Müggelheimer Bote
16. Jahrgang, Ausgabe 11/2009
November 2009
Müggelheimer Bote

Inhalt
BBI: Fünf Stunden Nachtruhe sind genug
Ruhige Saison bei den Wasserrettern
Leukämie: Benjamin braucht Ihre Hilfe
20 Jahre Mauerfall - 5 Müggelheimer erinnern sich
Tipps zum Auftreten der sog. Schweinegrippe
Eine Stadt wird 800
Weitere Meldungen
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Aus der BVV
Polizeibericht
Neues aus Treptow-Köpenick
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Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Müggelheimer Bote





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Serie für den Natur- und Gartenfreund

Mein Freund der Baum

von Marianne Schäfer

Viele werden es kennen, das Lied, in dem ein Mädchen den gefällten Baum beweint, weil sie in seinem Schatten nicht mehr ruhen kann. Sie fühlte sich oft gestreichelt von seinen Zweigen und nun wurde er im frühen Morgenrot gefällt.

Muss man darüber schmunzeln? Ich sage nein. Als ich meinen Garten kaufte, stand dicht am Haus eine wunderbare Weißtanne, Abies alba bezeichnet. Sie hatte schon einen mächtigen Stamm und in den zwanzig Jahren, in denen sie mir gehört, ist sie noch tüchtig gewachsen. In einem Buch habe ich gelesen, dass so eine Weißtanne am liebsten im Mittel- und Südeuropäischen Gebirge wächst und zusammen mit Rotbuchen und Fichten eine Höhe von 30-50m und mehr erreicht und dabei bis zu 500 Jahren alt werden kann. Sie stand aber nun hier in dem sandigen Müggelheimer Boden. Sommerwärme und etwas Luftfeuchtigkeit hatte sie, aber gegen kalte Winter konnte man sie wohl nicht schützen.

Der Gärtner, welcher das Buch schrieb, sagte kurz und knapp: Für unser Flachland ist sie wenig geeignet. Von Anfang an habe ich die Tanne als meinenen Hausbaum bezeichnet. Sie breitete ihre dunkelgrün benadelten Äste zum Teil über meine kleine Veranda aus. Unter der Tanne wurde es nicht so schnell nass, wenn es regnete und auch in heißen Sommertagen war es in ihrem Schatten kühl, ja sogar bei großer Hitze wurde es durch ihren Schatten in meiner Veranda nicht so heiß. Natürlich hat sie ihre Wurzeln weit in den Garten gestreckt und sich ordentlich die Nährstoffe, die sie brauchte, aus dem Boden genommen. Andere Pflanzen haben dadurch gehungert, das habe ich wohl bemerkt, aber sie war doch ein so schöner Baum!

Sie trug ihre Zapfen aufrecht und sie waren oft mit glitzernden Harztröpfchen geschmückt. Wenn ihre Samen darin reif waren, dann sind viele Vögel gekommen und haben an den Zapfen geknabbert, bis sie an die Samen kamen. Die Schuppen der Zapfen lagen dann reichlich unter der Tanne, im Gebüsch und auf dem Weg. Sie war so schön, dass ich dachte, irgendwann spende ich sie für den Weihnachtsmarkt als besonders schönen Mittelpunkt. Sie würde prächtig geschmückt werden, mit Lichterketten, Kugeln und Engelchen. Aber noch nicht, dachte ich, denn sie wächst noch.

Dann sah ich im vergangenen Jahr, dass ihre Spitze keine neuen Triebe gemacht hatte. Später wurde die Spitze sogar kahl. In diesem Jahr nadelte sie extrem ab. Ich musste mich ernsthaft mit dem Gedanken befassen, sie fällen zu lassen.

Ich hatte in der Nachbarschaft beobachtet, wie das vonstatten ging und ich war beeindruckt, wie geschickt und ordentlich das von dem Baumkletterer gemacht wurde. Nachdem ich einige Büsche, Gehölze und Steine entfernt hatte, machte ich einen Termin mit der Firma. Und dann ging ich zu meinem Baum, umfasste seinen Stamm und weinte. Ja, es war so wie bei dem Lied, mein Freund der Baum, du musst sterben. Dann war der Tag gekommen. Mit einem LKW und einem riesigen Schredder kamen der junge Mann und ein tüchtiger Helfer mit Kettensägen und Machete. Es wurde nicht lange gefackelt. Schade, schöner Baum, sagte der Mann und zog sich dabei die Spezialschuhe an. Darüber schnallte er die spezial Dorne, mit denen er, sie kräftig in das Holz stoßend, an dem Stamm hoch klettern konnte. Alles Werkzeug was er brauchte, hing er an seinen Gurt um seinen Leib. Außerdem hatte er noch besondere Gurte, an dem dann das Seil befestigt war, was er immer um den Baumstamm gelegt hatte und es dann bei jedem weiterem Aufsteigen auch weiter nach oben rückte. Zum Schluss setzte er noch den Sturzhelm mit den Ohrenschützern und dem Augenschutz auf. Aufi gings!

Ast für Ast wurde abgesägt und platziert an der frei geräumten Stelle fallen gelassen. Von den Tannenästen trudelte ein Regen von befiederten Samen, wie kleine Fallschirmchen, auf die Erde. Der Kollege zerkleinerte die Äste und schob sie in den Schredder. Ein kurzes, kreischendes Geräusch und schon waren aus dem Ast ein paar Holzschnipsel geworden. Als der Chef oben bei der kahlen Spitze war, seilte er sie an, bevor er sie absägte. Für einen kurzen Moment stand der kahle Stamm da und schon setzte er die Säge an und schnitt Stammabschnitt für Stammabschnitt, welche er auf ein Polster von grünen Tannenzweigen fallen ließ.

Einen größeren Stubben hatte er auf meinen Wunsch stehen gelassen. Wir zählten die Jahresringe, der Baum war nur fünfzig Jahre alt. Ich stand allein in meinem Garten, der so kahl geworden war, der Himmel, den vorher mein schöner Hausbaum gefüllt hatte, war leer. Es ist eine große Veränderung im Garten. Aus dem Schattenbereich wird eine sonnige Fläche. Kein Tannenast hält den Schnee und den Regen mehr von der Treppe ab. Mein Freund der Baum ist tot.