Müggelheimer Bote
9. Jahrgang, Ausgabe 6/2003
Juni 2003
Müggelheimer Bote

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Sportlergrößen in Müggelheim V

Bescheiden trotz großer Erfolge: der Radrennsportler Helmut Seeger

von Gisela Winkelmann

Es ist nicht leicht Helmut Seeger zu erreichen: Der Exprofi-Radrennfahrer ist in der Woche beruflich als EDV-Mitarbeiter im Außendienst unterwegs. Kaum zu Hause angekommen, schnappt er sich sein Rennrad und hat Sonntags vormittags schon eine 80 Kilometer-Tour zurück gelegt. „Seit Jahren treffen sich am Wochenende mehrere Sportgruppen aller Altersstufen in Köpenick um ausgedehnte Touren mit dem Rad ins Umland zu unternehmen. Die Routen sind unterschiedlich festgelegt. Wichtig ist uns dabei, nicht aus der Übung zu geraten und fit zu bleiben”, so der ehemalige Rennfahrer der DDR-Nationalmannschaft.

Seeger beim 245 km-Hobbysport Rennen in Österreich 1995. Foto: privat

Schon den sportbegeisterten Schüler Helmut faszinierte besonders das Radrennfahren. Stundenlang saß er damals vor dem Radio und fieberte für Täve Schur und seine Mannschaft während der Friedensfahrt mit. Eigentlich ist sein Weg nun vorgezeichnet. Der gebürtige Magdeburger schließt sich dem Verein Dynamo Magdeburg an und wird vom Trainer Wolfgang Weikert, der selbst von 1965 bis 1973 aktiver Rennfahrer war, betreut. In der Tat wird Helmut Seeger bereits 1967, mit 15 Jahren, Bezirksmeister im Mannschaftsfahren in Magdeburg. 1968 und 1969 schafft er es zum Deutschen Meister im 3000-Meter Einzelverfolgungsfahren. In Tallin (Estland) erringt er 1970 im Straßenmannschaftsfahren den 2. Platz.

Von 1967 an wird Seeger von dem bekannten Trainer Peter Becker trainiert. Becker, der noch heute mit seinen 65 Jahren als Trainer tätig ist, hat auch Jan Ulrich unter seinen Fittichen.

Im gleichen Jahr wird der motivierte Sportler vom Bezirk Magdeburg nach Berlin-Hohenschönhausen zum SC Dynamo delegiert. Hier beginnt für Helmut Seeger eine sechsjährige Internatszeit. Zum Training gehören Fußball, Basketball, Laufen und Krafttraining. Täglich werden bis zu 200 Kilometer mit dem Rad gefahren. Später erlernt er den Beruf des Stahlformenbauers und studiert anschließend Gesellschaftswissenschaften. Helmut Seeger erinnert sich an seine Internatszeit: „Diszipliniert, fast stoisch ging es in unseren Gemäuern zu. Als auflockernd erwies sich die Brauerei auf dem Nachbargrundstück. Wir hatten nicht nur guten Kontakt zu deren Angestellten, sondern hin und wieder auch zu einem Kasten Bier. Mit einigen Flaschen dieses Gebräus bestachen wir den Pförtner des Internats wenn wir später als 22 Uhr zur Nachtruhe erschienen. Er drückte ein Auge zu, unsere Postkarten konnte er damit allerdings noch gut durchlesen.”

Helmut Seeger präsentiert stolz seinen treuen Begleiter - das Rennrad. Im Hintergrund die diversen Trophäen seiner Erfolge. Foto: Winkelmann

Die Trainingslager waren zu jener Zeit in Johann-Georgen-Stadt im Winter und in Gera oder Klingenthal im Sommer. Internationale Konkurrenz aus Holland, Dänemark und der damaligen BRD hatte der Rennfahrer 1971 im sächsischen Colelitz zum V. Jugendpokal über drei Etappen. Er wurde Sieger und bekam als Anerkennung ein Kaffeeservice aus Colelitzer Markenporzellan, welches er noch heute unversehrt in seiner Schrankwand aufbewahrt.

Daten und Siege
1967: - Bezirksmeister Mannschaftsfahren (Magdeburg)
1968: - vier Mal Berliner Meister
- Deutscher Meister 4er-Mannschaft auf der Straße
1969: - 2. Platz Jugendwettkämpfe Straßeneinzel
- 2. Platz Mannschaftsverfolgungsfahren 4000 Meter
- Deutscher Meister 3000 Meter Einzelverfolgungsfahren
1970: - Deutscher Meister 100 Kilometer Straße, Mannschaft
- Jugendwettkampf 3. Platz über 4000 Meter-Bahn-Mannschaftsverfolgung
- 2. Platz Straßenmanschaftsfahren
1971: - 1. Platz Internationaler Jugend- pokal über 3 Etappen

Der erfolgreiche Sportler selbst blieb nicht verschont: 1971 erlitt er in der Werner-Seelenbinder-Halle auf der Winterbahn einen schweren Sturz, wurde dabei noch etwa 80 Meter mitgeschleift. Im Mai 1973 erneuter Sturz beim Zweier-Mannschaftsrennen in Gera. Die Folgen: Schulter- und Schlüsselbeinbruch. Mit dem aktiven Sport hört Seeger auf. Er trainiert nun den Nachwuchs in der Nationalmannschaft. Nach der Wende wird sein Trainerpass erneuert. Mit Jan Ulrich als sportlichem Leiter im Team arbeitet er bis 2001 unentwegt für den Nachwuchs im Radrennsport. Zu den Trainingslagern fuhr die Mannschaft nun nach Spanien und Italien, alles gesponsert von der Deutschen Telekom.

„Es macht einen immer wieder traurig, wenn keine Möglichkeiten, kein Geld für begabte Kinder und Jugendliche vorhanden ist. Das betrifft nicht nur den Bereich Sport. Aber wessen Eltern können ihrem Kind ein Rennrad für etliche tausend Euro kaufen?”, fragt sich Helmut Seeger.

Zwei Söhne hat die seit 1994 in Müggelheim ansässige Familie. Mit 23 Ehejahren steuern sie auf die Silberhochzeit zu. Sohn Kai fing mit dem Radsport an, gab es aber wieder auf. Sohn Ivo spielt in der 1. Männermannschaft in Gosen Fußball. Vater Seeger hat sich in seinem behaglichen Heim einen Fitnessraum eingerichtet. Dort steht auch sein Rennrad. An den holzgetäfelten Wänden hängen dicht an dicht die Siegerschleifen. Nur er, der ruhige, zurückhaltende Radrennfahrer, weiß um jeden Tropfen Schweiß dafür.