Müggelheimer Bote
15. Jahrgang, Ausgabe 1/2009
Januar 2009
Müggelheimer Bote

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Großeinsatz der Jugendfeuerwehr
Bilanz: Bürgerdienste - Bildung - Sport
Rahnsdorfer fordern Erhalt der Ruderfähre
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Geschichten aus dem Müggelwald

Das Müggli - ein Monster ganz privat

Eine Geschichte von Anne Müller

Im kleinen Müggelsee lebt schon seit jeher zurückgezogen und einsam das Müggli am Seegrund. Im Jahre 1450 wurde es zur Zeit der Hexenverbrennung und Beulenpest im oberen Müggelsee, nahe dem heutigen Wasserwerk, geboren. Niemand wusste von seiner Existenz, bis im Jahre 1899 die kaiserliche Flotte zum feierlichen Ehrentag von Friedrichshagen so viele Salute schoss, dass das Müggli vor Schreck und Neugier nahe dem Spreetunnel kurz auftauchte. Der Schiffsmaat, Joseph M. entdeckte es und war der erste Mensch, der das Wesen beschrieb: „Es ist ein mutiertes Wesen aus der Eiszeit mit meterlangen Scheren, riesigen Beißwerkzeugen und einer mächtigen roten Schwanzflosse. Es ist wahrscheinlich früher ein tropischer Flusskrebs gewesen“. Man versuchte einige Jahre das Monster vom Müggelsee zu erlegen, aber große geschichtliche Ereignisse ließen das Müggli bald schnell vergessen.

Diese Geschichte wäre glatt erlogen, wenn nicht die Rentnerin Hilde G. vor kurzem beim morgendlichen Seniorenbaden am kleinen Müggelsee die Kreatur erneut gesehen hätte. Es waren die ersten warmen Sommertage in diesem Jahr und die sportliche Rentnerin beschloss wie eh und je die Badesaison in frischer Morgenröte zu eröffnen. In der Ramschkiste von C& A hatte sie kürzlich eine grell-pinkfarbene Badekappe erstanden, die wunderbar zu ihrem hellgrünen Badeanzug passte. Kein Mensch war normalerweise zu dieser Zeit am Strand. Einige Jugendliche lagen zusammengerollt zwischen Bierdosen und Grillkohle in ihren Schlafsäcken und schliefen fest, ein betagter Marathonläufer überquerte lässig den Strand ohne einmal aufzublicken. Hilde war nun allein.

„Da brauche ich den Badeanzug nicht nass zu machen. Wie praktisch!“, dachte Hilde, setzte ihre Badekappe auf und hüpfte freudig und flink ins Wasser. Das Müggli war Badegäste gewohnt. Normalerweise ließen sie es kalt. Auch das frühmorgendliche Schwimmen einiger Hartgesottener war dem Müggli wohl vertraut. Manchmal wunderte es sich darüber, ging dann aber seiner Lieblingsbeschäftigung nämlich dem Jagen von kleineren Fischschwärmen und tauchenden Wasservögeln nach. An diesem Morgen döste das Müggli friedlich vor sich hin und träumte von einer wunderhübschen Monsterdame mit vielen Tentakeln, rosaroten Scheren und breiter Schwanzflosse. Wie genau sie aussehen sollte wusste es nicht mehr so genau. Die letzte Begegnung mit einer Dame seiner Art aus dem Jahre 1669 lag schon zu lange zurück.

Eben als das Müggli seine Augen öffnete, erblickte es die schwimmende nackte Hilde mit der pinkfarbenen Badekappe direkt einige Meter über sich und erschrak. Was war das? In der Ferne erschien ihm Hilde viel größer und rosafarbiger als sie in Wirklichkeit war. Die Badekappe stach förmlich ins Auge des Müggli. Die Neugierde war geweckt. War es möglich, dass ein paarungswilliges rosa Müggli-Weibchen den weiten Weg aus Kanada hierher gewagt hatte um den letzten Riesen-Süßwasser-Monsterkrebs in Europa zu finden?

Die Brustplatten des Müggli färbten sich zart-rosa und es warf schnell einige alte Rückenschuppen ab. Zaghaft tauchte es zu Hilde auf, die ahnungslos auf dem Wasser lag. Mit einer langen Tentakel berührte es behutsam ihren linken Fuß. Hilde bemerkte es nicht und schwamm weiter der Boje entgegen. Das Müggli tauchte nun kurz vor ihr auf um seine lachsfarbenen Brustplatten zu präsentieren.

Dieses Signal zur Paarung hatte auch 1669 zum Erfolg geführt. Als es gerade mit dem Paarungstanz beginnen wollte, entdeckte die Rentnerin das Monster und schrie aus Leibeskräften um Hilfe. Während das Monster laut schnaufend an der Wasseroberfläche herumtanzte, erreichte Hilde bald das Ufer und rannte panisch am Strand entlang. Niemand war zu sehen. Im Bademantel eilte sie zum Café L&B. Dort gab man ihr einen Kräutertee und Beruhigungstropfen. Wer sollte ihr schon glauben: ein Monster um diese Zeit im See und es gab keine Zeugen. Außerdem glaubte sie es selbst kaum.

Das Müggli war indes enttäuscht wieder hinabgetaucht und seitdem nie mehr gesehen. Hilde ging nach einigen Wochen wieder ohne Furcht allein früh schwimmen. Sie hatte das Erlebnis verdrängt und der Wirkung einer neuen Vitamintablette zugeschrieben, die sie danach wegwarf. Das Müggli lebt weiterhin, nur etwas skeptischer gegenüber rosafarbenden Subjekten auf der Wasseroberfläche, glücklich und zufrieden im kleinen Müggelsee.