Müggelheimer Bote
12. Jahrgang, Ausgabe 2/2006
Februar 2006
Müggelheimer Bote

Inhalt
Keiner will den Müggelturm
Johannes Zwingenberger - und sein Geheimnis vom Jungbleiben
Schönefeld: Großer Andrang für Leipzig
Ehrung für Irene Kruschke
Kultur-Wochenende: Staunen, Stimmung, Stil
Immer mehr Schlaganfall-Patienten
Weitere Meldungen
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Aus der BVV
Kleinanzeigen
Heimatverein
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Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Müggelheimer Bote
 

Immer mehr Schlaganfall-Patienten

Risikofaktoren und Gefahrenmerkmale

von MR Dr. Rolf Förster

Müggelheimer sprachen mich in letzter Zeit besorgt an, weil auffallend viele Mitmenschen in ihrer Bekanntschaft an einem Schlaganfall erkrankten. Oftmals waren es Nachbarn, die sie gut kannten, die angeblich immer so gesund waren und plötzlich wie „aus heiterem Himmel“ einen Schlaganfall erlitten hatten.

Aber diese Nachbarn waren eben nicht gesund, hatten zumindest eine Gefäßerkrankung, häufig infolge eines nicht oder nicht ausreichend behandelten hohen Blutdrucks, der oft mit subjektivem Wohlbefinden einhergeht und eines Tages das tragische Ereignis auslöste. Das hat nichts mit der Umwelt in Müggelheim und Umgebung zu tun, denn man rechnet heute – je nach geografischer Einteilung – mit 100 – 700 Schlaganfällen pro 100.000 Menschen im Jahr.

Was ist ein Schlaganfall? (Apoplektischer Insult, Gehirnschlag, Stroke)

Er ist ein Sammeltopf verschiedener Gefäßerkrankungen. Wir unterscheiden

1. die Verminderung oder Unterbrechung der Durchblutung mit flüchtigen Attacken und schneller Rückbildungstendenz der neurologischen Ausfallsymptome und den kompletten Schlaganfall mit neurologischen Ausfällen unterschiedlichen Schweregrades. Er beruht auf einer Thrombose (vollständiger oder teilweiser Gefäßverschluss durch Blutgerinnung) oder einer Embolie (akuter Verschluss durch ein Gerinnsel) eines hirnversorgenden oder eines Hirngefäßes selbst.

2. Die Gehirnblutung meist infolge Massenblutung durch Ruptur (Zerreißen) eines Hirngefäßes mit katastrophenartigem, hochakutem Beginn. Diese Ursache findet sich Gott sei Dank nur bei 12 %. Genug der noch unvollständigen Vorbemerkungen.

Viel wichtiger für uns ist es, die Hauptursachen zu wissen und was wir tun können, um einen Schlaganfall zu vermeiden:

Die Hauptrisikofaktoren sind (übrigens auch für den Herzinfarkt zutreffend):
- hoher Blutdruck
- Rauchen
- Diabetes
- Herzerkrankungen (v.a. schwere Rhythmusstörungen)
- Hoher Blutfettspiegel mit ungünstiger Relation von gutem (HDL) und schlechtem (LDL) Cholesterin
- Bewegungsmangel
- Übergewicht

Die wichtigsten Empfehlungen sind deshalb:

