Müggelheimer Bote
11. Jahrgang, Ausgabe 11/2004
November 2004
Müggelheimer Bote

Inhalt
Großer Flughafen - Große Klagewelle
Erwischt! Polizeidieb stellte Diebe vom Müggelturm
Bilder aus dem Südosten Berlins und anderswo
Willkommen im Freilandlabor Kaniswall
Zuckeräpfel, Märchenwald und Lampionumzug
Arbeit und Vergnügen: Eine erfolgreiche Kombination
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Jugendclub Mügge
Aus der BVV
Kleinanzeigen
Kirche
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Geschichten aus dem Müggelwald
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© 2004
Müggelheimer Bote
 
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Die stillen Tage

Was sind uns unsere Bäume wert?

von Marianne Schäfer

Die prächtig leuchtende Herbstfärbung des Oktobers geht zu Ende. Graues Schmuddelwetter und kühler werdende Temperaturen sind typisch für den November. Die Gartenarbeit ist meistens beendet und wir erholen uns langsam in der warmen Stube.

Der November steht mit seinen christlichen Gedenktagen und dem Volkstrauertag ganz im Zeichen des Erinnerns und der Trauer. Am 14. November ist in diesem Jahr der Volkstrauertag und am letzten Sonntag vor dem 1. Advent gedenkt man traditionell aller Verstorbenen. Im Jahre 1816 hatte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen angeordnet, den letzten Sonntag im Kirchenjahr als allgemeinen Feiertag zur Erinnerung an die Verstorbenen zu begehen, der Totensonntag. Anstelle der vielen regionalen Feiertage in seinem Land entstand damit ein einheitlicher Gedenktag.

Für viele Menschen gehört wenigstens an diesem Tag ein Besuch der Gräber verstorbener Familienangehöriger zur Trauerbewältigung und der Erinnerung. Das traditionelle Abdecken der Gräber vor dem Winter geht von den Hinterbliebenen mit den Gedanken einher, den dort Ruhenden warm und liebevoll zuzudecken.

Friedhöfe sind auch Kulturstätten und die Friedhofskultur ist sehr unterschiedlich. Sie spiegelt nicht nur die verschiedenen Stilrichtungen, sondern auch die örtlich ganz unterschiedliche Art wieder, der Verstorbenen liebevoll zu gedenken. Das ist vom Glauben, der Geologie des Landes, den landesüblichen Traditionen, dem sozialen Stand und den üblichen, auch modernen Materialien in den Ländern abhängig.

Ein Engel auf dem Stahnsdorfer Friedhof. F.: Radke

Eine meiner frühen Kindheitserinnerungen war der Friedhofsbesuch mit meinen Eltern zum Grab meiner Oma. Mein Vater säuberte die kleine Urnenstelle, pflanzte Blumen. Ich durfte da nicht buddeln, weil Oma da drin war. Ich konnte nicht fassen, dass sie da nicht herauskam. Warum? Noch viel schlimmer für mich war ein jahrelang wiederkehrender Albtraum, in dem in einem tiefen Keller versteckte Tote in Nischen an den Wänden waren. Etwa 45 Jahre später begleitete ich meine Freundin, um ihr bei der Grabbepflanzung auf dem Friedhof in Friedenau zu helfen. Anschließend machten wir noch einen Rundgang über den Friedhof. Dabei kamen wir an das Urnenhaus. Zwei Etagen gingen wir eine mittige Wendeltreppe hinunter. Ovale Öffnungen als Lichtschächte befanden sich jeweils auf beiden Seiten in der Decke. An den Wänden waren in mehreren Reihen übereinander kleine Nischen in denen jeweils eine Urne stand. Spontan wusste ich, das ist mein Albtraum! Hier war meine Mutti mit mir als kleinem Kind, um zum Totensonntag ihrem Bruder, dessen Urne in einer der Nischen stand, ein kleines Kränzchen zu bringen. Seitdem hatte ich nie wieder diesen Albtraum. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es für ein Kind ist, zu begreifen was Tod ist. Er ist ja für uns alle unbegreiflich, unabänderlich und so schmerzlich. Ich denke heute geht man offener mit Gefühlen um und der Tod sollte kein Tabu in der Familie sein, sondern richtiger ist, inniger miteinander umzugehen und Freud und Leid gemeinsam zu erleben.

