Müggelheimer Bote
15. Jahrgang, Ausgabe 9/2008
September 2008
Müggelheimer Bote

Inhalt
Straßenumbenennungen in vollem Gange
Jugendfeuerwehr auf großer Tour
15 Jahre Lokale Agenda 21
Vor 50 Jahren ging Müggelturm in Flammen auf
Hundebesitzer aufgepasst: Staupe in Müggelheims Wäldern
Waldbestände schützen!
Weitere Meldungen
NEU: MehrWert für Müggelheim
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Neues aus Treptow-Köpenick
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Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Müggelheim im Internet
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Serie für den Natur- und Gartenfreund

Die nette Kräuterhexe

von Marianne Schäfer

Vor einiger Zeit sagte mir jemand: „Diesen Garten musst du dir ansehen.“ Also habe ich mich quer durch Berlin auf den Weg gemacht. Dann stand ich vor dem Gartentor und klingelte. Eine nette Frau in einem bequemen Leinenkleid kam den langen Gartenweg zu mir ans Gartentor. „Ich freue mich immer, wenn jemand kommt,“ sagte sie. Sicherlich weil ich zweifelnd und unsicher hinter dem Tor stand. Freundlich lud sie mich ein, den Kräutergarten anzusehen.

Eigentlich war es ein normaler Garten. Das Haus lag ziemlich weit hinten und zu ihm führte der Blumen gesäumte, breite Gartenweg. Während wir langsam den zentralen Weg hinunter gingen, erzählte sie, das sie schon immer ein Faible für Kräuter hatte. „Hier in diesem Garten konnte ich mir meinen Traum erfüllen. Er sollte ein bißchen wie ein Klostergarten sein. In der frühen Menschheitsgeschichte begannen die Frauen Pflanzen zu sammeln. Man nutzte also Wildpflanzen. Als sie sesshaft wurden, begann der Pflanzenanbau und dieser wurde durch Auslese verbessert. Wildpflanzen wurden zu Kulturpflanzen. Durch die Völkerwanderung, Handel, Kriege und Eroberungen wurden Pflanzen getauscht und erworben. Der Orient war eine der ersten Quellen. Auch die Römer brachten viele Pflanzen mit. Später kamen durch Columbus, durch die Portugiesen, Spanier, Engländer und Franzosen immer mehr neue Pflanzen nach Europa.“

Ich kam gar nicht dazu Fragen zu stellen. Munter erzählte sie, dass es damals in einem Klostergarten alle Pflanzen gab, die zum Leben, also zur Selbstversorgung der Mönche wichtig waren. Das gesamte Land dazu war mit einer Mauer eingefriedet, daher gab es keine Erweiterungsmöglichkeit. Von Anfang an waren die Klostergärten gevierteilt, in Kreuzform. Ein Teil war mit Obstbäumen angelegt, ein anderer Teil für Gemüseanbau. Ein weiterer für die Heil- und Arzneipflanzen und der vierte Teil für Gewürzkräuter. Alles schön ordentlich mit Naturmaterialien eingefasst (Steine oder Äste). Es ist aber kein mittelalterlicher Garten erhalten. Nur durch Aufzeichnungen, aus der späteren Barockzeit, weiß man heute noch, wie sie gestaltet waren und welche Pflanzen sie damals, im Zeitraum vom 8. bis zum 15. Jahrhundert kannten.

Der heutige Trend, das Alte von Früher wieder zu aktivieren, liegt wohl dem Gedanken zu Grunde, eine heile Welt aufzubauen, weg von der Chemie, weg von den Farb- und Geschmacksverstärkern, weg von chemisch gedoptem Tierfleisch. Gesund will man die Kinder aufwachsen sehen. Ich sehe die engagierte Gärtnerin an. Sie ist ganz bestimmt gesund. Kraftvoll schreitet sie aus, ihre Haltung ist gerade und die Augen blitzen vor Lebenslust. Nun gehen wir in einen Nebenweg. Hier wachsen Zwiebeln, Möhren, Rüben, dazwischen Dill, auch Petersilie und Koriander, welchen ich als Pflanze nicht kannte. Die Rauke, mit den beinahe Löwenzahn ähnlichen Blättern und den langen Blütenstielen kannte ich. Sie schmeckt sehr herzhaft, aber im Salat untergemischt, bereichert sie den Geschmack. In einem anderen Beet wachsen Salbei, Lavendel, Rosmarin, Pimpinelle, Estragon, Bohnenkraut, Ysop, Eberraute, Knoblauch und die kräftige Maggistaude. Dann gibt es Beete mit grünen Bohnen, weiter nach hinten rankt eine riesige Kürbispflanze, an deren Stielen schon beachtliche orangfarbene Kürbisse wachsen. Auf der anderen Seite des großen Weges, in der prallen Sonne gedeihen Landgurken und Zucchini. Sie hat reichlich Früchte angesetzt. Dazwischen sprießen hoch die Fenchelstauden und Kümmel, welchen ich als Pflanze auch noch nicht blühend gesehen hatte. In der warmen Sommerluft duften alle Kräuter intensiv. Bienen, Hummeln und Schwebfliegen haben das Paradies entdeckt. Am Zaun zu den Nachbarn blühen Beinwell, Eisenkraut und der Borretsch mit den hübschen blauen Sternchenblüten. Hinter dem Haus, etwas im Schatten stehen noch Schnittlauch, Melissen, verschiedene Salbeiarten und Pfefferminzen.

