Müggelheimer Bote
11. Jahrgang, Ausgabe 4/2005
April 2005
Müggelheimer Bote

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„Judentum und Christentum”

Drei Gesprächsabende in Müggelheim

von Siegfried Menthel

In einem Festakt zum Auftakt der diesjährigen „Woche der Brüderlichkeit” am 6. März in Erfurt, wurde dem Berliner Theologieprofessor Dr. Peter von der Osten-Sacken von Innenminister Otto Schily die „Buber-Rosenzweig-Medaille” überreicht. Ausgezeichnet wurde sein jahrzehntelanges Wirken als Direktor des „Instituts für Kirche und Judentum” (Berlin), als theologischer Autor und als Herausgeber und Verleger von Schriften, die dem besseren Verständnis des Judentums dienen.

Schon vor dieser Ehrung hatten wir Müggelheimer die Möglichkeit, ihn an drei Montagabenden als Referenten zu erleben. Unsere diesjährige Seminarreihe stand unter dem Thema „Judentum und Christentum”.

Zunächst war es schon erfreulich, dass dieses Thema in unserem Ort auf großes Interesse stieß - 50 bis 70 Besucher kamen an jedem Abend. Aber dann war es auch eine große Freude, dem Referenten zuzuhören. Locker, kenntnisreich und einfühlsam führte er durch eine lange Geschichte.

Am ersten Abend ging es um die jüdischen Wurzeln des Christentums. Von der Osten-Sacken erzählte anschaulich von Israel als römischer Provinz im 1. Jahrhundert. Er sprach von den Gruppen, die sich in der jüdischen Bevölkerung gebildet hatten.

- die Pharisäer, die auf ein gottbezogenes Leben im Alltag auswaren und sich bemühten, die Erfordernisse des täglichen Lebens mit der Glaubensüberlieferung in Einklang zu bringen.

- die Sadduzäer, die anders als die Pharisäer keine Kleine-Leute-Gruppierung waren, sondern ein Sammelbecken der Oberschicht - sie lehnten u.a. den Glauben an die Auferstehung ab.

- die Zeloten, die sich heimlich bewaffnet und in die Berge verzogen hatten und von dort aus immer wieder kleine, gezielte militärische Angriffe gegen die Besatzungsmacht unternahmen;

- die Oumran-Gemeinde, die aus der Gesellschaft ganz ausgestiegen war und fast ohne Kontakt zur Außenwelt in ihrem Kloster lebte.

Alle diese Gruppen vereinte das Bekenntnis zu dem einen Gott, der mit allen Möglichkeiten zu lieben sei - und der Mitmensch ebenso.

In dieser Umwelt wuchs Jesus von Nazareth auf. Jesus zu verstehen heißt, zunächst zu verstehen, dass er ein Jude war.

Als er nach seiner Taufe durch Johannes mit seiner öffentlichen Wirksamkeit begann, war er in Hinblick auf seine Familie „gewiss nicht ein Sohn, wie Eltern ihn sich wünschen”.

Jesus sammelte Jünger um sich, die mit ihm umherzogen. Drei Charakteristika zeichneten ihn aus.

- Seine Mahlgemeinschaften: unbefangen saß er sowohl mit Deklassierten als auch mit Etablierten am Tisch (Mahlgemeinschaft war nach der ehelichen die intimste Form von Gemeinschaft im damaligen Judentum)

- Seine ärztliche Tätigkeit: schreiende, fremdbestimmte Menschen (in damaliger Sprache: von Dämonen besessen) heilte er.

- Er war ein begnadeter Gleichniserzähler. Seine farbigen Alltagsgeschichten verband alle das selbe Grundmotiv: das Reich Gottes ist schon jetzt unter euch.

Auch mit dieser Botschaft blieb er innerhalb des Judentums.

Zum Konflikt mit den jüdischen Autoritäten kam es in der Frage der Sabbatheiligung. Jesus: Der Sabbat ist für den Menschen gemacht und nicht der Mensch für den Sabbat.

Nachdem Jesus die Händler aus dem Tempel vertrieben und ihre Tische umgestoßen hatte, spitzte sich der Konflikt zu. Er wurde den Römern als politischer Aufrührer überstellt und als solcher von ihnen gekreuzigt. Jesus lebte und starb als Jude.

