Müggelheimer Bote
12. Jahrgang, Ausgabe 3/2006
März 2006
Müggelheimer Bote

Inhalt
Große Waldputz-Aktion am 1. April
Bilanz eines fast "sibirischen" Winters
Müggelheims Wälder im Wandel
Schönefeld: Das zähe Ringen ...
Schönefeld: Die Stunde der Wahrheit naht
Mannomann, der Hauptmann
Neue Firma will nach Müggelheim
Weitere Meldungen
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Leserbrief
Kleinanzeigen
Heimatverein
Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Müggelheimer Märchen
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Müggelheimer Bote
 
Geschichten aus dem Müggelwald

Erika und die Haselnuss

ein Müggelheimer Märchen

von Anne Müller

Das Eichhörnchen Erika saß allein und verlassen unter einem Haselbusch. Ihre Pfötchen zitterten in der klaren Herbstluft und der buschige Schwanz hing trüb und matt herunter. Erika hatte seit dem Sommer jenen Haselbusch nicht einen Augenblick aus den Augen verloren, denn an ihm hing die schönste und wohl größte Haselnuss, die ein Eichhörnchen je gesehen hatte. Aufregend glänzte ihre goldbraune Schale in der Morgensonne und Erika seufzte dann vor Entzücken. „So schön bist du. Und du gehörst mir allein . . . mir ganz allein.“ Mehr sprach sie gewöhnlich nicht, denn es wurde kalt um ihre Nase und der Wind pfiff unbarmherzig durch die kargen Äste. All ihre Freunde, ihre Tante Monika und der graue Uwe hatten längst in den warmen Eichenwäldern Unterschlupf gesucht. „Sollen die doch ohne mich in den Eichenwald ziehen, dann hab’ ich meine Haselnuss eben für mich allein . . . ganz allein,“ tröstete sich Erika wenn sie einsam war. Und bald würde die Nuss ausgereift sein und ihr geradewegs in den Schoß fallen. Dann wäre sie das glücklichste Eichhörnchen auf Erden.

Erika stammte aus einem recht vornehmen Eichhorngeschlecht. Ihre Familie besiedelte das Gebiet um den Tennisplatz bis zur Rehborner Str. Delikate Walnussbäume und ausländische Strauchspezialitäten säumten das Territorium. Ihr Vater war bekannt als bester Nussverkoster Müggelheims und ihre Tante Monika hatte sich auf japanische Edelakazien spezialisiert. Doch als der Herbst kam, ließen ihre Angehörigen diese Köstlichkeiten zurück um sich von gesammelten Eicheln in den Wäldern zu ernähren. Igitt. Nein, das würde Erika ihrer Zunge nicht antun, auch wenn es noch so friere.

Anfang November fiel der erste Schnee. Die Nuss hing hoch. Zu hoch für Erika. Ihre Kräfte schwanden. Das Fellchen klebte zerzaust an ihrer Haut und wärmte sie kaum noch. Ihr Körper war schwach aber der Wille blieb ungebrochen. „Meine Nuss . . . meine . . . mir ganz allein“, bibberte Erika und wünschte sich heimlich in den Eichenwald zu ihren Freunden. Dort würde sie nicht frieren müssen aber andererseits könnte sie diese Nuss aufgeben? Alle Eichhörnchen würden sie auslachen wenn sie ohne ihre Haselnuss um Unterschlupf bitten würde. Nein das kam nicht in Frage.

Frostige Tage und bitterkalte Nächte wechselten sich ab. Erika wartete. Und dann kam der Augenblick an dem die Nuss bereit war. Sie fiel an einem milden Dezembertag auf Erikas Schwanz. „Ohh, meine Nuss . . . endlich bist du mein!“ Erika streckte ihre Glieder und setze ihre scharfen Schneidezähne geschickt und elegant an die Schalenoberseite an. Aber was war das? Die Nuss war zu hart. So oft sie ihren Schatz in ihren Pfoten drehte und wendete, die Nuss ließ sich nicht knacken. Was würde der graue Uwe tun, oder die Hartholz-erfahrene Tante? Niemand war hier um ihr zu helfen und Erika war zu müde um Hilfe zu holen. Mit letzten Kräften hobelte sie an ihrer Nuss. Vergebens. Was hatte sie denn falsch gemacht? War sie nicht ihrer Nuss treu geblieben? Undankbares Ding. Warum ließ sie sich nicht knacken? Erika wimmerte verzweifelt und klammerte sich an ihre Nuss.

Noch drei volle Tage blieb Erika bei der Haselnuss, in der Hoffnung sie möge sich öffnen lassen. Dann verließ sie schweren Herzens ihre Hecke und die Nuss und zog in den Eichenwald. Erika wurde nie wieder an der Haselbuschhecke gesehen.