Ich war ganz erschlagen von dieser Pflanzenvielfalt. Dicht am Haus hatte sie eine kleine, gemütliche Sitzecke. Hier rankt sich Clematis an einer hölzernen Rankhilfe hoch. Ihre vielen dunkelroten Blütensterne waren gerade in voller Blüte. Rustikale Holzmöbel mit rot/weißen Sitzpolstern und Kissen laden zum Verweilen ein. Ich setzte mich gerne in den Schatten, während sie uns ein wunderbar kühles Getränk hin stellte. In rustikalen Gläsern hatte sie Brunnenwasser mit Wehrmut und Eisstückchen gegossen dazu, es konnte anders nicht sein, verschiedene, kurze Stielchen von Melisse, Pfefferminz und Salbei.

Nach der Erfrischung erzählte sie mir, dass aus dem einstigen Wissen heraus, schon Kaiser Karl, 812 eine Verordnung erließ, was alles in seinen Krongütern anzubauen ist. In allen Klostergärten in ganz Europa wurden daraufhin eine einheitlichen Gestaltung durchgesetzt. Nur durch die unterschiedlichen Klimaansprüche bedingt, gab es Unterschiede. Man tauschte sein Wissen, Samen und Reiser aus bei den alljährlich stattfindenden Generalkapiteln oder bei dem Auszug eines Konvents zur Neubesiedlung einer Klostergründung. In ihren Schilderungen taucht auch Hildegard von Bingen auf. Die einfachen praktischen, sachlich gegliederten Zisterzienser Klostergärten wandelten sich zu barocken Prunkgärten. Allmählich wanderten die Pflanzen auch in die Bauerngärten. Nicht nur Gemüse und Gewürzpflanzen, sondern auch Färbe- und Faserpflanzen wie: Waid, Krapp, Karde, Färberkamille, Seifenkraut, Lein und Hanf. Viele Pflanzen sind heute aus der Küche nicht mehr weg zu denken. Man denke dabei an: Petersilie, Dill, Majoran, Bohnenkraut, Schnittlauch, Zwiebeln und Basilikum.

Anderseits bin ich keine Ausnahme, sagt sie. Es ist wieder modern, viele Gewürze zu verwenden und auch „Kräuterspiralen“ oder Hochbeete mit Kräutern, in Küchennähe anzulegen. Auch auf einige Heilpflanzen wird inzwischen in der Naturheilkunde wieder zurück gegriffen. Dann erzählt sie noch, das sie, weil sie ihre Familie bei kleinen Wehwehchen mit Kräuterauszügen oder Kräuter-Auflagen heilt, in der Nachbarschaft kleine „Kräuterhexe“ genannt wird. Aber ich bin gar nicht böse, schmunzelt sie.

Es ist spät geworden und ich hab ja noch einen weiten Weg bis nach Hause. Sie begleitet mich zum Gartentor und dabei zeigt sie auf die Blumenrabatten zu beiden Seiten des Weges. Alle diese Pflanzen hat es früher schon in den Bauerngärten gegeben. Da blühen hohe Malven, Lilien und viele Ringelblumen. Schwertlilien, Pfingstrosen, Akelei und Tränendes Herz waren schon verblüht. Auf der anderen Seite blüht prächtiger Phlox, Rittersporn, Bartnelken, Margariten und Monbretien, sehr farbenprächtig.

Ich bedankte mich für die informativen Stunden und wir verabschieden uns herzlich.