Müggelheimer Bote
11. Jahrgang, Ausgabe 8/2005
August 2005
Müggelheimer Bote

Inhalt
Fernsehen live aus Müggelheim
PS-starke Chrom-Karossen aus Amerika
Litfaßsäule feierte ihren 150. Geburtstag
Unsere Rettungsschwimmer vom Kleinen Müggelsee
Arbeitgeber in und um Müggelheim: Sabine Redmann
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Klatsch und brisante Nachrichten - die Litfaßsäule feierte ihren 150. Geburtstag „Ahnenforschung” für Müggelheims einzige Anschlagsäule

von Simone Jacobius

„Der Dreh mit der Milch und dem Kaffee“ steht da in großen Lettern. Ein Glas kaffeebrauner Flüssigkeit springt einem ins Auge, lässt die Geschmacksnerven förmlich kollabieren. Anschaulicher geht Großflächenwerbung kaum noch als jüngst auf Müggelheims einziger Litfaßsäule an der Busschleife Krampenburger Weg. In diesem Sommer feierten die Litfaßsäulen ihren 150. Geburtstag. Unser Exemplar ist eins von etwa 15 im Bezirk und verströmt den Charme einer typischen Betonsäule - eigentlich gar keinen. Und sie ist mit Sicherheit auch noch keine 150 Jahre alt. Dennoch wollten wir das Jubiläum zum Anlass nehmen auch einmal ihrer Geschichte nachzuforschen.

Ernst Litfaß anno 1855. Die wilde Plakatiererei soll sein Auge gestört haben. Und mit seiner Erfindung namens „Anschlagsäule” brachte er wieder Ordnung ins Straßenbild. In Wahrheit handelte es sich wahrscheinlich eher um gesunden Geschäftssinn, wenn ausgerechnet ein Drucker und Verleger darauf kommt, einen anständigen Platz für seine Plakate und Bekanntmachungen zu schaffen. In diesem Sommer ist es genau 150 Jahre her, dass Ernst Litfaß die später nach ihm benannte Säule schuf.

Inzwischen sind die alten Litfaßsäulen im Aussterben begriffen. Sie machen mehr und mehr den heutigen „Stadtmöbeln” Platz - um den heute gebräuchlichen Ausdruck zu nutzen.

Der Erfolg gab Ernst Litfaß damals Recht. Für die Berliner war es eine Sensation, als im Sommer 1855 die ersten 100 Anschlagsäulen aufgestellt wurden - häufig so, dass sie die öffentlichen Pissoirs verdeckten. Die Berliner wussten die Erfindung des geschäftstüchtigen Mannes schnell zu würdigen und machten Litfaß zu einem reichen Mann. Denn die „Litfaßsäule“ war schnell eine Marke, schließlich hatte sich ihr Erfinder das Monopol auf diese Art der Informationsverbreitung für 25 Jahre gesichert. „Reklamekönig” und „Säulenheiliger” wurde Litfaß genannt, hatte er doch bei aller Geschäftstüchtigkeit auch immer ein Herz für die Armen.

1875 gestorben, liegt Ernst Litfaß heute in einem Ehrengrab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof. Der Erfinder geriet zwar in Vergessenheit, nicht aber seine Säulen. Sie gehörten schnell zur städtischen Grundausstattung und fungierten bis in die 20er- 30er-Jahre hinein quasi als öffentliche Zeitung. Doch die Zeiten, in denen sich die halbe Bevölkerung um die Säulen scharte und das Kleingedruckte las, sind schon lange vorüber. Als Werbeträger erleben die Säulen allerdings gerade eine Renaissance. „Nicht kleckern sondern klotzen” heißt die Devise heute. Denn auffällig muss die Werbung sein, ins Auge springen und den Gaumen kitzeln.

Doch die elektronische Konkurrenz schläft nicht. Die Stadtmöbel von Hans Wall schießen wie Pilze aus dem Boden und auch die Bus-Wartehäuschen werben nun für die ausgefallensten Dinge. Trotzdem: Wir sollten unsere Litfaßsäule in Ehren halten. Sie ist eine der noch wenigen „alten”.