Müggelheimer Bote
16. Jahrgang, Ausgabe 1/2010
Januar 2010
Müggelheimer Bote

Inhalt
Knochenmarkspender für Benny gefunden
BBI: Lassen Sie sich nicht erst durch Flugzeuge in der Nacht wachrütteln!
Der falsche Hauptmann von Köpenick
Eine Stadt in Berlin wird 800
Das Geheimnis ayurvedischer Schönheitspflege
Weitere Meldungen
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Aus der BVV
Polizeibericht
Neues aus Treptow-Köpenick
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Heimatverein
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Der falsche Hauptmann von Köpenick

Die Zeit des Deutschen Kaiserreiches, in der der Schuhmacher und Straftäter Wilhelm Voigt aufwuchs und lebte, war geprägt durch eine überzogene Rolle des Militärs. Im täglichen Leben wurden die Menschen vom preußischen Militarismus berührt. Und der so genante “Blaue Rock des Kaisers”, die Soldatenuniform wurde über alle Maßen glorifiziert. Die allgemeine Ehrfurcht vor der Uniform wurde den Menschen schon vom Kindesalter an bis ins Mark eingepflanzt. Auch Wilhelm Voigt spürte das und nutzte es für seinen Köpenicker Kassenraub aus. Dass er mit seinem Trick den preußischen Staat vorführte und ihn vor aller Welt blamierte, lag nicht in seiner Absicht. Er wollte nur das Geld aus der Stadtkasse, die er nach seinen Erforschungen an diesem Tag besonders voll vermutete.

Erst durch die literarische Verarbeitung seines frechen Gaunerstreiches bekam der falsche Hauptmann den fast rührseligen Anschein eines Menschen, der um sein Bleiberecht kämpfen musste. In Wahrheit ging es ihm ausschließlich um das Bargeld aus der Stadtkasse. Auch hat er sich nicht der Polizei gestellt, sondern wurde wegen der ausgesetzten Belohnung von einem ehemaligen Knastbruder verpfiffen.

Der eigentliche Vorgang des „Kassenraubes” ist der Welt bekannt und man kann nach 100 Jahren noch darüber lachen. Am 16. Oktober 1906 kommandierte Wilhelm Voigt in einer Hauptmannsuniform einen Trupp Soldaten von der Straße ab, um auf „allerhöchsten Befehl” den Köpenicker Bürgermeister zu verhaften. Das Rathaus wurde umstellt. Er ließ den Bürgermeister Dr. Georg Langerhans mit seinem Kassenrendanten festnehmen und mit einer Kutsche unter Bewachung zur Neuen Wache transportieren. Mit dem beschlagnahmten Stadtkasseninhalt von 4002,37 Mark begab er sich zum Bahnhof, trank dort noch ein Bier und verschwand mit dem nächsten Zug. Nur einen kleinen Teil des geraubten Geldes hatte er bis zu seiner Verhaftung verbraucht, so dass Köpenick kein größerer finanzieller Schaden entstand.

„Der Hauptmann von Köpenick” wurde nach der Vorlage von Carl Zuckmayers Stück mehrmals verfilmt. U.a. mit Heinz Rühmann, Rudolf Platte und Harald Juhnke. In dieser Darstellertradition sieht sich auch der Volksschauspieler Jürgen Hilbrecht, der - gegenüber vom Rathaus beheimatet - immer wieder ideenreich in die Uniform des Hauptmanns schlüpft und mit schelmischem Geist die Köpenicker Symbolfigur lebendig macht. Extra für ihn wurde das Stück „Über die wahre Geschichte des Wilhelm Voigt - das Schlitzohr von Köpenick” geschrieben (Felix Huby/Hans Münch). Jeweils mittwochs und samstags führt zudem die Garde des Hauptmanns ihr Spektakel für Schaulustige auf und macht es zu einem Touristischen Markenzeichen des Bezirks.

Und im ehemaligen Kassenraum des Köpenicker Rathauses, welches 1905 erbaut wurde, ist der „Köpenickiade” eine Ausstellung gewidmet. Der Begriff „Köpenickiade” ist inzwischen übrigens auch im Duden aufgenommen als Pseudonym für Hochstapelei. Weil „The Captain of Köpenick”, wie das englischsprachige Stück heißt, den Südosten Berlins berühmt machte, gibt es auch viele Firmen die den Hauptmann in ihrem Logo führen. -n.