Müggelheimer Bote
11. Jahrgang, Ausgabe 6/2005
Juni 2005
Müggelheimer Bote

Inhalt
Amtsschimmel wiehert in Müggelheim
Dickes Dankeschön der Feuerwehr!
Arbeitseinsatz in der Schule sorgt für peppige Farben
Zum 100. Todestag von Curt Grottewitz
BVBB: Weiterhin reges Interesse am Flughafen
Arbeitgeber in Müggelheim: Dienstleistung am Dorfanger
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Gedanken aus Müggelheim
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Müggelheimer Bote
 

Gedanken aus Müggelheim

von Simone Jacobius


Es liegt in der Natur der Dinge, dass man sich häufig Gedanken über das macht, was einen selber angeht. So ist es diesmal auch bei mir. In unserer Familie stand die erste Jugendweihe an. Ein großes Ereignis für die jetzt „jungen Erwachsenen”, der erste Schritt in Richtung Erwachsensein.

Im Vorfeld der großen Feier gab es viele Diskussionen: „Jugendweihe, was ist das denn?”, fragten unsere Freunde aus den alten Bundesländern; „Was, ihr macht Jugendweihe, das ist doch ein Relikt aus DDR-Zeiten, wollt ihr das fortleben lassen?”, fragten uns Berliner aus West und Ost. Doch wir sind schon vorher in die Tiefen des World wide webs getaucht und haben recherchiert, um Zweiflern den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Jugendweihe ist kein „Kind der DDR”. Die Geschichte dieses Weiheaktes geht auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, als der evangelische Pfarrer Eduard Baltzer Zweifel an den offiziellen Ansichten der Kirche artikulierte und sie als veraltet empfand. Der studierte Theologe und Philosoph wurde daraufhin der „Anheizung zu Hass und Verachtung” der Kirche und des Staates bezichtigt und erhielt Berufsverbot. 1847 wurde er in einer freien Gemeinde zum Prediger gewählt und suchte nach Alternativen zur Konfirmation. 1852 führte er die Jugendweihe ein mit dem Ziel, neben den Traditionen vor allem auch die geistigen und sozialen Tendenzen der Zeit zu pflegen.

Ähnliche Entwicklungen gab es auch in der katholischen Kirche. Der Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands vereinigte dann 1859 beide Strömungen ungeachtet der Schranken der Konfessionen. Nur kurz war für viele der Weg vom Protest gegen die offizielle Kirche zum Atheismus. Sie fanden ihre Heimat im 1881 gegründeten Freidenker-Bund - auch Heimat der proletarischen Freidenker, einer Bewegung der Arbeiterklasse. Dieses bunte Durcheinander verschiedenster religiöser, politischer und anti-religiöser Richtungen erweckte den Wunsch nach einem eigenen Initiationsritus für junge Menschen.

1889 erlebte die Jugendweihe ihren eigentlichen Durchbruch, hatte bald eher politischen als religiösen Charakter und bekam immer mehr Zulauf. Die Blütezeit hatte die Jugendweihe in der Weimarer Republik. Im Nationalsozialismus wurde die Jugendweihe verboten, nach dem Krieg lebte sie wieder auf. Bis Mitte der fünfziger Jahre war sie auch in den alten Bundesländern noch stark vertreten. Der Grund für das Abflauen des Interesses wird vor allem auf die Jugendweihe der DDR zurückgeführt. Dort wurde der politisch gesteuerte Akt vor allem zur Einflussnahme auf die Jugend genutzt und in der Regel mit einem politischen Bekenntnis (Gelöbnis) auf den Staat und die Sowjetfreunde gekrönt.

Heute stehen die humanistischen Werte wieder im Vordergrund: Das Recht auf Selbstbestimmung, die Achtung der Würde des Anderen oder auch Gleichberechtigung und Gedankenfreiheit.

Deswegen war für mich und meine Familie klar: Jugendweihe heute hat nichts mit DDR-Nostalgie zu tun. Schade ist nur, dass viele Weihlinge gar nicht an den vorbereitenden Kursen teilnehmen, sei es Lebenskundeunterricht oder Veranstaltungen aus dem umfangreichen Katalog der unterschiedlichen Organisationen. Denn gerade das sehe ich als wichtig an bei der Vermittlung humanistischer Werte auf dem Weg ins Erwachsenenleben.