Müggelheimer Bote
13. Jahrgang, Ausgabe 12/2006
Dezember 2006
Müggelheimer Bote

Inhalt
Hausschwamm verzögert Kita-Umbau
Junge Försterin hat Dienst aufgenommen
Tragisches Unglück in Spreewiesen
Überhangliste für drei Kita-Erzieherinnen
Von Netzwerken der Frauen und Flecken der Männer
Das Freilandlabor Kaniswall - immer auf dem neuesten Stand
Weihnachtlich - Buntes zu den Festtagen
Tägliche "Psychohygiene" hält gesund
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Tägliche „Psychohygiene“ hält körperlich und seelisch gesund

Entspannungsverfahren im Test der „Stiftung Warentest“

von Prof. Dr. Hartmut Schröder

In einem alten chinesischen Sprichwort heißt es: „Man kann 100 Jahre ohne Krankheit leben, wenn man nicht eine Sekunde Sorgen hat.“ Aber gibt es ein Leben ohne Sorgen? Oder gehören Sorgen nicht zum ganz normalen Alltag? Wie kann man mit Sorgen umgehen, damit sie einem nicht das Leben schwer machen und schließlich krank werden lassen?

Die Bedeutung von Stress für das Entstehen von psychischen und körperlichen Krankheiten einerseits sowie der Anteil von Entspannung für die Gesunderhaltung andererseits sind heute allgemein bekannt. Durch zahlreiche Studien belegt ist auch, dass es mit Hilfe von Entspannungsverfahren möglich ist, gezielt Stress abzubauen bzw. besser zu bewältigen und so selber etwas für die Gesundheit zu tun. In diesem Zusammenhang ist bisweilen auch von Psychohygiene die Rede, die als eine wichtige und notwendige Ergänzung der Körperhygiene angesehen wird.

Hygiene ist in unserer Kultur nicht nur seit langem eine Selbstverständlichkeit sondern ein Beitrag für die Verhütung von Krankheiten und die allgemeine Gesunderhaltung. Dabei denken wir aber in erster Linie an Körperhygiene bzw. äußerliche Sauberkeit, womit das tägliche Waschen, Zähneputzen etc. gemeint sind. Zu kurz kommt bei dieser Sichtweise von Hygiene die „innere“ Sauberkeit, d.h. Psychohygiene. Dazu gehören Maßnahmen, die der Erhaltung und Förderung der seelischen Gesundheit sowie der Bewältigung von äußerem und innerem Stress dienen. Eine Vernachlässigung der Psychohygiene führt zu Störungen, aus denen sich langfristig ernste psychische und psychosomatische Erkrankungen entwickeln können.

Ein wichtiger Bereich der täglichen Psychohygiene ist die Fähigkeit, neben ausreichendem Schlaf regelmäßig Phasen der Erholung zu haben und Entspannung zu finden. Was aber ist Entspannung? Was sind Entspannungsverfahren? Unter Entspannung versteht man allgemein das Lösen von Spannungen, d.h. einen Wechsel von einer geistigen oder körperlichen Anspannung zur Lösung eben dieser Spannung. Entspannung ist also immer der Gegenpol zur Anspannung und lässt sich subjektiv deutlich spüren (als Wohlbefinden) sowie objektiv messen (als Erschlaffung der Muskulatur, erhöhte Durchblutung sowie Verlangsamung des Atemrhythmus und der Herzfrequenz. Entspannung ist also ein physiologischer Vorgang, der sich auch im EEG als Veränderung der Gehirnwellen beobachten lässt.

Entspannung setzt nun leider nicht mehr oder weniger automatisch nach jeder Phase von Anspannung ein, sondern es ist durchaus möglich, dass Körper und Seele über eine längere Zeit einer Belastung durch Spannung ausgesetzt sind, wenn äußerer Stress und innerer Druck zu groß geworden sind. In solchen Situationen helfen Entspannungsverfahren, worunter Techniken zu verstehen sind, die körperliche bzw. psychische Verspannungen lösen und Anspannungen abbauen. Dabei kann man die verschiedenen zu erlernenden Methoden danach unterscheiden, ob der Zustand der Entspannung eher über körperliche oder eher über geistig mentale Übungen erreicht wird. Zu den körperlichen Methoden gehören Yoga, Qi Gong, Tai Chi und die Progressive Muskelentspannung; zu den mentalen Methoden rechnet man neben der Meditation vor allem das Autogene Training. Darüber hinaus gibt es Verfahren bei denen die Betroffenen auch passiv bleiben können, da ein Therapeut oder ein Gerät den Zustand der Entspannung herbeiführen. Zu diesen Verfahren gehören die Hypnotherapie, die Klangtherapie und das Respiratorische Feedback.

