Müggelheimer Bote
13. Jahrgang, Ausgabe 02/2007
Februar 2007
Müggelheimer Bote

Inhalt
"Kyrill" und seine Folgen
260 Jahre Müggelheim: Geburtstag soll groß gefeiert werden
Schönefeld: Wie geht es weiter?
Umfrage: Ausbildung vor Ort
Rückblick: Von brennenden Kerzen und schleichenden Blitzen
Werden Wölfe und Co. bei uns wieder heimisch?
Echter Hopfen: Arzneipflanze des Jahres
Weitere Meldungen
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Aus der BVV
Neues aus Treptow-Köpenick
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Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Serie für den Natur- und Gartenfreund

Winterruhe adé!

von Marianne Schäfer

Noch nie haben wir es so deutlich bemerkt, der Winter ist extrem anders. Obwohl einige ewige Zweifler äußern: „ Kalt- und Warmzeiten hat es immer gegeben“. Stimmt, aber so rasant und mit den Prognosen für die Zukunft, da sieht das schon anders aus.

Meterologen, Chemiker und Physiker forschen fieberhaft, erstellen per Rechner Prognosen, suchen nach Möglichkeiten, Schlimmstes abzuwenden. Bisher gibt es keine sichere Aussage zur Klimaentwicklung, da zu viele neue Faktoren eine Rolle spielen könnten. Fakt ist, die Klimaerwärmung kommt, der Anfang ist besonders in diesem Winter zu spüren. In Zukunft wird uns viel Wasser im Winter und Wassermangel im Sommer zu schaffen machen.

Durch die Medien wissen wir: Die Zugvögel zeigen ein verändertes Zugverhalten. Tiere, welche den Winterschlaf brauchen sind noch wach, Kältestarre ist noch nicht möglich. Anderseits steht die natürliche Nahrung nicht zur Verfügung. Folge, die Kondition leidet. Das kann bedeuten, das es zu einer Bestandsreduzierug der Tierarten kommt.

Selbst bei uns Menschen wurden vielfach unerklärliche Unruhe und ungewohnte Schlafstörungen festgestellt. Fehlt uns auch eine Art gemütliche, kuschelige Winterruhe? Ohne Arbeit im Garten und sorgloses Dahinträumen beim Betrachten der tief verschneiten Winterlandschaft?

Tatsächlich konnte ich beinahe jeden Tag etwas im Garten arbeiten. Ziersträucher ausschneiden, die Äste der Haselbüsche reduzieren, mehrmals die Rasenflächen vom Laub befreien, Staudenkraut runter schneiden. Doch dann musste ich schon mächtig aufpassen, weil überall die Frühlingsblüher ihre Spitzen aus der Erde schoben. Ich hörte Kraniche trompeten, Meisen zirpen und zwitschern, Amseln beginnen ihren Reviergesang und einmal kroch eine Schnecke über meinen Weg. Im Garten beginnt das große Blühen. Meine Elfenkrokusse stehen kurz davor ihre Blütenkelche zu öffnen. Die Zaubernuss, die Haselbüsche und der Winterjasmin blühen schon mit ihren gelben Blüten und in der Rasenfläche leuchten prächtige Gänseblümchen.

Und dann der Wahnsinnsorkan Kyrill. Das Keuchen der Bäume, das Krachen und Brechen, der sinntflutartige Regen, das Rauschen und Brausen. Der Tag danach – überall abgebrochene Äste und Zweige, auch umgebrochene Fichten und Kiefern, sowie Straßenbäume. Bedauerlicherweise sind gerade im Bezirk Köpenick die Sturmschäden in den Wäldern besonders gravierend.

