Müggelheimer Bote
5. Jahrgang, Ausgabe 06/99  
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Märchen aus dem Müggelwald

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Zuletzt aktualisiert am 24.09.1999

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Märchen aus dem Müggelwald

Das traurige Ende vom Wolf?

Die Kinder liebten ihren Spielkameraden sehr. Gerne nahmen sie ihn mit in den Park, spielten mit einem kleinen Ball oder Stöckchen fangen. Wolf war ganz begeistert und die Freunde von Mäxchen und Biggi auch. Abends waren alle müde, freuten sich aber schon auf den nächsten Tag. So ging es im Winter und im Frühlingsanfang. Wolf war tüchtig gewachsen und ein hübscher junger Schäferhund geworden.
Eines Tages meinte der Vater beim Abendbrot, daß sie ja nun langsam mit den Urlaubsvorbereitungen anfangen müßten. „Ach, daran haben wir ja gar nicht mehr gedacht, das wird bestimmt schön, wenn wir das erste mal mit Wolf zusammen verreisen”, sagten die Kinder. „Da habt ihr euch aber getäuscht”, sagte Vater, „wir fliegen nach Spanien, da kann der Hund nicht mit.” Entsetzt sahen sich die Kinder an. „Dann will ich auch nicht in den Urlaub”, sagte Mäxchen und Biggi fing an zu weinen. „Nun seid einmal vernünftig”, sagte der Vater, „wir sind ja nur 14 Tage weg und für die kurze Zeit werden wir den Hund schon bei irgendwem unterbringen.” „Bei wem denn?” schluchzte Biggi, „selbst Oma wird Wolf nicht nehmen, sie kann ihn ja nicht leiden.” „Macht euch keine Sorgen, ich regle das schon”, sagte Vater.
Traurig gingen die Kinder schlafen. Biggi konnte sich nicht vorstellen, nur einen Tag ohne Wolf zu verbringen und nun sollte es den ganzen Urlaub sein?
Die Zeit verging. Die Mutter besorgte alle Dinge, die sie im Urlaub benötigten, der Vater kümmerte sich um die Flugtickets und die Pflege für Wolf. Am nächsten Tag sollte es nach Spanien gehen. Vater sagte: „Ich bringe jetzt Wolf zu einer Kollegin.”
Mit Streicheln und vielen Tränen verabschiedeten sich die Kinder von ihrem geliebten Wolf. Vater nahm ihn an die Leine, ließ ihn ins Auto springen und fuhr los.
Wie leer war die Wohnung jetzt plötzlich. Kein schneller Schritt von Wolf mehr. Nur die gepackten Koffer standen im Flur.
Der Vater fuhr aus der Stadt hinaus. Immer weiter, bis er in den Müggelwald kam. Kurz vor dem Gosener Kanal kannte er eine alte, kurze Straße. Hier parkten Angler immer ihre Autos. Der Vater fuhr bis ans Ende der Straße und wendete. Er nahm Wolf das Halsband ab, öffnete die Autotür und fröhlich sprang Wolf aus dem Auto. Der Vater ließ den Motor laufen, stieg aus und spielte mit Wolf Stöckchen fangen. Fröhlich sprang Wolf den Stöckchen nach, immer weiter und weiter warf er die Hölzer, dabei ging er immer näher zum Gosener Kanal. Jetzt warf der Vater einen dicken Ast ins Wasser. Wolf wollte schon springen, lief dann stattdessen aber am Ufer hin und her, immer den Ast im Blick. Der Vater lief währenddessen zum Auto zurück und fuhr einfach weg. Wolf stand erschrocken da. Er jaulte und fiepte, war ratlos. Er lief an die Stelle, an der das Auto gestanden hatte, schnüffelte, roch die Spur von Herrchen und lief wieder zum Kanal, wo ein Angler saß. Aber auch hier war Herrchen nicht. Es wurde dunkel und Wolf legte sich an einen Baum, gleich neben den Parkplatz.
Der Vater fuhr unterdessen nach Hause, wo ihn Mäxchen und Biggi fragten ob Wolf denn liebevoll bei der Kollegin behandelt wird. „Aber sicher”, sagte der Vater und wußte. Morgen geht es in den Urlaub, da werden sie ihren Wolf schon vergessen, dachte er.
Ja, und der Urlaub war wirklich aufregend. So viel Neues gab es zu sehen und zu kaufen. Trotzdem dachten die Kinder abends immer an ihren Wolf. Was mag er jetzt wohl machen. Wenn sie das wüßten!
Denn der Hund hatte in der kalten Nacht zitternd und ängstlich hinter dem Baum gelegen. Er hörte das Grunzen einiger Wildschweine und lief in seiner Angst bei Mondschein auf die Straße. Er dachte wohl, daß das Auto seines Herrchens gleich kommen würde um ihn zu holen. Er wollte ihm entgegenlaufen. Immer die Straße entlang, bis er an ein großes Gelände kam, auf dem ein paar Häuser standen. Ob Herrchen hier bei den Menschen ist?
Es war der Waldfriedhof von Müggelheim. Er zwängte sich durch den Zaun, doch er war dort nicht willkommen. Der Friedhofsverwalter rief den Tierfänger an um den streunenden Hund einzufangen. Doch die kamen nicht.
Wolf war verzweifelt. Er hatte Hunger und Durst und war so verwirrt. Er schlappte Wasser aus den Blumenvasen und versteckte sich mit eingekniffenem Schwanz vor den Menschen, die ihn locken wollten. Am nächsten Tag begegnete er dem Förster. Auch der rief den Tierfänger an, bekam aber zu hören, daß die Männer in der Stadt genug zu tun hätten. Also nahm der Förster zwei Dosen Hundefutter und fuhr mit seinem Auto wieder in den Wald. Als er den Hund sah, hielt er an, öffnete eine Dose und legte das Futter auf die Kiefernnadeln. Er hoffte, der Hund würde zu ihm kommen, doch Wolf hatte zu viel Angst. Erst als der Förster sich entfernte, verschlang der Hund das Futter - ließ sich aber nicht locken.
Wolf lief wieder auf die Straße nach Gosen und wartete auf das Auto seines Herrchens. So kam er wieder an den Gosener Kanal. Hier verliert sich seine Spur. Hatte er Glück, daß ihn ein Tierfreund doch zu sich locken konnte, ihm sogar ein neues Heim und Liebe gab? Oder haben ihn böse Menschen gefangen, um mit seinem jungen Hundeleben Geld in einem Tierlabor zu machen? Oder hat sich Wolf, verzweifelt wie er war, in wilde verschwiegene Winkel zurückgezogen um zu trauern und zu sterben? Die beiden Müggelheimer Förster wußten von seinem Schicksal, beide wollten ihm helfen - aber es war nicht möglich.
Als der Urlaub der Familie zu Ende war, merkten die Kinder, daß der Vater sie angelogen hatte. Sie weinten und bettelten, daß sie ihren Wolf doch noch suchen könnten. Auch die Mutter wollte, daß sie mit dem Auto an die Stelle fahren. Schließlich fuhr der Vater mit ihnen an den Gosener Kanal. Die Kinder liefen in den Wald und riefen „Wolf, Wolf!”, aber es war zu lange her. Nur die großen Kiefern rauschten leise. MS

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