Müggelheimer Bote
18. Jahrgang, Ausgabe 11/2011
November 2011
Müggelheimer Bote

Inhalt
Patient Moor auf dem Weg zur Besserung
BVBB: In Leipzig verloren und doch nicht hoffnungslos
Unterschriften fürs Volksbegehren übergeben
Wowis Baum - "Beamte dürfen keine Geschenke annehmen"
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Aus der BVV
Heimatverein
Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
Karikatur
Letzte Seite
Archiv
Müggelheim im Internet
Impressum
© 2011
Müggelheimer Bote
 

Gedanken aus Müggelheim

von Simone Jacobius


Im Urlaub passiert es immer wieder. Die Unterschiede werden einfach zu deutlich und mir fällt auf, welche Defizite wir Deutschen doch haben. Ich rede von Kinderfreundlichkeit. Hier müssen Bolzplätze geschlossen werden, weil Nachbarn (die erst hingezogen sind, als der Platz schon existierte) dagegen geklagt haben – wegen des Lärms. Hier werden Spielplätze geschlossen, weil sie marode sind – ohne für einen Ersatz oder die Sanierung zu sorgen. In Deutschland werden Kinder in den meisten Restaurants noch immer als Störfaktor angesehen – weil sie unruhig oder gar auch mal laut sind und häufig noch nicht über die gewünschten Essmanieren verfügen. Nachbarn beschweren sich, wenn Säuglinge nachts nach Muttermilch schreien und wer als Elternteil frei nehmen möchte, um sich um seine Kinder zu kümmern, wird häufig schief angeguckt oder bekommt Steine in den Weg gelegt. Ich finde das traurig.

In anderen Ländern wickeln Väter ihre Babys mitten im Restaurant und für alle ist das normal. Für Kinder gibt es nicht nur in Gaststätten, sondern auch in Geschäften, Büchereien, Einkaufsstraßen große Spielecken. Chefs haben Verständnis, wenn Kinder krank werden und ein Elternteil zu Hause bleibt. Oder sie haben sogar eigene Betreuungszimmer in der Firma eingerichtet. Man könnte so viel machen – und es wird Zeit. Doch nur mit dem Einrichten entsprechender Spieloasen ist es nicht getan. Auch am Grundverständnis muss gearbeitet werden.

Man kann nicht darüber klagen, dass in Deutschland immer weniger Kinder geboren werden, aber gleichzeitig nicht für ein kinderfreundliches Umfeld sorgen. Wer weiß, vielleicht sind die vielen Sorgenkinder auch ein Resultat unserer Kinderunfreundlichkeit? Ok, das ist reine Spekulation und kann (noch) nicht belegt werden. Aber wer weiß. Früher konnten Kinder noch über die Felder toben und auf den Straßen ungefährdet spielen. Wie häufig ich mit zerschrundenen Knieen, zerrissenen oder vor Dreck starrenden Hosen nach Hause gekommen bin… Aber ich war glücklich, hatte eine schöne Kindheit. Zwar mit festen Regeln aber auch viel Spiel- und Tobemöglichkeiten und den entsprechenden Anregungen dazu. Wenn meine Eltern sich mit ihren Freunden trafen, wurden wir Kinder nicht ausgeschlossen, durften dabei sein, mitreden oder zumindest lauschen und haben ganz viel als Familie zusammen unternommen.

Ich würde mir wünschen, dass auch heute alle Kinder sagen könnten, sie haben eine glückliche Kindheit gehabt. Aber dazu gehört auch das entsprechende Umfeld. Wenn die Stadt immer enger wird und Straßen gefährlicher, müssen mehr Spiel- und Tobeplätze geschaffen, Parks zum Chillen freigegeben werden. "Rasen-betreten-verboten"-Schilder sind da wenig tauglich. Und wir alle müssen akzeptieren, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, sondern Menschen mit einem ungeheuren Entwicklungspotential. Sie müssen sich und ihr Umfeld erst erfahren, das kann auch ruhig mal etwas lauter werden. Und Rücksichtnahme ist nicht nur eine Einbahnstraße, gegenseitige Rücksichtnahme heißt auch, dass den Kindern Rechte zugebilligt werden. Wenn Deutschland sich nicht weiter zu einem riesigen Sanatorium entwickeln soll, sondern zu einem großen, lebensfrohen Mehr-Generationen-Land, müssen wir umdenken. Nehmen wir uns Beispiele an Ländern, die sich schon jetzt durch Kinderfreundlichkeit auszeichnen – das sind neben den skandinavischen vor allem auch die südeuropäischen Länder.