Bloß gut das der Boden noch nicht gefroren war. Am Morgen war keine Pfütze mehr zu sehen. Ist das jetzt unsere Zukunft? Ach wie schön war es früher! Diesen Ausspruch haben nur die Alten drauf, ich weiß! Aber ich denke gerne an meine Gärtner-Lehrjahre. Der Winter war knackig, alles dick verschneit und die Gewässer fest zugefroren. In der Gärtnerei waren die Frühbeetkästen doppelt mit Rohrmatten zu gedeckt. In den Gewächshäusern war es hell und warm. Ich liebte es, in den Häusern mit Alpenveilchen, Primeln oder Pantoffelblumen zu gießen. Es roch nach Erde und sehr süß nach den Blüten. Da standen sie auf den Tischen, breiteten ihre gemusterten Blätter aus und schoben die rosa Blütenkränze dem Licht entgegen. Gerade wenn sie so weit waren kam der Meister und stellte die Töpfe in Kisten und ab ging es in die Blumengeschäfte.

Dann mussten wir „Stifte“ bei Sonnenschein in die Kastenquartiere. Schnee von den Matten fegen, Matten aufrollen, Frühbeetfenster abheben und seitlich lagern. In den Kästen standen flache Kisten in denen im Herbst Tulpenzwiebeln gesteckt wurden. Sie waren noch mit einer Schicht Sand bedeckt. Jetzt mussten wir die schweren Kisten rausheben. Die Tulpen hatten schon kräftige Triebe aus den Zwiebeln geschoben. Auf Plattenkarren, wo dann zehn solcher Kisten dicht gelagert waren, schoben wir die Karren durch die Gänge bis in die Gewächshäuser. Die Kisten wurden zunächst unter die Tische gestellt, damit sie im Dunklen lange Triebe schoben. Dann kamen sie auf die Tische und jetzt streckten sie die Blütentriebe der Sonne entgegen. Bald zeigten sie Farbe und entwickelten die schönen, eiförmigen Blüten. Ich erinnere mich an die verschiedenen Sorten: Brilliant war eine kleine rote Sorte, sie wurde besonders für Pflanzschalen verwendet. Elektra, Rose Copland, Lustige Witwe, Alaska, das waren Schnittsorten.

Gerade wenn die ersten Blüten sich entfalten wollten, kam der Meister und schnitt sie ab. Gebündelt kamen sie zum Verkauf in die Geschäfte. Wir Lehrlinge topften im „Verbinder“, das ist ein Gewächshaus von dem ungefähr acht Gewächshäuser abgingen, schon die nächsten kleinen Pflanzen in kleine Töpfe. Mit Karren wurde die speziell gemischte Erde schon am Vortag vom Erdlager zum Erwärmen an die Arbeitstische eingefahren. Die Töpfe mussten auch bereitliegen und dann ging‘s los. Topf mit der rechten Hand halb voll mit Erde mit der linken Hand die kleine Pflanze greifen, Wurzeln in den Topf halten, eine Hand voll Erde rings um die Pflanze platzieren, Mit beiden Händen Erde nachfüllen und mit beiden Daumen und Zeigefingern die Pflanze andrücken, in die Kiste stellen. Die frisch getopften Jungpflanzen kamen in das leer geräumte Gewächshaus und wurden dicht bei dicht auf die Tische gestellt. Hier wuchsen sie zügig. Sie wurden noch einmal umgetopft und in dem 11er Topf entwickelten sie sich zur vollen Endgröße, bildeten die Blütenstiele und zeigten bald ihre dunkelroten Blütenbecher.

Ein ständiger Kreislauf, ein Kommen und Gehen. Ein ständiger Frühling. Es war sehr schwere Arbeit und sicherlich hat die moderne Technik vieles erleichtert. Aber das intensive Erleben vom Samenkorn bis zur blühenden Pflanze ist die Freude des Gärtners. Das Gefühl mit der Erde in der Hand, der süße Duft der Blüten, das unmittelbare Erleben des Lebens ist unvergessen!

Etwas davon erleben wir in unserem Garten. Nun ist doch der Winter eingezogen. Erfroren die frühen Blüten. Bald sind Sturm und Schnee auf den Blüten vergessen und es wird richtiger Frühling. Darauf wollen wir uns freuen!