Müggelheimer Bote
14. Jahrgang, Ausgabe 3/2008
März 2008
Müggelheimer Bote

Inhalt
Angergehöft von Verfall bedroht
Mit der Kamera auf du und du
Grundschule bleibt eigenständig
Auch Erstklässler können schon Erfinder sein
Anhörung zum "Nachtflug" vermutlich ab 14. April
Schöne bunte Ostereier
Ehrenamtliche Arbeit stärker gefragt denn je
Alte Fotos und Dokumente gesucht
Ein verlorenes Paradies
Weitere Meldungen
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Aus der BVV
Neues aus Treptow-Köpenick
Kleinanzeigen
Heimatverein
Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
Archiv
Müggelheim im Internet
Impressum
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Müggelheimer Bote





Realisation:
www.lektoria.de
 

Mit der Kamera auf du und du

Schauspieler Werner Tietze filmt Müggelheimer

von Simone Jacobius

Der Kaffee wird kalt. Aber es gibt so viel zu erzählen. Die Hände von Werner Tietze stehen nicht still. Er gestikuliert was das Zeug hält und redet und redet. Über ein Leben, über das es auch viel zu erzählen gibt. Seins.

67 Jahre ist er jetzt alt. Und Schauspieler ist er gewesen – auf der Bühne und im Fernsehen. Inzwischen ist er in seinem wohlverdienten Ruhestand. „Ich wollte damals selbst den günstigsten Zeitpunkt fürs Aufhören bestimmen und nicht, dass die Kollegen über mich reden und sich fragen, wie viel Text ich mir noch merken könnte“, erklärt er. Eine lange Krankheit brachte die endgültige Gewissheit: Es war Zeit aufzuhören.

Im Januar 2002 zog Werner Tietze mit Frau Erika nach Müggelheim. Die Wohnung im Wohnpark Ludwigshöhe ist gemütlich und zeugt überall von den Hobbies des Hausherren. Der Schauspieler malt gerne. Außerdem schnitzt er. Nicht so, wie unsereins das macht, mit einem Taschenmesser auf einem Baumstumpf sitzend. Nein, er hat eine richtige Schnitzwerkstatt im Keller. Dort entstehen kleine Skulpturen von Menschen oder Tieren, aus Holz oder auch aus Speckstein.

Und jetzt hat er noch ein drittes Hobby: das Filmen. „Eigentlich hat er schon sein Leben lang gefilmt, aber nun macht er es intensiver“, erzählt Erika Tietze. Ihr Mann hat sich jetzt aufs Dokumentarfilmen verlegt. Einige Kostproben davon konnten die Besucher des 2. Müggelheimer Kulturwochenendes in Neu-Helgoland genießen. Der Mann, der von der ersten bis zur letzten Minute dort mit seiner Kamera herumrannte, war Werner Tietze. Er hielt das gesamte Kulturwochenende fest. Geplant ist, dass er einen Zusammenschnitt des turbulenten Wochenendes im Dorfklub vorführt. Doch noch ist er beim Schneiden des Rohmaterials – und das dauert.

Eine Autogrammkarte aus seiner Zeit als „Dr. med. Sommer II”

Eigentlich lernte Werner Tietze den Beruf des Industriekaufmanns. In seiner Firma gab es eine Laienspielgruppe, in der er begeistert mitspielte. Er war so voller Begeisterung, dass er sich nach der Ausbildung an der staatlichen Schauspielschule in Berlin-Oberschöneweide bewarb. Im dritten Anlauf klappte es. Nach dem absolvierten Studium fing er an der Theaterbühne in Senftenberg an. Drei Jahre arbeitete er dort, bis er von einem Berliner Regisseur entdeckt wurde. Sein Weg führte ihn ans Deutsche Theater und an die Volksbühne. An der Volksbühne war er fast 23 Jahre engagiert. Unter anderem führte er dort Regie bei Molières Stück „Der Geizige“.