Der Unterschied zwischen Juden und Christen beginnt beim Glauben und der Verkündigung seiner Auferstehung. Die Mehrheit der Juden hat Jesus als Messias abgelehnt.

Am zweiten Abend führte der Professor seine Zuhörer durch die Geschichte des christlich-jüdischen Verhältnisses. Er begann wiederum bei dem Verbindenden: 100 Jahre lang hatten Juden und Christen die selbe Bibel! Das Alte Testament. „Es gibt kaum schärfere Konflikte als die zwischen Geschwistern um das Erbe.” An diesem allbekannten Phänomen verdeutlichte der Referent, was zwischen Juden und Christen geschehen ist.

Die Judenchristen: Wir müssen die ganze Bibel nun so leben, dass der Messias über uns gekommen ist.

Die Juden. Diesen Ton hören wir nicht. Wir lesen die Bibel so, wie wir es von unseren Vätern gewohnt sind.

Beide Gruppen waren sich sicher: Ihre Auslegung ist die Richtige. Das ist der zentralste Konflikt zwischen Juden und Christen durch die ganze Geschichte. Das ist nicht nur ein theoretischer Streit.

Apostel Paulus widmete dieser Auseinandersetzung ganze drei Kapitel seines Hauptwerkes, dem Römerbrief. Paulus warnte die Heidenchristen vor Überheblichkeit gegenüber den Juden. Mit heißem Herzen bietet er sich selbst als Opfer an für ihre Errettung und kommt zu dem Ergebnis, dass Gott die Erwählung Israels nicht bereuen kann. Gott bleibt Israel treu. Christen schulden den Juden die Würdigung wie Zweige, die auf einen Baum gepfropft werden.

Von dieser wohldurchdachten Besinnung haben sich Christen leider oft entfernt. Das begann schon im neuen Testament. In scharfer Polemik nennt das Johannesevangelium (Kap. 8) die Juden einmal „Kinder des Satans”.

Im Jahr 70 wurde Jerusalem von den Römern in Schutt und Asche gelegt. „Die Hochmutsfalle war die große Versuchung”. Das lief immer wieder etwa so ab: Den Juden ging es schlecht - darin sah man einen Beweis für das Gericht Gottes über sie. Ging es ihnen gut, half man nach, so dass es ihnen wieder schlecht ging.

Es gab Zeiten, in denen Juden und Christen friedlich miteinander lebten, wie beispielsweise in Worms, Mainz und anderen benachbarten Städten vom 9. bis 11. Jahrhundert. Dann rief Papst Urban zum Kreuzzug und die Kreuzfahrer richteten ein fürchterliches Gemetzel unter den jüdischen Gemeinden an.

Drei Verleumdungen wurden gegen Juden immer wieder vorgebracht:

1. Juden schlachten vor Ostern kleine Kinder, um deren Blut in ihr Brot zu mischen.

2. Juden besorgen sich Hostien, um sie zu durchstechen. (Hostien sind die Oblaten fürs Abendmahl)

3. Juden vergiften Brunnen.

Besonders ausführlich ging Prof. v.d. Osten-Sacken an diesem Abend auf Luthers Verhältnis zu den Juden ein. Luther hat seine befreiende Entdeckung, die ihn zum Reformator werden ließ, beim Bedenken des Römerbriefes gemacht.: Gottes Gerechtigkeit ist seine Barmherzigkeit. So kam er auch an die oben erwähnten Kapitel, in denen Paulus das Verhältnis zu den Juden darstellt.

1523 veröffentlichte er seine Schrift: „Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei.” Darin bekennt er: Wir haben die Juden behandelt wie Hunde. Wenn ich ein Jude gewesen wäre, wäre ich lieber eine Sau, statt ein Christ geworden. Er folgerte: „Wir müssen die Juden mit uns arbeiten, wohnen, leben lassen. Sie nicht ausgrenzen, sondern integrieren.” Doch 20 Jahre später schrieb der selbe Luther drei hasserfüllte Pamphlete gegen die Juden. Er hatte zwei negative Erlebniss mit ihnen, die in ihm alle zum Umkippen brachten.