Die Stiftung Warentest hat jüngst in dem ausführlichen Bericht „Die andere Medizin“ auf der Grundlage der evidenzbasierten Medizin die wichtigsten Entspannungsverfahren bewertet und betrachtet deren Wirksamkeit als erwiesen an. Dabei wurden alle verfügbaren Studien durch sogenannte Metaanalysen ausgewertet und überprüft und Empfehlungen für den therapeutischen Einsatz der verschiedenen Methoden gegeben. Durchweg positiv abgeschlossen haben alle oben genannten Entspannungsverfahren, wobei im Folgenden aber nur zwei ausführlicher vorgestellt werden.

Das in Deutschland „bekannteste und am häufigsten zu therapeutischen Zwecken eingesetzte Entspannungsverfahren“ (Stiftung Warentest) ist das Autogene Training. Es führt zur raschen Selbstentspannung und dient der Stressbewältigung im Alltag. Entwickelt wurde es in den 20er Jahren von dem Nervenarzt Johann Heinrich Schultz aus seinen Erfahrungen mit hypnotisierten Patienten. Die Grundtechniken lassen sich in wenigen Sitzungen erlernen, für das tägliche Üben reichen einige Minuten.

Über den Entspannungseffekt hinaus finden sich in Untersuchungen deutliche Nachweise für die Wirksamkeit des Autogenen Trainings zur komplementären Behandlung verschiedener Erkrankungen. Im Urteil der Stiftung Warentest heißt es im Einzelnen: „Die therapeutische Wirksamkeit von autogenem Training als Ergänzung zu einer herkömmlichen Behandlung ist bei den Anwendungsgebieten Angina Pectoris, Asthma, Ekzem, Epilepsie, Fibromyalgie, Glaukom, Kopfschmerzen, milde Depression, neurovegetative Dystonie, Raynaud-Syndrom, Schlafstörungen, Stress, Sudeck-Krankheit und Tinnitus nachgewiesen. Die mit diesen Erkrankungen verbundenen Beschwerden gehen unter autogenem Training zurück.“ Darüber hinaus zählen zu den Indikationen hoher Blutdruck, wobei sogar darauf hingewiesen wird, dass bei einer medikamentösen Behandlung der Blutdruck gut überwacht werden sollte, da es möglich ist, „dass die Dosierung der verwendeten Arzneimittel angepasst werden muss.“

Neben dem Autogenen Training erhält auch Hatha-Yoga eine sehr gute Bewertung von der Stiftung Warentest. Hatha-Yoga ist eine Form des aus Indien stammenden Yogas, die im Westen besonders große Verbreitung gefunden hat und körperliche Haltungen, Atmungstechniken und Meditation miteinander verbindet. Das Konzept des Hatha-Yoga „als Entspannungstechnik und als Training für den Bewegungsapparat, für Koordination und Gleichgewicht“ ist – so die Stiftung Warentest – wissenschaftlich plausibel, die Wirksamkeit wurde durch zahlreiche Studien nachgewiesen. Es reicht aus, täglich zwanzig bis dreißig Minuten zu üben. Therapeutisch eignet sich Yoga zur Normalisierung der Cholesterin- und Blutdruckwerte, Linderung von Rückenschmerzen, bei Asthma sowie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Angesichts der klaren Aussagen der „Stiftung Warentest“ wundert es nicht, dass mitterlweile die Mehrzahl der Krankenkassen Kurse für Autogenes Training und Hatha-Yoga als förderfähige Präventionsmaßnahme einstufen und ihre Versicherten mit einem Zuschuss von bis zu 80 % der Kursgebühr unterstützen.

Kummer und Sorgen gehören in gleicher Weise zu jedem Leben wie Freude und Glück. Und ein gewisser Stress wird uns wohl immer in unserem Alltag begleiten. Daran können auch Entspannungsverfahren nichts ändern. Allerdings können sie uns helfen, besser mit negativen Situationen, Gedanken und Gefühlen umzugehen und somit ernsthafte Erkrankungen zu vermeiden. Gerade darum ist die tägliche Psychohygiene genau so wichtig wie das tägliche Waschen und Zähneputzen. Und so heißt es auch in einem alten chinesischen Sprichwort: „Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupte fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, kannst du verhindern.“

Zum Autor: Prof. Dr. Hartmut Schröder, Lehrstuhl für Linguistische Kommunikations- und Medienforschung, Wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Instituts für Entspannungstechniken und Kommunikation