Müggelheimer Bote
12. Jahrgang, Ausgabe 9/2005
September 2005
Müggelheimer Bote

Inhalt
Soll Lenin wieder auferstehen?
Kultur-Wochenende: Von Klassik bis Hardrock
40 Jahre Müggelheim II
Alles neu macht die Wahl?
Fast das ganze Leben in Müggelheim
Arbeitgeber: Zwölf fleißige Hände im Dienste des Grüns
Viel Engagement zum "Tag des sozialen Engagements"
Weitere Meldungen
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Leserbrief
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Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Serie für den Natur- und Gartenfreund

Ein alter Bauerngarten

von Marianne Schäfer

Vor ein paar Wochen hatte meine Tochter eine Einladung zu einer Freundin, welche bei Leipzig wohnt. „Willst du nicht mitkommen,“ fragte sie mich und ich sagte gerne zu. So fuhren wir an dem Sonnabend los und haben nach einigen Verirrungen in dem Siedlungsgebiet doch das alte Haus, in dem die Freundin wohnte gefunden. Freudige Begrüßung und das typische Geschnatter wenn zwei Freundinnen sich lange nicht gesehen haben.

Für mich ergab sich in den Gesprächen ein Extrabesuch bei einer Nachbarin. Gar nicht weit entfernt, im Rücken eines ehemaligen Gutshauses und im rechten Winkel von einer etwa zwei Meter hohen, roten Ziegelsteinmauer, stand geschützt ein kleines Häuschen. Kleine Fenster mit zarten, weißen Gardinen und grünen Fensterläden. Vorgesetzt war eine Veranda mit großen Fenstern aber vielen kleinen Sprossen und einer alten Tür, welche noch mit geschnitzten Leisten und einer alten Messingklinke versehen war. Hier sollte ich klingeln.

Ich hatte einen Moment Zeit mich um zu sehen. Der kurze Weg zum Haus war mit blühenden Sommerblumen rechts und links bepflanzt. Dicht am Haus blühten hohe Stockrosen von dunkelrot, rosa, gelb und weiß. Teilweise schauten sie in die Fenster hinein. Da wurde schon die Tür geöffnet und eine ältere Frau schaute mich verwundert an. Ich erklärte ihr, dass die junge Frau, welche um die Ecke wohnt, mich zu ihr geschickt hat, weil ich doch unbedingt ihren schönen Garten ansehen soll. Da schmunzelte sie. Sie drehte sich um und schlüpfte in ihre Pantinen.

Die Verandatür stand weit offen und ich konnte einen Blick nach innen werfen. Ein Tisch mit gestickter Tischdecke und ein großer Blumenstrauß darauf. Dahinter das Sofa mit vielen bestickten Kissen und auch der bequeme Sessel hatte ein weiches Kissen, in dem eine Katze schlief. Hellbraune Sisalläufer auf dem Boden. „So, nun können wir“ und damit ging sie mir voran. Sie hielt sich am grünen Geländer fest, um sicher die drei Stufen abwärts zu gehen. Wir gingen zunächst den Weg am Haus entlang. Jetzt, das Häuschen im Rücken, zweigte ein Weg ab. Ich sah, das es ein Wegekreuz ist. Alle vier großen Teile waren mit Buxushecken eingefasst. Die Wege waren breit genug, dass man mit einer Schubkarre oder einem Wägelchen befahren konnte.

In der Mitte stehend nahm ich erst jetzt bewusst wahr, dass zwei Seiten, des etwa 500 m² großen Geländes, mit hellroten Ziegelmauern umgeben waren. Diese sind zum Teil mit Efeu bis oben hin bewachsen. Allein durch diese Einfriedung ergibt sich eine besonders heimelige Atmosphäre. Diese Einfriedung schafft wirklich Frieden. In der Mitte der Efeumauer steht eine Gartenbank und darauf setzt sie sich mit einem leichten Stöhnen und ich setze mich zu ihr. Wir sehen genau auf die Mitte des Wegekreuzes. Die Wege sind nicht mit Steinen oder Platten belegt, sondern der reine Boden ohne ein Unkräutchen. In den vier großen Stücken wachsen so viel unterschiedliche Pflanzen dass es eine Pracht ist. Der Boden scheint etwas lehmhaltig zu sein.

