Müggelheimer Bote
13. Jahrgang, Ausgabe 12/2006
Dezember 2006
Müggelheimer Bote

Inhalt
Hausschwamm verzögert Kita-Umbau
Junge Försterin hat Dienst aufgenommen
Tragisches Unglück in Spreewiesen
Überhangliste für drei Kita-Erzieherinnen
Von Netzwerken der Frauen und Flecken der Männer
Das Freilandlabor Kaniswall - immer auf dem neuesten Stand
Weihnachtlich - Buntes zu den Festtagen
Tägliche "Psychohygiene" hält gesund
Weitere Meldungen
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Kommentar
Aus der BVV
Kleinanzeigen
Heimatverein
Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Müggelheim im Internet
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Müggelheimer Bote





Realisation:
www.lektoria.de
 
Serie für den Natur- und Gartenfreund

Weihnachten vor 60 Jahren

von Marianne Schäfer

Unglaublich, wie die Zeit vergangen ist! Immerhin der Krieg war vorbei. Keine Sirene heulte uns nachts aus dem Schlaf. Wir mussten nicht mehr in den Bunker hasten. Die schwarzen Rollos sind schon lange von den Fenstern genommen und die Plakate mit dem schwarzen Mann, „PST, der Feind hört mit!“ gibt es nicht mehr.Der Zweite Weltkrieg war vorbei.

Der Winter 1946 begann früh und mit viel Schnee. Hunger, Kälte und unzureichende Kleidung machten uns allen sehr zu schaffen. In vielen Familien war der Vater nicht, oder noch nicht, aus dem Krieg zurück gekommen. Die Frauen mussten mit ihren Kindern und den Problemen allein fertig werden. Viele Müggelheimer hatten durch Bomben ihre Wohnung in der Stadt verloren. Sie waren, wenn sie ein Sommerhäuschen in Müggelheim hatten, hier her gezogen. Ein Dach über dem Kopf zu haben war schon viel wert.

In den Jahren 1943 und 1944 wurden in Müggelheim mehrere Behelfsheim-Siedlungen gebaut. Es waren zwei verschiedene Arten: Holzfertigteil-Behelfsheim mit Pultdach und Mauerstein-Häuser mit Satteldach. Letztere wurden von politischen Häftlingen des Müggelheimer Außenlagers gebaut.

Die Einwohnerzahl hatte sich von 1937 bis 1947 beinahe verdoppelt, auf 4209 Personen. Es gab, wie schon im Krieg, immer noch Lebensmittelkarten. Rationiert waren: Fett, Fleisch, Zucker, Mehl, Brot und Tabak. Es gab unterschiedliche Karten: Für Schwerarbeiter, für Arbeiter und Frauen. Für Kranke gab es Zusatzkarten. Außerdem gab es Kohlenkarten und Bezugscheine für Textilien und Schuhe. Die erste Lebensmittelkarte für Müggelheim druckte die Druckerei Arnoldi am Krampenburger Weg.

Wir hatten ständig Hunger. Die zugeteilten Lebensmittel waren eine Minimalversorgung. Jeder Gartenbesitzer nutzte sein Land um Obst und Gemüse anzubauen. Und wer die Möglichkeit hatte, Haustiere zu halten, kam schon viel besser über die Runden. 1946 gab es auch noch Stromsperren. Meistens abends saßen wir im Dunklen bei Kerzenschein. Manchmal fiel auch am Tage der Strom aus.

Schon im Sommer hatten die meisten Bürger für einen gewissen Holzvorrat gesorgt. Wir Kinder sammelten kleine Äste und Kienäppel. Die Männer buddelten Stubben im Wald. Beide Forstreviere waren zum Kriegsende ohne Revierförster. Walter Reinhold wurde kommissarisch eingesetzt, er kümmerte sich um Verwaltungsarbeit und gab die Anleitung zur Beseitigung von Laufgräben und Maschinengewehr-Nestern und Flackstellungen. Diese mussten von Frauenkolonnen beseitigt werden. Von Männern wurden Munition und Waffen gesammelt und zur Sprengung gebracht. Die Holzdiebstähle hatten so stark zugenommen, dass Waldstreifen ständig unterwegs waren. Schon im September 1945 hatten wir in der Müggelheimer Försterei wieder einen Förster.

Einige fähige Müggelheimer kümmerten sich um allgemeine Belange. So trafen sich seit Mitte November ein paar Kinder nach dem Schulunterricht zur Christenlehre. Ich erinnere mich an die nette Schwester Elisabeth, welche immer ein hübsches, zartes Spitzenhäubchen aufhatte und noch zwei Frauen. Wir gingen dann in die Kirche und übten für das Krippenspiel zum Heiligabend. Wir lernten Texte, besprachen die Kostüme und übten die Auftritte. Ich sollte das Wiegenlied der Maria singen. Wir freuten uns auf Weihnachten.

Wir durften noch nicht auf das Eis, obwohl die Große Krampe schon zu gefroren war. Dafür gingen wir aber nachmittags mit unserem Schlitten in der Tabbertschen Siedlung rodeln. Der Rinntaler Steig war wunderbar glatt und hatte zwei Kurven. „Bahne, Bahne“, brüllten wir und sausten manchmal mit zwei zusammen gebundenen Schlitten den Berg hinunter. Die andere Bahn war gleich daneben, der Steilhang. Die Bahn war wirklich steil aber sehr kurz. Hier tobten wir mit großer Begeisterung bis zur Dunkelheit.

