Müggelheimer Bote
6. Jahrgang, Ausgabe 03/2000  
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Recyclinghöfe werden mobil: BSR sammelt vor der Haustür

Erfolgreiche Spendensammlung für Kinder in Krisengebieten

Kirchengrundstück verkommt zur Sandwüste

Grab dritter Klasse für zersägten Lenin

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Flughafen: Vernunft gegen Umweltzerstörung

Flughafen: Hilfestellung für Einwendungen gegen den Flughafenausbau

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Zuletzt aktualisiert am 03.03.2000

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Grab dritter Klasse für zersägten Lenin

Wie den "Denkmal-Spechten" Einhalt geboten wurde

Forstamtsleiter Karl-Heinz Marx und seine Kollegen vom Treptower Forstamt sind nicht nur gut bestallte staatliche Naturschützer. Die Grünröcke betätigen sich seit nunmehr neun Jahren neben ihrer normalen Arbeit, der Hege und Pflege des Waldes, zugleich als bewaffnete Kunstwächter. Der Grund: Seit November 1991 liegt in den Seddinbergen ein Stück unverdauter und verbuddelter DDR-Geschichte - das Lenindenkmal.

Im Oktober 1991 war es in Friedrichshain am damaligen Leninplatz, dem heutigen Platz der Vereinten Nationen, zersägt und so Stück für Stück vom Sockel geholt worden. 100 000 Mark sollte die Demontage kosten. Doch Lenin widerstand hartnäckig Hammer und Meißel. Schließlich musste eine Spezialfirma den Granit mit Wasserstrahltechnik zerschneiden. Trotz massiver Proteste wurde das Mammutwerk des sowjetischen Bildhauers Nikolai Tomski für 500 000 Mark abgewrackt.

Seither liegt der große Wladimir Iljitsch Lenin irgendwo zwischen Weihnachtsbaum-Schonungen und Sauenpfuhl, nicht der echte und für die kommunistische Einheit einbalsamierte sowjetische Partei- und Staatslenker. Nein, hier ruht auf einer Länge von 40 Metern in einem Staatsgrab dritter Klasse sein gigantisches Abbild, einst 19 Meter hoch und immer noch Dutzende Tonnen schwer. An zwei Stellen lugt der rötliche Granit des in 125 Teile zerlegten Denkmals hervor.

Vergraben und vergessen? Eine Frage, für die sich Forstamtsleiter Karl-Heinz Marx ebenso wenig zuständig fühlt, wie der Leiter der Treptower Forstamtsverwaltung, Johann Pachter. Am Ort des Geschehens sagt er über das „Corpus Delicti”: Die Forsten seien zu diesem Denkmal gekommen, wie die Jungfrau zum Kind. Der Senat habe damals verfügt, dass der Koloss im Wald abgeladen werde. „Es sollte nur eine vorübergehende Herberge sein, doch inzwischen scheint der Senat davon auszugehen, dass Lenin dort für alle Ewigkeit liegen bleibt”, so Pachter.

Der damalige Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer hatte im Oktober ’91 die Abrissgenehmigung für das Riesen-Monument erteilt, nachdem er es aus der Denkmalliste streichen ließ, um dann den Lagerplatz am Rande der Stadt zu suchen. Da immer wieder Souvenirjäger versuchten, Stücke von den offen daliegenden Denkmalteilen abzuschlagen, wurde Lenin 1993 unter einem fünf Meter hohen und 40 Meter langen Sandhügel vergraben. Allerdings ohne linkes Ohr, das war ihm bereits abgeschlagen worden. Die Förster betrachten inzwischen den „Leninhügel” als Teil eines zu DDR-Zeiten verkommenen 28 Hektar großen Magerrasen-Biotops, dessen Flächen derzeit renaturiert werden.

Obgleich Marx und sein Team keine besondere Beziehung zu dem eingegrabenen Lenin haben, werfen sie regelmäßig ein Auge auf ihn. „Schon mehrmals wurde versucht, das Denkmal wieder auszubuddeln, wobei die Grabschänder das Areal zusätzlich mit ihrem Müll verunreinigen”, schimpft Pachter.

Aus dem Blick hat offensichtlich auch der Senat die Granitbrocken verloren. „Das Denkmal ist so gelagert, dass es nicht weiter zerstört werden kann”, meint die Vertreterin der Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Dagmar Buchholz. Es gebe im Moment keine neue Idee für die Verwendung.

Wichtig sei, dass er vor weiterem Vandalismus geschützt sei. Außerdem sei der märkische Sand die beste Art der Konservierung. Da könne er noch 100 Jahre unbeschadet lagern. Aus der Sicht des Landes Berlin gebe es keinerlei Grund, die Ruhe Lenins zu stören, schon deshalb nicht, weil der Senat an allen Ecken und Kanten sparen müsse. Der Senat hätte aber sicher nichts dagegen, wenn sich Akteure fänden, die mit der „Wiederbelebung” des Lenin-Denkmals ihre Interessen realisieren. Jan Spar

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