Es gibt Friedhofsordnungen, worin jeweils die übliche Grabgestaltung festgelegt ist. Unser Müggelheimer Friedhof ist ein Waldfriedhof. Die Friedhofsordnung steht an der Tafel, genauso, wie aktuelle Hinweise. Steinplatten, auch Steine und Steinsplitt sind nicht erwünscht. Glasvasen sind aus Sicherheitsgründen nicht zu benutzen und Kunstblumen, zumal in dicken Sträußen, auch nicht. Seit Jahren beobachte ich, dass hier und da kleine Dinge, welche offenbar eng mit den Vorlieben des Verstorbenen in Verbindung zu bringen sind, als Zeichen der Liebe auf das Grab gestellt werden. Eine kleine Katze aus Porzellan, oder ein Vögelchen aus Bronze, auch ein besonders schöner Stein stehen zwischen den Blumen. Ein außergewöhnliches Mitbringsel für den Verstorbenen habe ich auf einem Urnengrab gesehen. Eng an den Stein geschmiegt standen da eine Taschenflasche Weinbrand und eine Zigarette. Manchmal sieht man einen Brief, so hingestellt, dass man ihn lesen kannte. Darin stand die große Trauer über den Verlust des geliebten Menschen. An einem anderen Grab sah ich eine Kinderzeichnung mit einem kurzen Gruß an den lieben Opi. Dieses Kind durfte seine Trauergedanken dem Großvater an dessen letzte Ruhestätte stellen. Wo sonst wäre die richtige Stelle für den Brief? Herzen und Engel sind Zeichen dafür, dass die Liebe der Angehörigen dem Verstorbenen gewiss sein kann. Der Engel, auch Schutzengel wird über ihn wachen.

Eigentlich sollten solche Dinge nach der Friedhofsordnung nicht gestattet sein. Ich finde diese Art, in Liebe an die Verstorbenen zu denken, ist einfach zeitgemäß. Man versteckt seine Gefühle nicht mehr, sondern man zeigt sie. Hier auf dem Friedhof ist die letzte Stelle, die Ruhestätte. Natürlich sollen die Gräber mit Blumen der Saison bepflanzt sein, denn nichts ist trauriger als ein leeres, oder ungepflegtes Grab.

Um dem vorzubeugen, verfügen zunehmend alte Menschen, dass sie anonym bestattet werden wollen. Wenn aber Angehörige da sind, stehen diese im Konflikt. Den Wunsch des Verstorbenen soll man achten, also wird die Urne in dem mit Bodendeckern bepflanzten Feld, der sogenannten „Urnengemeinschaftsanlage“ beigesetzt. Später kann die Stelle nicht mehr identifiziert werden und die Angehörigen stehen ratlos vor der Fläche. Sie möchten doch an der wirklichen Ruhestätte des geliebten Menschen stehen. Sich in Gedanken versenken, in innerliche Verbindung treten, beten. Blumen des Gedenkens hinstellen. Aber sie stehen vor einem Gräberfeld und sie dürfen nur an der Stele ein paar Blumen anonym hinstellen.

Eine sehr hübsche und liebenswerte Geste ist, zu besonderen Anlässen dem Verstorbenen ein Grablicht anzuzünden. Nicht nur zum Totensonntag, sondern eventuell auch zum Geburtstag oder zum Sterbetag. Wenn man das Metallkäppchen nach dem Anzünden wieder fest aufsetzt, kann kein Regen und kein Wind die Flamme auslöschen. Gerade in der trüben Jahreszeit sieht das so tröstlich aus, wenn auf vielen Gräbern ein Lichtlein brennt.

Zwei besondere Friedhöfe in Berlin und Umland möchte ich erwähnen, eventuell zu einem Spaziergang im November. Den Jüdischen Friedhof in Weißensee und den Stahnsdorfer Südwest-Kirchhof.Beide Friedhöfe verdeutlichen jeweils ganz unterschiedliche Kulturen und sind wirklich sehenswert.