten Beigeladenen, der Flughafen Berlin Schönefeld GmbH (FBS), als Flughafenbetreiber. Sie werden – wen wundert’s angesichts der immerzu sprudelnden Geldquelle Steuerzahler – ebenfalls von hochkarätigen und sehr eloquenten Anwälten (Prof. Dolde, Dr. Gronefeld u. a.) vertreten. Deren Sachbeistände haben klangvolle Namen (u. a. Prof. Spreng und der sattsam bekannte Prof. Jansen) und sollen für die nötige Fundierung der Festlegungen des Planfeststellungsbeschlusses sorgen. Natürlich auch präsent: Die „üblichen Verdächtigen“, etwa die Herren Brettschneider, Schindler, zumindest am ersten Tag auch Johannsen-Roth und Weyer. Also die geballte Macht – Goliath eben.

Der das Verfahren führende 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes besteht aus fünf Richtern und einer dem gesamten Prozess beiwohnenden Reserverichterin, die im Falle des Ausscheidens eines der etatmäßigen Richter sofort dessen Platz einnehmen könnte. Der Vorsitzende Richter, sozusagen der „Chef im Ring“, ist Dr. Rainer Paetow. Er vermittelt einen sehr sachlichen und zielstrebigen Eindruck und hält die Zügel stets fest in der Hand. Die Richter standen vor der Sisyphus-Aufgabe, im Vorfeld des Prozesses unglaubliche Mengen von Prozessmaterialien auf zig Zehntausenden von Seiten zu lesen und zu erfassen. So sehen sie den Prozess selbst eher als Ergänzung ihres Kenntnisstandes, um ihre Entscheidungen noch besser abwägen zu können.

Schließlich sind noch zwei „Randgruppen“ im Großen Saal des Bundesverwaltungsgerichtes zugegen. Zum einen sind das (in täglich wechselnder Stärke) die den Prozess (nicht immer rühmlich) begleitenden Vertreter der Medien auf der Presseempore, zum anderen Prozess beobachtende Zuschauer. Und dies sind fast ausschließlich und treulich jeden Tag viele Betroffene, vor allem Passivkläger, die weder Mühe noch Zeit scheuen, um ihren solidarischen Beitrag zu leisten. Täglich fährt ein vom BVBB gecharterter, voller Sonderbus früh vom S-Bhf. Grünau über den S-Bhf. Blankenfelde nach Leipzig zum Gericht und abends wieder zurück. Andere reisen mit dem eigenen Auto oder mit der Bahn an, manch einer hat sich in Leipzig Übernachtungen besorgt. Die Kläger zeigen Flagge und verfolgen gebannt den Ablauf des Prozessgeschehens.

Am 7. Februar, um 10 Uhr, eröffnet der Vorsitzende Richter Paetow das „XXL-Verfahren“ um SFX. Es entwickelt sich sehr bald ein zähes Ringen um die besseren, die überzeugenderen Argumente. Drei Wochen lang jeweils dienstags, mittwochs und donnerstags von 9.30 vormittags bis irgendwann nach 18 Uhr abends wird (nach dem Willen des 4. Senats nach Sachgebieten strukturiert) der Planfeststellungsbeschluss auf seine Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit und Ausgewogenheit hin analysiert. Es geht um große Themen, wie Planrechtfertigung, Wirkungen des Landesentwicklungsprogrammes Brandenburg und des LEP FS, Standortwahl, Nachtflugverkehr und Lärmbelastungen, Umweltbelastungen, Vermögenseinbußen durch Wertminderungen und anderes mehr. Schon bald wird deutlich: Unsere Anwälte und Sachbeistände schlagen sich großartig. Das gilt im Detail wie in der Gänze. Die Gegenseite reagiert wortreich, oft aber unkonkret oder fehlerhaft. Immer mal wieder kann sie die im Planfeststellungsbeschluss selbst festgelegten Kenngrößen nicht interpretieren, schwankt unsicher zwischen verschiedenen Lesarten (etwa bei der Frage nach der Definition der Lärmzonen, in denen den Betroffenen passiver Schallschutz gewährt werden soll) und nimmt dann eine „Auszeit“, um die eigenen Reihen wieder auf Kurs zu trimmen. Es ist spannend, manchmal aber auch ein bisschen ermüdend, mitzuerleben, wie über viele Stunden hinweg das „Grundsätzliche“ diskutiert wird, um sich danach wieder (und genauso lang) mit nachgeordneten Themen zu befassen. So habe ich als juristischer Laie empfunden, dass man nach umfassender Erörterung der Themen Planrechtfertigung und Standortabwägung eigentlich den Prozess hätte beenden können, weil alles gegen Schönefeld spricht.

Stattdessen ging es dann tagelang mit zwar zweifellos wichtigen, für mich aber in dieser Argumentationskette „zweitrangigen“ Themen (z. B. Lärmbelastungen) weiter. Deutlich herausgearbeitet wurde von unseren Anwälten die politische Willkür, die hinter der Entscheidung für den Standort Schönefeld steht und die durch keine Sachargumente gedeckt wird. Die ganzen Augenwischereien für die (wenn nicht selbst betroffen mäßig bis uninteressierte) Öffentlichkeit, wie Jobmaschine, größtes Infrastrukturprojekt der Region usw., erweisen sich bei genauerer Betrachtung als Makulatur. Es geht nur um die Befriedigung einer repräsentiersüchtigen „Hauptstadt-Großmäuligkeit“, die wirtschaftlichen Aspekte sprechen eindeutig für einen Standort wie Sperenberg.

Mit Bitterkeit machte Anwalt Dr. Siebeck z. B. auch darauf aufmerksam, dass den vielen Schönefeld-Betroffenen, insbesondere denen, die Anspruch auf passive Lärmschutzmaßnahmen haben sollen, künftig ein Leben in „Akustischer Käfighaltung“ zugemutet werde, denn eine vernünftige Kommunikation im Hausaußenbereich ist dann nicht mehr möglich.

Immer wieder eiskalt lief es mir bei vielen Reaktionen der Beklagtenseite den Rücken herunter. Mit unterkühlter Arroganz wurden die berechtigten Forderungen der Betroffenen nach Erhaltung ihrer Lebensräume abgebügelt, es war deprimierend. Als ob es nicht um Mitbürger ginge …

Bewahren wir uns trotzdem unser Vertrauen in die Unabhängigkeit und Fairness des Gerichtes. Zwar ließ es sich von Anfang an nicht in die Karten sehen, aber es schien doch von den vielen klaren und eindeutigen Argumenten der Klägerseite nicht unbeeindruckt.

Bis zur Verkündigung des Urteils am 16. März gilt der alte Juristenspruch: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gotteshand.“ Möge es ein gnädiger Gott sein!