Müggelheimer Bote
12. Jahrgang, Ausgabe 7/2006
Juli 2006
Müggelheimer Bote

Inhalt
Freie Fahrt für Radler
Kirche und Kutsche en miniature
Stimmung wie auf der Fanmeile: Weinverkostung kam gut an
Angerfest: Von Dudelsackklängen und "Kinderhändlern"
Anwohner und Vereine wehren sich gegen Paul-Rahn-Straße
Weitere Meldungen
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Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Müggelheimer Bote
 

Kirche und Kutsche en miniature

Modellbauer Hansjürgen Barde hat Großes vor

von Simone Jacobius

Eigentlich sind seine Hände viel zu groß, seine Finger zu breit - eigentlich sieht der ganze Mann zu groß aus. Zumindest für das, was er sich als Hobby gesucht hat. Hansjürgen Barde ist Modellbauer, und was für einer. Wenn seine Finger mal wieder an ihre Grenzen stoßen, greift der 70-Jährige einfach zur Pinzette. Damit schafft er alles - sogar Klingeln an Fahrrädern befestigen - en miniature, versteht sich.

Der Müggelheimer hat erst vor vier Jahren seine Leidenschaft entdeckt. Sein neuester Coup war die Müggelheimer Dorfkirche, die er dem Pfarrer zum Geburtstag schenkte, „naja, eigentlich schon ein vorgezogenes Abschiedsgeschenk, weil er doch 2008 pensioniert wird.“ Allerdings war es nicht einfach nur der Corpus unserer Dorfkirche. Nein, man konnte das Dach abnehmen und fand innen alles detailliert in Miniformat. Von den Bänken über den Altar, das Kruzifix und das Taufbecken bis zur Orgel und der Liedertafel. Es fehlte nichts. Nachträglich schnitzte er noch den Pfarrer in seiner Soutane - und er hat sogar Ähnlichkeit mit dem Original. Für die Altardecke hat Bardes Lebensgefährtin Jutta Künzer ein Spitzentaschentuch geopfert. So manchesmal musste sie schon auf ihren Fundus zurückgreifen, um Materialien für die liebevollen Details zur Verfügung zu stellen.

Wenn ihr Mann sich in den Keller verabschiedet, weiß Jutta Künzer schon Bescheid: Jetzt wird wieder gebaut! Mal ist es nur eine halbe Stunde, manchmal sind es halbe Tage, die er dort an seiner Werkbank verbringt. „Langeweile kenne ich nicht“, sagt er dann auch. Aber wer denkt, Barde sei ein Einsiedler, der sich nur im Keller vergräbt, der täuscht sich. Dreimal die Woche gehen er und seine Partnerin zum Sport, außerdem ist er der Kalfaktor in seiner Wohnanlage an der Odernheimer Straße - sozusagen das „Mädchen für alles“.

Geboren wurde die Liebe zum Modellbau bei einer Rehakur in Lübben. Er begleitete seine Lebensgefährtin in den Spreewald und weil er ja sonst nichts zu tun hatte, nahm er an einigen Arbeitsgruppen teil. Beim Korbflechten entwickelte er solch eine Fingerfertigkeit, dass die anderen Kursteilnehmer ihn für den Gruppenleiter hielten. So baute er zwei Spreewaldkähne nach, flocht ein Fahrrad und baute eine Kutsche - alles aus Peddigrohr-Abfällen der Korbflechter. Noch heute sind einige seiner Werke in der Kurklinik zu sehen.

Mit der Zeit sind Feinarbeit und die Liebe zum Detail immer besser geworden. Auch das Material hat sich verändert. Inzwischen arbeitet er aus Holz und nicht mehr aus Peddigrohr. So hat er schon Beeskows Hochzeitskutsche nachgestaltet und auch den Jagdwagen. Sogar eine funktionsfähige Bremsanlage hat die Kutsche. Für das Pferdegeschirr mussten mal wieder Sachen seiner Lebensgefährtin herhalten: alte Nappahandschuhe. Aus einer Perücke wurde die Pferdemähne gestaltet, eine Babypuppe wurde zum Kutscher umfunktioniert mit handgeschnitzter Pfeife.

Nach der Kirche wartet jetzt schon der nächste große Auftrag auf ihn. Der Heimatverein hat Barde gebeten, den Dorfanger maßstabsgetreu nachzubauen - mit Dorfklub, Kirche und Gehöften. „Zur 260-Jahr-Feier im nächsten Jahr soll das 2-Meter-Modell fertig sein“, sagt er und hat schon angefangen Zeichnungen zu erstellen. Denn wenn er eine Idee hat, nimmt er sie gleich in Angriff, entweder gleich oder gar nicht ist seine Devise. Und Jutta Künzer weiß jetzt schon: Dann wird ihr Hansjürgen häufig in den Keller flitzen. Die wichtigsten Werkzeuge wie das Laubsägeset und die Schnitzgarnitur warten schon auf ihn.