Müggelheimer Bote
12. Jahrgang, Ausgabe 1/2006
Januar 2006
Müggelheimer Bote

Inhalt
Mehr Wildunfälle auf Müggelheimer Damm
Brummi in Müggelheim
Auf Schnäppchenjagd bei der Holzauktion
Es qualmt in Müggelheim
Zwei- und Vierbeiner auf "Leckerli-Tour"
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Serie für den Natur- und Gartenfreund

Ein Garten in der Heiga

von Marianne Schäfer

Als kleines Mädchen spielte ich mit meiner Schwester vor unserem Grundstück im Sand. So ganz langsam erweiterte sich unser Aktionsradius. Drei Grundstücke weiter lockte uns das blaue Tor. Das waren zwei gemauerte Pfeiler, daran je eine große Blechtür, die hellblau gestrichen waren. Man konnte den hier beginnenden Privatweg, den Hallgarter Steig, verschließen. Das Tor war aber immer offen und dahinter konnte man sich prima verstecken.

Erdarbeiten bei der Urbarmachung der ehemamligen Kies- und Sandgrube in der Haiga, etwa 1934. Die ehemalige Hartwig-Quelle wird verfüllt. Foto: privat

Gleich neben dem Tor stand eine große Holzkiste in der Streusand war. Hier trafen sich oft Kinder zum Spielen. Häufig saßen wir auf der Kiste und hier lernte ich auch meine Freundin Hannelore kennen. Sie wohnte gleich ein Grundstück weiter und der große Garten mit dem hübschen Haus war fremd für mich. Später waren mir die Familie, das Haus und der Garten wie mein zweites zu Hause. Der Garten war vom Gelände her außergewöhnlich. Auffällig war, das es einen oberen und einen unteren Garten gab. Eine Betontreppe mit Geländer verband die beiden Gartenteile.

In der Verlängerung der Gartenfront gab es noch mehrere Gärten, die vom Hallgarter Steig aus, tief hinuntergingen und nur über eine Treppe zu erreichen waren. Die Rückseite der Gärten war wiederum mit einer Böschung, ja sogar mit einem steilen Hang begrenzt. Schon als Kind war mir klar, dass es sehr schwer ist, so einen Garten zu bearbeiten. Meine Freundin hatte feste Aufgaben und dazu gehörte, dass sie regelmäßig von den stufenförmige Terrasse nach unten das Gras zwischen den kleinen Obstbäumen schneiden musste.

Unten im Grund war nämlich ein Areal mit Ställen und der Dreikammer-Kompostanlage. In dem einen Stall lebte die weiße Ziege Lotte, welche im Frühling immer ein kleines Zicklein bekam. Daneben war der Hühnerstall mit mindestens zehn bunten Hühnern und einem prächtigen Hahn. Später schloss noch ein doppelreihiger Kaninchenstall mit etwa 12 Ställen und einem Pultdach, daneben die Eingangstür, das Stallgelände ab. Für die Tiere wurde viel frisches Gras gebraucht, obwohl der Opa Sperling jeden Tag mit der Ziege weiden ging.

Das restliche Land des unteren Gartens war in gleichmäßige Beete aufgeteilt. Hier wurde alles was man an Gemüse selber kultivieren konnte, bis zur Ernte gezogen: Buschbohnen, Tomaten, Salat, Radieschen, Kohlrabi, auch Gurken und Küchenkräuter. Die Bäume auf den stufenförmigen Terrassen waren Schattenmorellen, und kleine Apfel- und Birnbäume. In der Rundung zum Hallgarter Steig waren Johannis- und Stachelbeer-Sträucher gepflanzt.

Der obere Garten war überwiegend der Ziergarten. Vom kleinen, grünen Gartentor ging ein sauberer Betonweg geradeaus, weitete sich zu einer schönen Rundung, führte dann zum Haus und um das Haus herum. In der Mitte war ein Granit-Steinhaufen, aus deren Mitte ein Wasserrohr mit einer S-förmigen Verzweigung ragte. Rings herum war sauber geschnittener Rasen, am Rand zum Weg aber, je nach Jahreszeit, eine bunte Blumenbepflanzung, von Stiefmütterchen über Studentenblumen bis Astern.