Als Beispiel für christlichen Antisemitismus in der Neuzeit erzählte Prof. v.d. Osten-Sacken vom Domprediger Adolf Stoecker (1835-1909) aus Berlin, dem die Gottlosigkeit der Sozialdemokratie nicht gefiel und der darum eine christliche Arbeiterpartei zu etablieren versuchte. Damit scheiterte er. Daraufhin verfiel er in wüsten Antisemitismus - und bekam Zulauf.

Am Schluss dieses Abends resümierte der Referent: „Der Vernichtungs-Antisemitismus hatte seine eigenen Gesetze. Aber dass er bei uns Fuß fassen konnte, hatte seine Gründe darin, dass die Kirchen an den Juden nichts Liebenswertes gelassen haben. Hier ist unser Anteil. Dazu stehen wir. Das tut uns Leid.”

Der dritte Abend war überschrieben: „Christen und Juden - auf dem Weg zu einem neuen Miteinander.”

Am Anfang las der Referent aus einem Aufsatz des damaligen Londoner Oberrabbiners Albert Friedländer „Als der Bruder Martin das Tintenfass nach mir warf” - ein Beitrag zum Lutherjahr 1983. Das Fait: Von jüdischer Seite wird nur eines erbeten, dass Christen sagen, es tut uns Leid. Und: Wir wollen es anders machen. (Wer diesen wunderbaren Text haben möchte, melde sich bei mir.)

In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg hat es in den Kirchen ein Umdenken gegeben - freilich nicht von allein, sondern durch unablässige Bemühungen von Menschen wie Peter von der Osten-Sacken.

Die theologische Neubesinnung lässt sich so beschreiben: Der Bund Gottes mit Israel ist nicht gekündigt. Gottes Wort ist für beide verlässlich. Für Juden und Christen. Von dieser Grundüberlegung ergibt sich notwendig eine sachgerechte, liebevolle Darstellung des Judentums. Das hat seine Auswirkungen im kirchlichen Unterricht, in der Verkündigung, im Bibelverständnis.

Den Abschluss der Seminarreihe bildete die Vorstellung einer Erklärung von internationalen jüdischen Persönlichkeite aus dem Jahr 2000, in der die Neubesinnung in den Kirchen gewürdigt wird und von jüdischer Seite Gemeinsamkeiten mit den Christen dargestellt werden.

„Getrennt und vereint müssen wir daran arbeiten, unserer Welt Gerechtigkeit und Frieden zu bringen”, heißt es am Schluss, „dabei leitet uns die Vision des Propheten Israels.” (Auch dieses wichtige Erklärung gebe ich auf Anfrage gerne weiter.)


Zum 60. Todestag Dietrich Bonhoeffers

Vortrag der Kirchengemeinde Müggelheim

von Pfarrer Siegfried Menthel

Dietrich Bonhoeffer gehört zu den bekanntesten Theologen des 20. Jahrhunderts. Obwohl er nur 39 Jahre alt wurde, er wurde in den letzten Kriegstagen im KZ Flossenbürg gehängt, haben sein Weg und sein Werk eine Wirkung hinterlassen, die bis heute anhält.

Nur dieses eine Beispiel: Als sich die evangelischen Kirchen in der DDR seit Mitte der 80er Jahre in der internationalen kirchlichen Öffentlichkeit für ein „Konzil des Friedens” einsetzten, nahmen sie einen Gedanken auf, den Dietrich Bonhoeffer als 28-Jähriger 1934 bei einer christlichen Jugendkonferenz in Hinblick auf den drohenden 2. Weltkrieg in einer Bibelarbeit ausgesprochen hat: Die Kirchen sollten ein Konzil einberufen, das „den Frieden Christi ausruft über die rasende Welt“.

Der Vorschlag kam aus den DDR-Kirchen, mündete damals in dem, was dann als „konziliarer Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung“ bekannt geworden ist. In der DDR hat der Impuls bekanntlich zu den ökumenischen Versammlungen 1988/89 in Dresden und Magdeburg geführt, in denen katholische, evangelische - und Freikirchen zu den damals brisantesten gesellschaftlichen Problemen Texte von seltener Eindeutigkeit formulierten. Diese Texte wiederum wurden zu einem wesentlichen Instrument der friedlichen Revolution im Herbst 1989.