„Das ist meine Welt,“ sagt die Frau und ich sehe ein zufriedenes Lächeln in ihrem Gesicht. „Hier lebe ich seit 1945, meine Heimat war woanders.“ Sie schweigt ein Weilchen, dann fährt sie fort. „Nun bin ich 91 Jahre alt, aber meine Freundin mit der ich hier gemeinsam den Garten bearbeite, die ist erst 90 Jahre alt.“ Donnerwetter denke ich, dass hätte ich nicht gedacht. „Ja“, sagt sie, „wer rastet der rostet. Jeden Tag wird etwas im Garten gearbeitet. Alles machen wir allein und es ist auch immer etwas zu tun.“

Wir sehen auf einen großen Rosenbogen. An jeder Seite ist eine andere Kletterrose gepflanzt. „Wie Schneeweißchen und Rosenrot“, sage ich. „ Das sind die Sorten New Dawn und Paul Charlet Klimber“, sagt sie. Langsam steht sie auf und wir sehen uns die Beete an. Rechts von uns stehen einige Johannisbeersträucher. Dazwischen ist Grünkohl gepflanzt und einige Margeriten und Ringelblumen. Drei hohe Tomatenpflanzen, an Stäben festgebunden, sie haben große Rispen mit dicken Früchten. Links von dem Weg stehen ein paar Stachelbeersträucher, die schon abgeerntet sind. Außerdem stehen hier kleine Reihen Grüne Bohnen. Zwischendurch kräftige Mohnpflanzen, welche in verschiedenen Farben blühen. In dem Beet davor blühen überwiegend unterschiedliche Beetrosen. Es sind alles alte Sorten welche ich aus der DDR-Zeit kenne. Die gelb blühende „Sutters Gold“, die dunkelrote „Grimson Glori“, die leuchtend lachsfarbene „Super Star“ und die gute, alte und bewährte „Gloria Dei“ mit dicken Knospen, welche dann in gelb mit kleinem roten Rand blühen. Es war, als wenn ich gute, alte Bekannte getroffen hätte, ich freute mich, das es die noch gab.

In diesem Beet blühten noch die Marien Glockenblumen und in der Ecke stand eine prächtige Rhabarberstaude. Jetzt schloss sich wieder ein Rosenbogen an. Diese Sorten kannte ich aber nicht. Die Frau schmunzelte und sagte: „Na etwas Modernes muss ich doch auch haben, das ist die Sorte Paul Nöel, welche in warmem Lachsrosa blüht und auf der anderen Seite wächst die sehr stark wüchsige Rambling Rektor, die überreich in Weiß blüht.“ Ich war nachdenklich und dann fragte ich sie. „ Kann es nicht sein, dass es keine modernen Rosensorten sind, sondern im Gegenteil ältere, also historische Rosensorten?“ „Na ja“ sagte sie, „das stimmt schon, aber es ist modern alte Rosensorten zu haben“. Wir mussten beide lachen und ich sagte ihr, wie toll ich es finde, dass sie noch körperlich und geistig so fit ist. Darauf sagte sie: „Wer körperlich aktiv ist, der ist es auch im Kopp“.

Langsam gingen wir weiter, zum letzten vierten Beetteil. Hier standen hohe Staudenastern, welche aber noch nicht blühten. Glockenblumen in Weiß und Blau, ein Tuff Bartnelken und ein paar Rotkohl -und Weißkohlpflanzen. In der Nähe stand ein großer, alter Walnußssbaum. Im Schatten dieses Baumes stand eine weiße Sitzgarnitur, ein schöner Platz für heiße Sommertage. Wir gingen zurück zum Haus. Was für eine Oase der Ruhe und Harmonie. Das kleine Häuschen in diesem blühenden Bauerngarten, einfach entzückend. Ich verabschiedete mich von der netten, freundlichen Frau und wünschte ihr noch ein langes, glückliches Leben in ihrem Paradies.