1. Zur wichtigsten Prävention des Schlaganfalls gehört ein „gesunder Lebensstil“ mit mindestens 30 Minuten Sport (Ausdauerbelastungen wie Laufen, Wandern, Radfahren, Skilanglauf, Schwimmen) dreimal pro Woche (hauptsächlich zur Senkung der Risikofaktoren) und einer obst- und gemüsereichen bzw. mediterranen Kost. Gefäßrisikofaktoren (Bluthochdruck, Blutzucker, Fettstoffwechsel) sollten regelmäßig kontrolliert und konsequent behandelt werden!
2. Senkung eines erhöhten Blutdrucks unter 140 / 90 mmHg, bei Diabetikern 130 / 85 mm Hg. Optimal wäre bei Menschen mit mehreren Risikofaktoren ein Blutdruck von 120/80 mmHg. Ferner ist auch hier Ausdauersport und eine kochsalzarme Diät mit vielen Früchten, viel Gemüse (v.a. geschmort in Rapsöl, es ist noch besser als Olivenöl, weil es mehr Omega-3-Fettsäure enthält), Milchprodukten, Geflügel, Fisch und Hülsenfrüchten zu empfehlen.
3. Raucher sollten den Nikotinkonsum einstellen. Man bedenke: 1 Zigarette kostet 11 Minuten Leben. Nebenbei: Wer 20 Jahre lang 20 Zigaretten täglich raucht, hat z.B. auch noch eine 20-fach erhöhte Lungenkrebsgefährdung. Ein besonderes Risiko besteht bei Raucherinnen, die unter echter Migräne und Hypertonie (Bluthochdruck) leiden und die Pille einnehmen. Hormongaben nach der Menopause erhöht das Schlaganfallrisiko. Rauchen verdoppelt das Schlaganfallrisiko!
4. Patienten mit Herzkranzgefäßerkrankungen oder Zustand nach Herzinfarkt und LDL über 100 % sollten mit einem Fettspiegelsenker (Statin) behandelt werden.
5. Bei Diabetikern ist gute Stoffwechseleinstellung mit möglichst normalen Blutzucker-Werten und frühzeitige Insulineinstellung ratsam. Auch bei ihnen ist gute Blutdruckbehandlung und Statingabe wichtig.
6. Patienten mit Vorhofflimmern und begleitenden Gefäßrisikofaktoren (Hypertonie, koronare Herzerkrankungen, Herzinsuffizienz) sollten Blutverdünner erhalten.
7. Die Reduktion der Adipositas (Fettleibigkeit) besitzt einen indirekten Effekt auf das Schlaganfallrisiko durch positive Beeinflussung anderer Risikofaktoren (Hypertonus, Diabetes usw.)
8. Exzessiven Alkoholkonsum meiden

Übrigens Knoblauchpräparate und Arzneimittel, denen eine günstige Beeinflussung auf die Hirnfunktion zugeschrieben werden, sind laut Studienergebnissen zur Prophylaxe des Schlaganfalls nicht wirksam.

Für uns alle nun ist wichtig, das Richtige zu tun bei den unterschiedlichsten Erscheinungsbildern des Schlaganfalls :

Jeder Schlaganfall ist ein Notfall!

Denn, jeweils ein Drittel aller Schlaganfälle führt zum Tod bzw. zu bleibender Invalidität. Jenseits des 60. Lebensalters verdoppelt sich die Anfälligkeit mit jeder Dekade, wobei sich eine positive Familienanamnese risikosteigernd auswirkt und Männer stärker gefährdet sind als Frauen. Wie sich eine Gehirnattacke entwickelt, lässt sich nicht voraussehen.

Bei vielleicht noch relativ unklaren Vorankündigungen, wie plötzlich auftretenden fantastischen Bildern, wobei vielleicht Teile des Raumes auf einen zuzukommen scheinen, Augenflackern, Verschwimmen vor den Augen, Sehstörungen mit Doppelbildern, Gesichtsfeldausfällen, gehört derjenige eben nicht zum Augenarzt, sondern es muss dringend der Rettungsdienst (112) gerufen werden, der ihn unverzüglich ins Krankenhaus bringen sollte, weil dort eine sogenannte STROKE-Abteilung vorhanden ist.

Es ist immer Eile geboten, auch wenn noch keine Sprach- und Wortfindungsstörung, Pelzigkeit des Mundes oder gar Schwäche und Taubheit von Gesicht, Armen oder Beinen und besonders halbseitige Gliedmaßenlähmungen eingetreten sind. Ebenso dulden plötzlicher Schwindel, Koordinationsverlust oder starke Kopfschmerzen unbekannter Ursache keinen Handlungsaufschub. Im Krankenhaus müssen schnellstens diagnostische Untersuchungen, wie z.B. Dopplersonograhpie der hirnversorgenden Gefäße und Notfall-CT des Gehirns erfolgen, denn daraus werden die Weichen für die Therapie gestellt. Eine eventuell notwendige Lyse (Auflösung von Thromben) ist abhängig von dieser Diagnostik und nur innerhalb von drei Stunden erfolgversprechend!

Begleitende Angehörige sollten höflichst auf diesen zügigen Untersuchungen bestehen, um nicht wertvolle Zeit zu verlieren. Nach Abklärung und Therapieausreizungen sollte dann eine frühmöglichste Rehabilitation beginnen!

Wichtig zu wissen ist auch, dass fast die Hälfte aller Schlaganfälle bei Personen auftreten, die bereits einen Schlaganfall oder flüchtige Attacken hinter sich haben. Solche Risikofälle erfordern neben der aggressiven Behandlung der Grundkrankheiten noch zusätzliche Therapiemaßnahmen.