Zurück zu Bonhoeffer. Er stammte aus einer großbürgerlichen Berliner Familie. Sein Vater war ein berühmter Psychiater in der Charité. In der Familie gab es Naturwissenschaftler und Juristen, von denen etliche sich aktiv am Widerstand gegen Adolf Hitler beteiligten. Durch sie kam auch Dietrich Bonhoeffer in diesen Kreis. Er war wegen früherer kritischer Äußerungen mit Vorlesungs- und Publikationsverbot belegt worden.

Bonhoeffer arbeitete nach außen hin für den militärischen Geheimdienst des Admiral Canaris - so konnte er für den Widerstand Reisen in andere europäische Länder unternehmen. Durch seine kirchlichen Kontakte konnte er das Ausland von den Plänen Hitler zu beseitigen informieren und einen baldigen Friedensschluss nach gelungenem Putsch vorbereiten. Doch wie auch sein Schwager Hans von Dohnanyi wurde Bonhoeffer schon im April 1943 verhaftet.

Am 21. Juli 1944, als er von dem missglückten Attentat gegen Hitler erfahren hatte, schrieb er dieses Gedicht „Stationen auf dem Wege zur Freiheit”. Die einzelnen Strophen wurden von ihm mit Zucht, Tat, Leiden und Tod überschrieben.

Zucht steht dabei nicht für griesgrämigen Verzicht auf die Schönheiten des Lebens. Bonhoeffer liebte Musik und liebte gutes Essen, war auch ein guter Sportler. Gemeint war die Konzentration auf das Wesentliche, das „Bei-der-Sache-bleiben”. Für einen Christen ist das dass regelmäßige Gebet, ob einem danach zumute ist oder nicht.

Bonhoeffer war ein Mensch der Tat. Er hat sich immer wieder energisch gegen ein nur redendes Christentum gewandt. Er sah Zeiten kommen, in denen nur noch zweierlei Bestand hätte: „Das Beten und das Tun des Gerechten unter den Menschen.” Wir tragen Verantwortung für die Welt in der wir leben und dürfen uns davon nicht abbringen lassen.

In seinem Gedicht „Von guten Mächten”, dass er im Gefängnis für seine Mutter verfasste - zum Geburtstag und als Trost - hat Bonhoeffer geschildert, wie er den Tod sieht: „Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so laß uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns ausweitet, all deiner Kinder hohen Lobgesang.”

Wir können dankbar sein, dass Menschen wie Dietrich Bonhoeffer gelebt haben und bis in die heutige Zeit hinein wirken.


Die evangelischen Kirchengemeinden Schmöckwitz und Müggelheim laden am Samstag, 9. April um 14 Uhr ins Gemeindehaus Alt Schmöckwitz 1 ein. Pfarrer Martin Uhle-Wettler spricht über das „Vermächtnis Dietrich Bonhoeffers für unsere Zeit”. Pfarrer Tasgara Hirpo - früherer Synodenpräsident in Äthiopien - spricht über Gudina Tumsa, den vor 25 Jahren ermordeten Generalsekretär der äthiopischen Mekane Yesus Kirche, der als „der Bonhoeffer Äthiopiens” bezeichnet worden ist. Diese beiden Kurzreferate sollen ein Gespräch über verantwortliches Leben einleiten. Ende: 18 Uhr.

Kirchentermine im April

Gottesdienste
Sonntag, 3.4., 10 Uhr: Gottesdienst - Dr. Horst König
Sonntag, 10.4., 10 Uhr: Taufe und Abendmahlsgottesdienst - Pfarrer Menthel
Sonntag, 17.4., 10 Uhr: Gottesdienst - Pfarrer Iskraut
Sonntag, 24.4., 10 Uhr: Gottesdienst - Pfarrer Fredrich

Gemeindekirchenrat: Dienstag, 5.4., 19.30 Uhr
Treff der älteren Generation: Mittwoch, 6.4., 14 Uhr bei Frau Damm
Konfirmandenkurs B: „Wir stellen uns vor”, 22.-24.4. in Gussow
Junge Gemeinde: montags, 19 Uhr, Kirchstraße 4 in Köpenick (außer in den Ferien)
Umweltkreis: Dienstag, 19.4., 20 Uhr bei Familie König, Darsteiner Weg 38
Bibelgesprächskreis: Dienstag 26.4., 20 Uhr, Kirche Müggelheim
Familienfreizeit: 29.4.-1.5. in Gussow. Anmeldungen schnell bei der Ketechetin Simona Behrend oder Pfarrer Menthel