Parallel dazu übernahm er 1970 seine erste Filmrolle: Dr. med. Sommer II. Teilweise liefen bis zu sechs Produktionen gleichzeitig – auf der Bühne und im Film. Sechs verschiedene Texte die gelernt werden mussten, sechs Texte, die bei Bedarf abrufbar sein mussten. „Texte lernen ist gar nicht so schwer und gehört nun mal zu meinem Handwerk. Nur einen musste ich mir richtig rein pauken für ein Ein-Mann-Stück. Ansonsten sind die Texte, wenn man sie in ein bestimmtes Umfeld stellt, immer sofort abrufbar gewesen.“ Schwieriger war‘s allerdings mit einem abgesetzte Stück: einmal abgesetzt, Text weg!

An mehr als 100 Filmen wirkte Tietze mit. Bekannt geworden ist er durch „Polizeiruf 110“, wo er zuerst Leutnant Woltersdorf und später Hauptmann Böhme spielte.

Doch nicht nur Schauspieler ist Werner Tietze gewesen. Er war auch Hochschuldozent und Regisseur. Die letzten Jahre vor seinem Ruhestand arbeitet er als Oberspielleiter am Schleswig Holsteinischen Landestheater (zu dem die Bühnen Schleswig, Rendsburg und Flensburg gehören). Mit seiner Frau lebte er in der Nähe von Rendsburg. Vier Inszenierungen pro Jahr stellte er dort auf die Beine.

Werner Tietze in einer Folge von Polizeiruf 110. Fotos: privat

Mit 60 war er gesundheitlich fertig, kein Wunder bei seinem Arbeitspensum. Ruhestand und Müggelheim warteten. „Wir haben immer in Berlin gelebt und wollten auch im Alter unbedingt wieder zurück“, erzählt Werner Tietze. Doch da sie aus Rendsburg naturverwöhnt waren, sollte es ein grünes Fleckchen sein. „Früher waren wir in Müggelheim öfter zum Zelten. Daran haben wir uns erinnert und hier etwas gesucht“, schmunzelt der Schauspieler. Nun ist das Paar, das bereits auf die Goldene Hochzeit zusteuert, hier sesshaft geworden. Werner Tietze ist seit 2006 Mitglied des Malzirkels im Dorfklub. Das war auch die erste Gruppe die er dokumentarisch auf „Zelluloid“ bannte. Dem Malzirkel folgten Filme über die Keramikerin Martina Robl, den Maler Michael Augustinski, die Künstler Ina und Peter Augustinski und den Sänger Wilfried Smialek. Sie alle werden am 15. April in einer Filmvorführung im Dorfklub zu sehen sein.

Wenn Werner Tietze das heutige Schauspielgeschäft aus der Ferne betrachtet, ist er ganz froh, nicht mehr mitten drin zu stehen. „Es ist ein immer größerer Verfall von Werten zu spüren. Es gibt immer mehr Brutalität, vieles wird verballhornt“, bedauert er. Auch kritisiert er, dass die Männer fast nur noch als „Dödel“ dargestellt werden und die Frauen völlig unweiblich und ohne Charme. „Man kann doch nicht alles kleinmachen, man muss doch auch an die Grundwerte erinnern“, sagt er. In dem Zusammenhang bemängelt er auch, dass Klassiker in der heutigen Zeit fast nur noch in der Gegenwart spielen. Dabei könne man doch auch aus der Vergangenheit Lehren ziehen.

Und während er seinen Gedanken nachhängt, schlürft er seinen kalten Kaffee aus.


Zu seinen Werken:

Auf der Bühne spielte Werner Tietze unter anderem in „Die Räuber“ den Spiegelberg an der Volksbühne und in „Der Tartuffe“ am Deutschen Theater die Hauptrolle des Tartuffe. Letzteres war sein erster großer Bühnenerfolg und zugleich der Einstieg ins große Theaterleben. Seinen größten Erfolg als Regisseur erlebte er mit „Der Geizige“ mit Edzard Haußmann.

Er spielte unter anderem in folgenden Fernsehproduktionen mit: Polizeiruf 110, Liebling Kreuzberg, Der Staatsanwalt hat das Wort, Einzug ins Paradies, Ein Bayer auf Rügen, Tatort, Unser Lehrer Doktor Specht, Mona M. – mit den Waffen einer Frau, Immer wieder Sonntag und Die Rettungsflieger.