Für uns Kinder war es im Sommer eine Freude, wenn Vater Grytzka das Wasser in dem Steinhaufen anstellte. Dann sprühte eine Fontäne in der Mitte und zwei geschwungene Wasserstrahlen drehten sich. Wir tobten auf dem Rasen, besprüht ganz und gar und das Wasser funkelte in der Sonne, ein Regenbogen entstand. Auf dem Eckbeet links stand jahrelang ein wunderschönes Trauer –Rosenbäumchen, lang ließ es seine Zweige, mit den kräftig rosa Blüten hängen. Wie eine Hecke schloss eine Reihe Spalieräpfel die Kante zu den Terrassen nach unten ab.

Hinter dem Haus, das einst ein quadratisches Holzhaus war, befand sich eine ebene Rasenfläche. An den Wochenenden im Sommer wurden die bunten Liegestühle für die Gäste in die Sonne gestellt, aber Vater Grytzka habe ich nie im Liegestuhl gesehen. Angrenzend, zur Grundstücksgrenze, bauschte sich wieder eine Böschung. Sie war mit Steingartenpflanzen bepflanzt und dazwischen hatte meine Freundin ihr erstes eigenes Beet.

Als Kind nimmt man den Garten so zur Kenntnis wie er ist. Erst später habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was die Ursache für die ungewöhnliche Bodensituation ist. Unser schönes Müggelland ist von der letzten Eiszeit geformt. Das schmelzende Eis spülte die Große Krampe aus dem Sand in Richtung Seddinsee. Aus vielen Richtungen suchten die Wassermengen ihre Rinnen. Die Müggelberge blieben so liegen, wie sie das Eis geschoben und gestaucht hatte. Öd und sandig war es rings umher. Stürme und Winde bliesen den Sand hin und her, türmten Dünen auf, bis über 70m hoch.

Es hat ein paar tausend Jahre gebraucht, bis sich das Land begrünt hat und vor über 250 Jahren wurde die „wüste Mark“ durch die Idee des alten „Fritz“ besiedelt. Aus dem Wildwuchs der Bäume entwickelte sich die geregelte Forstwirtschaft und das Land, das nicht den Bauern als Ackerland zugesprochen wurde, war Königlicher-, oder Stadtforst. Dazu gehörten auch die Ufer der Großen Krampe.

1897 kauften einige Kaufleute aus Berlin, aber auch viele Bauern aus Müggelheim ein Stück Land am westlichen Ufer der Großen Krampe, um gemeinsam eine Sandschürfung zu betreiben. Sicherlich haben sie schon eher geschürft, es wurde Sand für den beginnenden Siedlungsbau in Müggelheim benötigt. Durch diese Schürfungen sind die steilen Hänge, die Kehlen entstanden. Mit Loren wurde der Sand zur Schütte geschoben (Die Schütte befand sich etwa auf dem Gelände des Grundstückes Makowski ). Dort waren Lastkähne vertäut. Der Sand wurde zur Mörtelherstellung zum Aufbau Berlins gebraucht (Gründerzeit).

Die Schütte wurde etwa bis 1910 betrieben. Danach wechselte das Gelände mehrmals den Besitzer, es war ein langer Weg, bis endlich am 27. April 1931 die „Heim und Gartengesellschaft, Gemeinnützige Aktiengesellschaft, e.V., zur Schaffung einer Dauerkolonie und Kleingärten zu Berlin“ eingetragen wurde. Es wurde parzelliert und um Kaufinteressenten in den Zeitungen geworben.

Fritz Sperling war ein Käufer. Er wollte mit seiner Tochter Gertrud und deren arbeitslosem Ehemann hier ein Haus bauen. Sie kauften eines der komplizierten Stücke Land. Es begannen unwahrscheinlich schwere Erd- und Planierungsarbeiten. Die Brüder von Paul Grytzka halfen. Mit den noch vorhandenen Schienen und der Lore wurde der Sand zum Verfüllen irgendwelcher Senken gefahren. 1934 begann der Bau des kleinen Holzhauses und 1936 zog die Familie mit der einjährigen Tochter Waltraud ein.

Fortsetzung in der Februar-Ausgabe