Zu Hause angekommen erstmal die nassen Schuhe ausziehen und mit Zeitungspapier ausstopfen und an den Ofen stellen. Wir hatten nur eine Stube und einen kleinen Allesbrenner-Ofen, einen Tisch und eine Eckbank, worauf wir drei Kinder saßen. Wir hatten Glück, dass unser Papa schon im September aus dem Krieg zurück gekommen ist. Er wurde zum Volkssturm eingezogen, kam in Gefangenschaft und ist dreimal ausgekniffen. Zu Fuß ist er durch ganz Deutschland nach Hause gelaufen. Er war so dünn, dass ich ihn nicht mehr erkannt habe.

Die ganze Adventszeit war unsere kleine Stube mit kleinen Tannenzweigen geschmückt. Silbernes Lametta hing zart über den Tannennadeln und auf dem Tisch hatten wir, wie jedes Jahr, einen schönen Adventskranz, welcher an einem Sternhalter mit roten Schleifen hing. Jeden Sonntag wurde eine Kerze mehr angezündet, bis alle Kerzen brannten. Nun kommt Weihnachten, freuten wir uns.

Mutti hatte alle Backzutaten für den Weihnachtskuchen gesammelt und Papa hatte schon einen ganz kleinen Weihnachtsbaum besorgt. Meine Schwester und ich halfen beim Kuchenrühren und es wurde auch genascht dabei. Dann musste ich den großen Napfkuchen zum Bäcker bringen. Die Bäckerfrau riss einen Streifen von der Nummernrolle ab, riß ihn in der Mitte durch. Einen Abschnitt drückte sie in den Teig, den anderen bekam ich. „Kannste in drei Stunden abholen“ sagte sie und ich konnte dann noch mal den Berg rauf und runter laufen.

Am nächsten Tag war Papa nicht da. Er kam erst ganz spät und Mutti sagte mir: „Papa hamstert“. Ich habe abends von allen Kerzenstummeln das Wachs abgeschnitten und in einer Kleinen Blechdose geschmolzen. Zuvor hatte ich aus Zwirnfäden einen kleinen Zopf geflochten. Am Ende kam ein Knopf angeknotet. Den Zopf mit einem Stäbchen über der kleinen Blechdose befestigt, wurde dann das flüssige Wachs eingegossen. Fertig war mein „Dauerbrenner“, damit, wenn Stromsperre kommt, meine Schwester und ich ein Licht in unseren Dachstübchen hatten.

Am nächsten Tag war Heiligabend. Ich war so aufgeregt, Ob es in der Kirche gut geht? Und was werden wir zu Weihnachten bekommen? Papa war wieder da. Er hatte allerlei zu essen mitgebracht und das Größte war ein ganz dickes Huhn. Mutti kochte eine schöne Hühnerklein Suppe. Dann zogen wir uns alle fein an und gingen in die Kirche. In der Kirche war es kalt. Eine schöne Kiefer war mit weißen Kerzen geschmückt und eine kleine Krippe aus Holz geschnitzt, stand davor. Die Glocke läutete und immer mehr Menschen kamen in die Kirche. Dann begann der Gottesdienst. Alle sangen und Pfarrer Bartz kündigte das Krippenspiel an. Maria, Josef und die Krippe mit einer Babypuppe waren schon als Gruppe vor dem Altar und nun musste ich in der Sakristei stehend mein Lied singen: „ Auf dem Berge da wehet der Wind, da wiegt die Maria ihr Kind. Sie wiegt es mit ihrer zarten Hand, sie hat ja dazu kein Wiegenband. Ach Josef, liebster Josef mein, so hilf mir doch wiegen mein Kindelein. Wie soll ich dir dein Kindlein wiegen, ich kann ja kaum selber die Finger biegen. Schumschei, schumschei.“

Es war mir gelungen. Klar und sauber kamen die Töne über meine Lippen. Ich war erstaunt, wie die Töne sich in der Kirche anhörten. Das Krippenspiel ging weiter mit den Sternen und den Hirten. Der Pfarrer las die Weihnachtsgeschichte und alle sangen „Stille Nacht, heilige Nacht“ Ich war so erfüllt von der Weihnachtsstimmung, von den Menschen die alle lächelten und sich gegenseitig ein friedliches Weihnachtsfest wünschten.

In der Kirche war es warm. Jetzt draußen war es bitter kalt. Die Sterne glitzerten und der Schnee knirschte unter den Schritten. Zu Hause wurden die Kerzen unseres kleinen Bäumchens angezündet und wir drei Kinder konnten es kaum erwarten, denn auf dem Tischchen in der Ecke lagen ein paar Pakete. Jedes von uns Kindern musste ein Gedicht aufsagen und dann durften wir uns ein bestimmtes Paket nehmen. Mein kleiner Bruder bekam ein Auto und einen kleinen Anzug aus einer Uniformhose genäht und dazu eine hellblaue Wollmütze. Meine Schwester bekam ein Winterkleid und ein paar Schlittschuhe zum Anschnallen. Ich bekam ein Buch: „Nesthäckchen und ihre Puppen“ und ein Paar Halbschuhe von meiner Nachbarin Helga. Sie waren aber blank geputzt und die Hacken frisch besohlt. Meine Schuhe bekam dann meine Schwester, da sie mir zu klein geworden waren.

Ich wünsche allen eine frohe Adventszeit und ein friedliches Weihnachtsfest!